Thüringische Bauernhausbauweise in Groß Lafferde
Lange Zeit galt die Bauernhausbauweise in Südostniedersachsen bei den Volkskundlern als eine abgewandelte sächsische, denn Wohnung und Stallung befanden sich unter einem Dach.
Inzwischen geht man von einer echt thüringischen Bauweise aus.
Ein besonderes Kennzeichen der sächsischen Bauweise ist, dass das Haus, von der Straße zurückliegend, mit dem großen Tor an der vorderen Giebelseite, dem Wohnteil nach hinten und tief herabreichendem Dach, gebaut ist.
Das alte thüringische Haus rückt möglichst dicht an die Straße heran und der zweistöckige Wohnteil ist zur Straße ausgerichtet. Längs am Hause (Eingangsseite) ist ein etwa 60 cm breites Pflaster gelegt, was beim sächsischen Haus nicht der Fall ist.
Erweiterungsbauten wie Scheune und Ställe werden meistens auf die Hofseiten so verteilt, dass die Einfahrtseite von der Straße her frei bleibt.
Ein typisches Beispiel eines thüringischen Hauses mit Hofanordnung ist der Hof Hindenburgstraße 9.
Das Haus steht mit dem Giebel etwa 1 Meter von der Straße entfernt. Längs der Giebelseite standen vier Eschenbäume.
Das Haus ist zweistöckig und im Grundriss zweiteilig. Im vorderen (westlichen) Teil befinden sich die Wohnräume und der Hauseingang. Rechts daneben sind die Stallungen und darüber Räume für Futter und Erntevorräte angeordnet.
Der Wohnraumteil springt ursprünglich 60 cm vor den Stallteil vor. Das Dach ging ursprünglich in gleicher Breite über beide Teile hinweg. Später ist der Vorsprung durch Verbreiterung des Stallteils verringert worden (1864?). Derartige Veränderungen wurden vorgenommen, nachdem durch zusätzliche Bauten bessere Lagermöglichkeiten entstanden.
Der vorspringende Teil des Daches enthielt in Fußbodenhöhe Öffnungen, durch die das Hineinreichen und Herauswerfen von Korngarben und Heu ermöglicht wurde.
Im Erdgeschoss des Wohnteils befindet sich vorn links am Hausflur die große Wohnstube, dahinter die Küche, gefolgt von der kleinen Stube.
An der gegenüberliegenden Seite des Flures befinden sich 2 Wirtschaftsräume (Speisekammer und dergleichen). Zwischen diesen hindurch führt ein Gang direkt vom Hausflur in den Stallbau.
Vom Flur führt eine Treppe in das Obergeschoss. Am Ende des Flures liegt der Eingang zum Keller.
Im Obergeschoss befinden sich über den eigentlichen Wohnräumen die Schlafräume. Über der Küche liegt die Schornsteinkammer, so genannt wegen des großen besteigbaren Schornsteines, der durch diesen Raum geführt ist. Sonstige Räume des Obergeschosses dienen verschiedenen Zwecken, wie z.B. der Lagerung von allerlei Vorräten.
Aus Ersparnisgründen wurde das Obergeschoss erheblich niedriger aufgeführt als das Erdgeschoss.
Zuerst hat das Gebäude den Bedürfnissen des Hofes genügt. Später mussten neue Wirtschaftsgebäude errichtet werden. Zunächst wurde auf der Ostseite des Hofes eine große Scheune gebaut (1779). Dann folgte auf der Südseite (dem Hause gegenüber) ein Speicher, der gleichzeitig Wagenremise ist.
In früherer Zeit bestand die Dacheindeckung aus Stroh.
Zur Straße hin wird der Hof durch ein großes Hoftor begrenzt.
Dieser thüringische Haustyp hat durch die langen Jahre hindurch mannigfache Veränderungen erfahren. Der Wohnteil wurde umgebaut, ist aber im Jahre 2014 im Wesentlichen noch in seiner ursprünglichen Form erhalten (2014).
Die große Scheune wurde in den 1970er Jahren abgerissen.
(Quelle: Baurat a.D. Adolf Nülle, Aufzeichnungen aus den Jahren 1920 – 1933)
Bürgerreporter:in:Wilhelm Heise aus Ilsede |
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