Der König der Wälder ist für viele Förster ein Schädling!
Der Hirsch und der Mensch: Es ist keine einfache Beziehung! Anlässlich des 6. Rotwildsymposiums, das die Deutsche Wildtier Stiftung im Oktober veranstaltet, beleuchtet sie das schwierige Verhältnis zwischen Menschen und Hirschen. Die zweite Folge dieser Serie beschreibt den Rothirsch im Spannungsfeld mit der Forstwirtschaft
Große Tiere brauchen viel Nahrung. Das größte freilebende Landsäugetier Deutschlands – der Rothirsch – frisst bis zu zwanzig Kilogramm am Tag! Er verbringt gut zehn Stunden täglich mit der Nahrungsaufnahme, dem Äsen. Der Rothirsch ist ein Wiederkäuer. Sein Pansen kann bis zu 25 Liter Nahrung fassen. Die majestätischen Geweihträger bevorzugen schmackhafte Gräser, Klee und Kräuter, sie mögen Eicheln und Kastanien. Aber auch die Knospen von Bäumen werden nicht verschmäht, selbst zellulosereiche Baumrinde können sie verdauen.
Ursprünglich war der Rothirsch ein Tier der halboffenen Landschaft und hat sein Nahrungsbedürfnis vor allem mit Gräsern befriedigt. Doch der Mensch hat ihn mit seiner intensiven Landnutzung in die Wälder zurückgedrängt. Zusätzlich wurden in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in vielen Bundesländern Deutschlands sogenannte Rotwildbezirke eingeführt. Nur dort darf das Rotwild leben – außerhalb muss es abgeschossen werden. Meistens handelt es sich bei den Rotwildbezirken um reine Waldregionen.
Doch wenn das Nahrungsangebot in Wäldern dürftig ist und Jäger und Erholungsuchende den Hirsch daran hindern den Wald zu verlassen, schält er dort mit seinen Schneidezähnen die Rinde von den Bäumen und knabbert an Trieben und Zweigen. Förster nennen diese Fraßschäden Verbiss und Schäle. Für Teile der Forstwirtschaft ist der Rothirsch heute oft nichts anderes mehr als ein Waldschädling. Deshalb fordert sie immer häufiger eine scharfe Bejagung und die Reduzierung der Rotwildbestände!
„Wir dürfen im Rothirsch kein Waldtier sehen und seine Zukunft nicht allein in die Hände der Forstwirtschaft legen“, sagt Hilmar Freiherr von Münchhausen. Der Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung betont: „Der Rothirsch braucht Lebensraum im Wald und im Offenland. Die Forst- und Landwirte, die Jäger und die Grundeigentümer müssen zusammen arbeiten und zulassen, dass das Rotwild auch in der Agrarlandschaft Nahrung aufnehmen kann.“ Und die Wälder müssen stärker auf die Bedürfnisse des Rotwildes hin ausgerichtet werden: Gesunde und strukturreiche Baumbestände statt Monokulturen, mehr Äsungsflächen und Wildruhezonen, die die Wälder von „Hunger-Landschaften“ zu Rotwildlebensräumen werden lassen.
Wer Wald mit Wild will, muss Rotwild in unserer dicht besiedelten und intensiv genutzten Kulturlandschaft intelligent managen. Der Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung will die Konflikte zwischen Hirsch und Mensch, zwischen Wildtieren und Waldnutzer lösen. „Statt allein auf höheren Jagddruck zu setzen, braucht es großräumiges Denken, Planen und Handeln mit Blick auf Landnutzung und Jagd“, sagt Hilmar Freiherr von Münchhausen. Denn Rothirsche sind keine Schädlinge! „Es sind imposante Wildtiere, die zu unserer Landschaft gehören.“
Das 6. Rotwildsymposium der Deutschen Wildtier Stiftung findet vom 18. bis 20. Oktober 2012 in Moritzburg bei Dresden statt. Im Mittelpunkt stehen Hegegemeinschaften. Sie sind für die Deutsche Wildtier Stiftung eine geeignete Organisationsform, um die Bedürfnisse des Rotwildes mit den Interessen von Landnutzer in Einklang zu bringen.