Der königliche Amtsschimmel bockte in Bilm
Als Isaak David Anno 1860 nach Bilm ziehen wollte
: Auch ein königlicher Amtsweg hatte seine Tücken
Von Lothar Rolf Luhm
Bilm-Sehnde. Als vor etwa Vierteljahrhundert das alte Bilmer Gemeindebüro in Nähe des heutigen Straße Im Kleifeld entrümpelt und abgerissen wurde, fand man neben zahlreichen vergilbten Papieren auch eine Urkunde aus dem Jahre 1860, in der von einem mosaischen Handelsmann namens Isaak David aus Gleidingen die Rede ist, der sich in Bilm als Schlachter niederlassen wollte. Zusammen mit dem Iltener Pastor Reißer, in dessen Hände die Papiere aus seiner Kapellengemeinde gelangt waren, hatte der inzwischen verstorbene Wolfgang Rücker aus Höver das in Schönschrift verfasste Schriftstück „entschlüsselt“. Dabei stellte sich heraus, dass auch ein königlicher Amtsweg vor mehr als 100 Jahren seine Tücken hatte.
Laut Protokoll erscheint eines Tages der 27jährige David in der Nebenstelle Ilten des Königlichen Amtes Burgdorf, um sein Gewerbe anzumelden und um Zuweisung einer Wohnung in Bilm zu bitten. Einige Wochen später erhielt der Antragsteller eine Vorladung, nach der er am 14. Juni 1860 im Königlichem Außenamt in Ilten vorzusprechen habe, um Fragen zu der beantragten Aufenthaltsgenehmigung für den damaligen Kreis Burgdorf zu beantworten. Guten Gewissens erklärte der Antragsteller, dass er von Gleidingen aus einen Fell- und Viehhandel betreibe und daher auch immer öfter in den hiesigen Wirtshäusern anzutreffen sei. Nunmehr habe er die Absicht, sich in Bilm als Schlachter niederzulassen, zumal er dort eine Mietwohnung in Aussicht habe.
Zuerst wollte man von Amts wegen wissen, ob Isaak David auch genügend Vermögen besitze, um nicht der Gemeinde zur Last zu fallen. An Ort und Stelle, so stets geschrieben, musste er seine Taschen leeren und seine Moneten auf den Tisch des Königlichen Amtes blättern. Entrüstet darüber, dass man ihn vielleicht für einen Schwindler halte, gab er zu Protokoll:„Wie dem Königlichem Amte bekannt sein dürfte, habe ich bereits ‚unerlaubt’ das Schlachtergewerbe in Bilm begonnen und bin deswegen schon bestraft worden. Wenn ich Wohnrecht in Bilm besäße und in Folge dessen das Geschäft betreiben dürfte, würde ich, wie ich überzeugt bin, einem Bedürfnis des Publikums in Bilm und Umgebung dadurch genügen und einen guten Unterhalt finden können.“
Wie viele Stunden Isaak David auf den Wegen zwischen Gleidingen, Ilten und Burgdorf verbracht hat und wie viele Kilometer er zurücklegen musste, bis er nach zwei Monaten eine erneute Aufforderung bekam, steht nicht in den Papieren. Aber es müssen viele gewesen sein. Am 13. August 1860 vermerkte der Königliche Beamte, dass der jüdische Kaufmann erschienen sei und eine Wohnung auf einem Bilmer Bauernhof nachgewiesen habe. Somit dürfe er sein Gewerbe im Kreis Burgdorf ausüben.
Erleichtert nahm Schlachter David das zur Kenntnis, denn immerhin wohnte er bereits seit Monaten in Bilm und seine 19 Schafe grasten seit dieser Zeit auch schon ohne Genehmigung auf der inzwischen erworbenen Weide hinter seinem Haus. All’ dieses hatte David dem königlichen Amtschreiber gebeichtet. Doch der schien nicht interessiert, denn dem königlichen Amtsweg war Genüge getan - Strafbescheid und Gebühren waren bezahlt.
Oh, diese Bürokratie mag Isaak David gestöhnt haben, als er mit der Aufenthaltsgenehmigung in der Tasche von dannen zog. Auch die Archivare des Staatsarchiv in Hannover konnten sich eines Schmunzelns nicht erwehren, als sie die in akkurater Sütterlinschrift verfasste Urkunde zur Aufbewahrung entgegen nahmen.
Bürgerreporter:in:Lothar Rolf Luhm aus Lehrte |
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