Frieden und Freiheit

Schill-Denkmal in Stralsund
24Bilder

"Friede sei ihr erst Geläute" schrieb Schiller im Lied von der Glocke, und weiter in Wilhelm Tell: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt".
Seit Menschengedenken brechen machtgierige Zeitgenossen  den Frieden und bedrohen die Freiheit ihrer Mitmenschen.  Wenn Organisationen (Staaten) daran beteiligt sind, kommt es zum Krieg. Wer dabei das Recht auf seiner Seite hat, führt  einen gerechten Krieg, was aber nicht viel bedeutet, denn letztendlich bestimmt der Sieger, was Recht oder Unrecht ist.

Ist ein Staat nicht Willens oder nicht in der Lage für seine Freiheit einzutreten (wie Preußen nach der vernichtenden Schlacht von Jena und Auerstedt und dem Tilsiter Frieden), kommt es vor, dass patriotisch gesinnte Freikorps in das Geschehen eingreifen.

Die bekanntesten Freikorps zur napoleonschen Zeit waren auf deutschem Boden das Freikorps  Ferdinand von Schill, die Lützower Jäger  und die Schwarze Schaar des Herzogs Friedrich-Wilhelm von Braunschweig.

Freikorps waren meist bunt zusammengewürfelte Haufen, die sich aus Patrioten, Abenteurern, Deserteuren und ehemaligen Kriegsgefangenen zusammensetzen konnten.
Sie kämpften in der Regel ohne wirksame externe Unterstützung und waren völlig auf sich selbst gestellt.

Der preußische Husarenmajor Ferdinand von Schill hatte sich zum Ziel gesetzt, mit seinem Freikorps den Feind durch gezielte Attacken zu beunruhigen und einen allgemeinen Aufstand gegen das Franzosenregime herbeizuführen. Anfang Mai 1809 sorgte sein Freikorps im Raum Goslar-Braunschweig-Helmstedt für Unruhe (u.a. Gefecht gegen die Franzosen bei Dodendorf/Magdeburg am 5.5.1809).
Die Franzosen bezeichneten das Freikorps als Räuberbande. Ein Gendarmerieoffizier schrieb am 8. Mai 1809 an seinen General, dass er beabsichtige, mit den Gendarmeriebrigaden aus Hildesheim,  Lafferde  und den beiden Braunschweiger Brigaden gegen die Räuber vorzugehen. Eine westfälische Gendarmeriebrigade bestand damals aus einem Brigadier und 3 Gendarmen.

Mit ungefähr 1500  Mann des Freikoprs  versuchte Schill sich in Stralsund gegen dänische und niederländische  Truppen, die mit den Franzosen verbündet waren, zu behaupten. Trotz tapfersten Kampfes wurde das Freikorps vom zahlenmäßig mehrfach überlegenen Feind (ca. 6000 Mann) besiegt.
Ferdinand von Schill fiel im Kampf. Sein Leichnam wurde geschändet und auf dem St. Jürgen Friedhof am heutigen Knieperdamm verscharrt. DerTotengräber musste das Grab unkenntlich machen, konnte sich aber an die Stelle erinnern, so dass es nicht in Vergessenheit geriet.
Vor der Beerdigung  hatte man der Leiche den Kopf abgetrennt, ihn präpariert, in Weingeist gelegt, eine Expertise erstellt und als Trophäe dem König Jerome von Westfalen nach Kassel  übersandt.

Angesichts dieser Ereignisse schrieb der Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt im Jahre 1812 das Gedicht "Das Lied vom Schill". Dort heißt es u.a.:

Da schreiet ein frecher Franzosenmund:
"Man soll ihn begraben wie einen Hund,
wie einen Schelm, der an Galgen und Rad
schon fütterte Krähen und Raben satt".

So trugen sie ihn ohne Sang und Klang,
ohne Pfeifenspiel und ohne Trommelklang,
ohne Kanonenmusik und Flintengruß,
womit man die tapfern begraben muss.
Sie schnitten den Kopf von dem Rumpfe ihm ab
und warfen den Leib in ein schlechtes Grab.
Da schläft er nun bis an den jüngsten Tag,
wo Gott ihn zu Freuden erwecken mag.

Da schläft der Fromme, der tapfere Held,
Ihm ward kein Stein zum Gedächtnis gestellt;
doch hat er auch keinen Ehrenstein,
sein Name wird nimmer vergessen sein.

Von Kassel gelangte der Kopf in die naturhistorische Sammlung des Prof. Brugman in Leyden, später in den Besitz der niederländischen Regierung.
Auf Betreiben des Carl Friedrich von Vechelde und seines in Leyden tätigen Jugendfreundes Professor Blume gestattete Prinz Friedrich der Niederlande, das Haupt zur Beisetzung nach Braunschweig zu überführen.

Glaubhaften Angaben des Feindes zufolge, sollen 800 Soldaten des Freikorps in Stralsund gefallen sein. Eine Schaar von 300 Soldaten konnte durch geschickte Verhandlungen unbehelligt auf preußisches Gebiet abziehen. Einem geringen Teil gelang die Flucht nach Rügen.

Elf Offiziere  und  557 Mannschaften wurden gefangen genommen, ausgeplündert und ihrer Kleidung beraubt. Nur noch in Lumpen gehüllt trieb man sie unter holländischer Bewachung über Dömitz, Uelzen und Gifhorn nach Braunschweig. Das Herzogtum Braunschweig war zu jener Zeit annektiert und dem Königreich Westfalen einverleibt.

Die 11 gefangenen Offiziere wurden nach Wesel gebracht, dort vor ein Kriegsgericht gestellt und am 16. September 1809 erschossen.

Von Braunschweig ging der Gefangenentransport unter westfälischer Bewachung (Abordnung des 6. Linienregimentes) weiter nach Kassel, Mainz und Frankreich. 
Einige wenige Gefangene konnten sich durch Flucht dem Schicksal (Hunger, Siechtum, Gefängnis, Galeerenstrafe, Tod) der übrigen entziehen.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Transport auch über Groß Lafferde führte. Völlig unmöglich ist das aber  nicht.

Vor dem Abmarsch wurden 14 Gefangene aussortiert (sogenannte Dezimierung). Sie waren als westfälische Soldaten/Kriegsgefangene  dem Freikorps beigetreten und bewaffnet in Gefangenschaft geraten. Am 17. Juli 1809 verurteilte sie ein westfälisches Kriegsgericht zum Tode.
Die Todesurteile wurden am 18., 20. und 22 Juli 1809  vollstreckt. Als Richtstätte diente das Gelände einer Sandkuhle bei St. Leonhard.

Für jeden Verurteilten stand ein Erschießungskommando von 6 Soldaten bereit. Zwei Soldaten  sollten auf den Kopf und vier auf die Brust schießen. Der Abstand zum Delinquenten betrug 10 Schritt. Das bedeutete einen schnellen Tod - sollte man meinen.  Ein Wachtmeister und zwei seiner Kameraden lagen zuckend in ihrem Blute. Der jüngste von ihnen versuchte, schrecklich verstümmelt, sich mit den Händen aufzurichten. Seine Beine waren zerschmettert. Die tödlich Verwundeten starben durch einen weiteren Schuss, wobei (nach Erzählungen) die Musketen auf die Köpfe gehalten wurden und die Gehirne umherspritzten.

Die Leichname wurden im Sande verscharrt.
Im Verlauf von 27 Jahren traten durch fortschreitende Ausbeutung der Sandgube immer wieder Gebeine  zutage. Sie wurden gesammelt und verwahrt.

Braunschweiger Patrioten ließen auf dem Hinrichtungsgelände ein Ehrenmal errichten.
Am 19. März 1837 wurden die Gebeine in 3 Särgen feierlich in eine gewölbeartig gemauerte Grabstätte des Ehrenmals versenkt.

An gleicher Stelle wurde ein halbes Jahr später, am 24. September 1837, Schill´s Haupt feierlich in einer Urne beigesetzt, nachdem man es noch einmal der Öffentlichkeit gezeigt, dem Glasgefäß entnommen, abgezeichnet und eine Totenmaske angefertigt hatte.

Bei den Beisetzungsfeierlichkeiten wurde viel geredet von Tapferkeit, Mut, Ehre, Pflichterfüllung, Heldentum, Vaterlandsliebe und Dank des Vaterlandes.

Glaubt man den Quellen, dann sind Schill und seine Soldaten  - das eigene Leben nicht achtend -  für Freiheit und Ehre todesmutig in den Kampf gezogen. Die Ehre ging  ihnen über alles.

Schon in der Antike wusste man die Menschen für den Heldentod zu manipulieren. Den grauenvollen Tod im Gemetzel verbrämte Horaz mit den Worten "Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben".

Für die Überlebenden der Befreiungskriege war die Hoffnung auf bürgerliche Freiheit bald wieder dahin. Es folgte die Restauration. Das Vaterland mit den herrschenden Fürsten von Gottes Gnaden war zu demokratischen Zugeständnissen an die Untertanen nicht bereit.

Nach den Schrecken des 1. Weltkrieges folgte das Versprechen: "Der Dank des Vaterlandes ist dir gewiss". Nichts ist ungewisser als der Dank des Vaterlandes, insbesondere wenn es um die Versorgung und Entschädigung der Opfer geht.

In jüngerer Vergangenheit verstieg sich Verteidigungsminister Peter Struck in die Worte "Deutschlands Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt". Falsch! Durch Einmischung in die inneren Angelegenheiten  Afghanistans werden dort Not und Elend keineswegs beseitigt oder verringert. Das Gegenteil ist der Fall.

Quellen:
Carl Friedrich von Vechelde: Ferdinand von Schill und seine Schaar; Das Haupt des Ferdinand von Schill;    Heinrich Mack: Braunschweig und Schill im Jahre 1809

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

6 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.