Frau Holle- oder: die Sache mit dem Backofen...
Völlig ahnungslos streife ich durch die Gänge eines Discounters.
Plötzlich läßt es mich erstarren- ein markdurchdringendes Piepsen rechts neben mir!
Die Gedanken überschlagen sich:
Ich bin doch noch gar nicht an der Kasse vorbei, habe keine 500 Euro teure Hyper-Duper-Luxus-Seife aus dem Laden schmuggeln wollen. Was also piepst dann hier so penetrant?
Haben die vielleicht testweise den neuen Nacktscanner installiert?
Nee- Quatsch, ich trage doch gar keine Piercings und die im Alter von 6 Jahren in den Oberschenkel gerannte und nie entfernte Bleistiftspitze kann es ja auch nicht sein...
Ein vorsichtiger Blick nach rechts- ein Backofen.
Einer von der Sorte: „Bedienung nur durch eingewiesenes Personal- Berühren strengstens verboten!“
Ein zweiter Blick zeigt: die Brötchen sind fertig. Sie müssen raus.
So haben sich Goldmarie und Pechmarie gefühlt, vor Frau Holles Backofen...
„ Hol uns bitte raus, wir verbrennen sonst ! “ höre ich die Brötchen wispern.
Ein schneller Blick nach links, ein weiterer nach rechts.
Kein weiterer Kunde in meinem Gang- allerdings auch kein Mitarbeiter in Sicht!
Eine einsame Dame sitzt vorne an der Kasse- das wars dann auch...
Und nun? Wieder piept der Ofen, jetzt schon schriller.
Auch die Brötchen melden sich wieder zu Wort.
„He du, hast du nicht gehört? Wir sind fertig! Goldbraun und knusprig, so wie sichs gehört! Hol uns raus!“
Was mach ich nur, was mach ich nur?
Erneut ein verstohlener Blick in die Runde-
Keine Hilfe in Sicht , allein auf du und du mit dem verflixten Hightech- Backofen und den, nun sichtlich ungeduldigen, Brötchen.
„Sie versteht uns nicht ?! Par le vouz francais? Do you speak english? We are ready! It's to hot in here! Burn baby burn – we are burning soon – help !“
Oh nein, jetzt stimmen sie den Beatles-Song an!
„Help me if you can...please, please help me, yeah!“
Das glaubt mir keiner ! Ich klatsche Beifall und ... immer noch ist keine Hilfe in Sicht.
Dia alte Dame, die stirnrunzelnd ihren Einkaufskorb an mir vorbei schiebt, vertieft in ein Selbstgespräch, zählt nicht: „Wenn mein Otto das gesehen hätte, singende Brötchen ! Und dann auch noch diese Negermusik – die Welt wird immer verrückter !“
Soll ich oder soll ich nicht.
Piep, piep, piep, dieser Backofen macht mich fertig!
Ich entscheide mich – für die Verhandlungstaktik.
„Bleibt ruhig. Ich würde ja gerne helfen, aber ich bin kein autorisiertes Personal. Ich habe weder eine Einweisung erhalten, noch ein Hygienezeugnis. Nicht einmal Handschuhe, tut mir leid..“
Oh dieses verflixte Gepiepe!
Nach meiner Ablehnung wird es hektisch im Backofen.
Noch ein letzter Versuch, mich als Helfer zu gewinnen: „MACH ENDLICH DIE TÜR AUF ! WIR SIND BRÖTCHEN UND WOLLEN NICHT ALS KOHLE ENDEN!“
Jetzt rotten sich die Gebäckstücke im Ofen zusammen.
Ein Mohnbrötchen scheint der Anführer zu sein.
Es zählt: „ Auf mein Kommando: 1, 2, 3- und los!“
Dann werfen sich alle Brötchen gegen die Tür und versuchen, sie aufzudrücken.
Ein kleiner Spalt tut sich auf,er wird größer,die Tür geht auf,die ersten Brötchen quellen heraus und stürzen...-in den Brotkorb, den die Marktleiterin schnell vor den Backofen geschoben hat!
Endlich ein Helfer! Rettung in letzter Sekunde!
Endlich, das Piepen ist aus!
Langsam komme ich wieder zu mir und starre auf die Brötchen in der Auslage: bewegungslos, geradezu harmlos liegen sie da.
Brötchen halt...
Doch stopp, das Mohnbrötchen da hinten, hat das nicht gerade gewackelt?
„ Piep,piep, piep“- Nichts wie raus hier!
... meine NUDELN kann ich auch woanders kaufen...
Bürgerreporter:in:sandra köhler aus Lehrte |
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