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20 Jahre sind vergangen

  • Die erste Zeit nicht viel von der Umwelt mitbekommen war im November
  • Foto: Klinikfotografin M. W.
  • hochgeladen von Nicole Käse

Dieser Beitrag wird nicht jedem gefallen. Er ist sehr persönlich, ich weiß, aber ich möchte darüber berichten. 

Außerdem will ich damit kein Mitleid erhalten. Ich brauche den nicht und habe keinen nötig. Dadurch wird sich nichts an meinen gesundheitlichen Einschränkungen ändern. Das Leben geht weiter, aber eben anders.

Von heute auf morgen war plötzlich alles anders. Man muss Geduld haben, die man/ ich nicht hatte, manchmal auch noch habe. Es war bzw. ist schwierig jemanden um Hilfe zu bitten, weil man bestimmte Sachen nicht mehr selbst erledigen kann usw.

Nun von vorne: Es war der 17. Oktober 2002 ein normaler Arbeitstag, der mich hin und wieder mit Kopfschmerzen quälte. Eigentlich nichts ungewöhnliches. Hat man mal. Nach Feierabend bin ich mit dem Rad zum Fitness gefahren, da ging es mir ganz gut. Abends bin ich mit meiner damaligen Freundin in die Disco gefahren. Da fing es an: Musste zur Toilette, übergab mich, mir ging es überhaupt nicht gut. Also bat ich sie nach Hause zu fahren. Dort angekommen habe ich geduscht, weil in den Disco's noch geraucht werden durfte.

Da merkte ich, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Bin zum Nachbarn rüber und danach weiß ich nichts mehr. Er rief den Notarzt, mir wurde eine Trachealkanüle gesetzt und man hat mich ins künstliche Koma gelegt. Dann ging es mit dem Hubschrauber in die MHH (Medizinische Hochschule Hannover).

Diagnose: Kleinhirninfarkt, angeblich ausgelöst durch die Pille. Kann es mir nicht vorstellen, da ansonsten viele Frauen, die die Pille nehmen, daran erkranken müssten. Eine andere Aussage vom Professor: Habe kein Sport getrieben, geraucht und getrunken. Ich war zweimal die Woche beim Fitness, meist noch einmal die Woche schwimmen, dann mit den Hunden aus dem Tierheim Gassi gegangen und fast täglich mit dem Rad unterwegs. Hatte zu dem Zeitpunkt etwa 2.000 km auf dem Tacho (Januar - Oktober) stehen. Geraucht hatte ich noch nie und getrunken wenig, Peter sagte: Ich habe im Jahr so viel getrunken wie er in einer Woche. Ich bin der Meinung, ich habe genug gemacht.

An die Zeit dort kann ich mich kaum erinnern, nach 10 Tagen holten sie mich aus dem Koma und am 30.10. wurde ich mit dem Hubi in die Klinik Leezen am Schweriner See geflogen. Zuerst kam ich auf die Palliativstation, weil niemand dachte, dass ich es überleben werde. Bin wohl eine Kämpfernatur.

Irgendwann wurde ich auf eine Normalstation verlegt. Die Magensonde hatte ich bis ungefähr Mitte Dezember gehabt. Ernährt wurde ich mit Flüssignahrung, Es war schön dann endlich feste Nahrung zwischen den Zähnen zu haben und normal trinken zu dürfen. Mit der Magensonde hat man nicht den Geschmack vom Essen bzw. Trinken. Zwischendurch habe ich getränkte Stäbchen mit Fruchtgeschmack zum Lutschen bekommen, damit man einen anderen Geschmack im Mund hatte.  Außerdem verspürt man doch noch ein Hunger- bzw. Durstgefühl. Tagtägliche Übungen wie Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie (nach der Entfernung der Kanüle, ob es im Dezember oder im Januar war, weiß ich nicht mehr) u. a. begleiteten meinen Alltag. Hin und wieder musste ich einige Zeit in einem Aktivrollstuhl verbringen, um mobilisiert zu werden. Hat mir gar nicht gefallen.

Das Sprechen fiel mir anfangs schwer, beim Luftröhrenschnitt wurde ein Stimmband verletzt, dadurch habe ich heute manchmal noch Schwierigkeiten länger zu sprechen. Aber damals hatte ich eine Micky Mouse Stimme, die nach und nach kräftiger wurde.
Deutlich zu schreiben war anfangs nicht möglich, aber nach einer gewissen Zeit wurde es besser.

Mein damaliger Freund, seit einigen Jahren sind wir verheiratet, hat mich sehr unterstützt.. Tut es auch weiterhin. 

Der jüngste Patient, den sie damals hatten, war erst 16 Jahre alt. Man kann nicht sagen, ein Schlaganfall oder Hirninfarkt bekommen Menschen ab 60 aufwärts. Schon im Mutterleib kann ein Ungeborenes so etwas erleiden.

Am 28.03.2003 durfte ich endlich nach fast einem halben Jahr nach Hause. Die Freude war groß.

Anfangs ausschließlich im Rollstuhl, nach und nach konnte ich mit dem Rollator etwas gehen. Jetzt ist es tagesformabhängig. Mal mehr oder weniger. Von damals zurückgeblieben sind meine Gleichgewichtsschwankungen und linksseitigen Probleme. Nicht jeder Tag ist gleich. Manchmal bin ich traurig (bin eh nah am Wasser gebaut)  weil dies oder das nicht mehr geht oder machen kann, wie Spontanität, einfach mit dem Rad in die Natur und dabei Foto's zu machen u. v. m.

Auch beim Schreiben des Beitrages lief mir die eine oder andere Träne runter. Jetzt wisst ihr über mich ein wenig Bescheid. Auch beim Schreiben in den Kommentaren halte ich mich meist kurz, weil ich im Kopf weiß, was ich sagen möchte, nur in Schriftform es umzusetzen gelingt mir nicht immer. Dann lass ich es lieber. Falls doch, dann kann es evtl. missverstanden werden. Nicht, dass dann etwas von jemandem kommt, was hat sie da für einen unverständlichen oder unsinnigen Text geschrieben.

Fragen werden bei Bedarf nur über eine PN von mir beantwortet.

Ich wünsche keinem jemals so einen Schicksalsschlag zu bekommen. Es war/ ist keine leichte Zeit. Ich habe einiges während meines Klinikaufenthaltes erlebt,  trauriges und teilweise für mich unverständlich, aber darüber möchte ich nicht berichten.

  • Die erste Zeit nicht viel von der Umwelt mitbekommen war im November
  • Foto: Klinikfotografin M. W.
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  • Auf der Normalstation in der Adventszeit
  • Foto: Klinikfotografin M. W.
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  • Peter zu Besuch. Musste einige Zeit die Augenklappe tragen, weil ich Doppelbilder hatte.
  • Foto: Klinikfotografin M. W.
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  • Etwa ein halbes Jahr zu Hause. Die Bilder wurden damals von der Klinikfotografin gemacht und dieses ist der Abschlussbesuch, der von ihr begleiteteten Patienten*innen
  • Foto: Klinikfotografin M. W.
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sind vergangen20 Jahre

30 Kommentare

Liebe Nicole,
zunächst mal großen Respekt vor Deiner Entscheidung, Deine ganz persönliche Geschichte hier zum Thema zu machen und auch mich daran teilhaben zu lassen.

Es berührt zutiefst, von Deiner persönlichen Krankengeschichte zu erfahren und zu lesen, wie Du trotz dieses schweren Schicksalsschlags den Weg zurück ins Leben gefunden hast.

Die Herausforderungen, die Du durchgemacht hast, sind zweifellos immense, und doch hast Du mit beeindruckender Entschlossenheit und Mut daran gearbeitet, wieder am Leben teilzunehmen. Deine Beharrlichkeit und Dein Kampfgeist sind inspirierend und zeigen Deine bemerkenswerte Fähigkeit, sich den Widrigkeiten des Lebens zu stellen.

Deine Geschichte ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass es möglich ist, auch schwerste Hindernisse zu überwinden und Hoffnung zu finden, selbst in den dunkelsten Stunden. Das kann vielen anderen Menschen in ähnlichen Situationen durchaus Mut machen.

Ich möchte Dir versichern, dass Deine Offenheit und Dein Vertrauen, Deine Geschichte mit mir zu teilen, sehr wertgeschätzt wird. Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und bleib, wie Du bist!

Lieber Peter,
danke für Deinen Kommentar, der mir ebenfalls zeigt, es war damals die richtige Entscheidung darüber zu schreiben. Warum sollte ich Dich außen vor lassen? Es war mein Wunsch es niederzuschreiben, um ein wenig von mir preiszugeben. Wir wissen doch nichts voneinander. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Man muss nur wollen, dann kann man einiges Schaffen. Zwar muss einiges zurückgestellt werden. Das Leben geht trotzdem weiter. Bin auch noch zu jung für anderes, Man kann es nicht jedem recht machen, aber jeder muss für sich entscheiden, ob er mich mag oder nicht. Mit dem einen kommt man besser klar und mit dem anderen nicht. Durch den Schicksalsschlag bin ich zwar gehandicapt, aber mein Charakter hat sich nicht geändert. 

Auch ich wünsche Dir alles Gute für die Zukunft, bleib gesund und wie Du bist, wir lesen uns.

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