Die Dorfviertel von Groß Lafferde
Die Chronik von Groß Lafferde befasst sich auf den Seiten 73, 79 und 94 bis 104 mit den Dorfvierteln.
Der älteste bekannte Nachweis stammt aus dem Jahre 1611.
Zitat Chronik:
Bei der Wahl des Pastors Gregorium Dammaeum, einem Vetter des in Wolfenbüttel wirkenden berühmten Kapellmeisters Praetorius, werden vier Ortsteile genannt:
1. Bernwardi-Viertel Vertreter: Heinrich Unverzagt
2. Wester-Viertel Vertreter:Barthold Thies
3. Oster-Viertel Vertreter Heinrich Gehrmann, Heinrich Mawe
4. Kirchen-Viertel Vertreter Heinrich Cramm
Zitat Ende
Dieser Text ist entnommen aus Richard Wolf, Geschichte der Kirche zu Groß Lafferde; Wie im 30jährigen Krieg der Pastor fliehen musste.
Auf Seite 79 der Chronik steht:
Zitat:
1641 In einem Plenarium ….. des St. Michaeliskloster von Gr.L.: Ein Meierhof …..zwei Höfe …. gehören bei des Klosters Kapelle, St. Bernwardi Theil genannt.
Zitat Ende
Damit ist bewiesen, dass die Kapelle im Bernwardi-Viertel lag.
Im Wasserturm ist ein Konsolstein zu sehen, über den die Chronik folgendes berichtet:
Zitat:
Dieser Konsolstein „plastische Renaissance um 1600“ wurde im Jahre 1992 als Abdeckung eines Kanals in der Nähe des ehemaligen Standortes des Spelhus von Harry Willich gefunden.
Auf dem Sandstein sind um den Standort des Rathauses (A) die vier Ortsteile dargestellt. Mit den beiden Spitzen im Vorworth-Viertel sind die beiden Türme der Schildmauer angezeigt (B). …..
Zitat Ende
Der dargestellte Zusammenhang zwischen Konsolstein und Dorfviertel ist nicht zutreffend. Siehe dazu den Link
https://www.myheimat.de/lahstedt/kultur/der-geheim...
Was hat es mit dem Begriff „Vorworth-Viertel“ auf sich? Im Jahre 1611 wurde ein solches Viertel nicht genannt, und später auch nicht. Demnach ist ein fünftes Dorfviertel unwahrscheinlich.
Unter Worth versteht man: Wohnstätte, erhöhtes und eingehegtes Grundstück, Warft, Insel, Haus-, Hofstätte, Garten, Feldstück, Waldmark. Es handelt sich also um einen begrenzten, exponierten Siedlungsplatz.
In dem Buch „Die Bauern und Hausbesitzer mit ihren Vorfahren in den 55 Dörfern des Kreises Peine“ (Band 25, Blut und Boden Verlag 1938) wird auf Seite 390 für 1788/1789 ein „Vorworthviertel“ erwähnt und soll ganze 10 Anwesen mit den alten Hausnummern 3, 5, 6, 7, 8 (jetzt Hindenburgstr. 8, 7, 4, 5, 3), 11 (jetzt Marktstr. 24), 17, 18, 19 (jetzt Am Giesekenbrunnen 16, 12, 10) und 47 (jetzt Klagesstr. 12) umfasst haben.
Das Buch gilt als nicht immer zuverlässig. Deshalb sind die Angaben durchaus zu hinterfragen. Für die Jahre 1788/1789 ein „Vorworthviertel“ anzunehmen, obwohl die darin liegenden Anwesen mindestens seit 1611 eindeutig dem Bernwardiviertel/Bergviertel zugeordnet sind, ist schon merkwürdig.
Hypothese: Könnte es sein, dass das Viertel ursprünglich „Worth“ hieß und dass es in „Bernwardiviertel“ umbenannt wurde, welches später den Namen „Bergviertel“ erhielt? Oder war „Worth“ eine andere Bezeichnung für „Bergviertel“? Von der Wortbedeutung her (siehe oben) wäre das plausibel. Ein entsprechender Beweis fehlt.
Schleierhaft ist der Name „Vorworth“. Das „Vorworthviertel“ dürfte im Höchstfalle der östliche Teil der Worth (wenn es sie überhaupt gab) oder ihr kleines östliches Anhängsel gewesen sein. Unverständlich ist, dass in der Chronik die angebliche Schildmauer mit den beiden angeblichen Türmen, die unmittelbar an der Kirche gestanden haben soll, dem Vorworthviertel zugeordnet wird, denn das lag ja (wie oben festgestellt) im Bergviertel. Der Kirchenbereich gehört aber unbestritten zum Kirchenviertel.
In einem Register des Jahres 1776 wurden anlässlich der Einführung der Brandversicherung vier Dorfviertel namentlich genannt, denen die 165 Häuser zugeordnet wurden:
Bergviertel Hausnummer 1 - 39
Westviertel Hausnummer 40 - 79
Osterviertel Hausnummer 80 - 119
Kirchviertel Hausnummer 120 - 165
Das Register ist in der Chronik enthalten. Die Grenzen der Viertel sind in einer Karte dargestellt.
Adolf Nülle hat ein Verzeichnis von Hofbesitzern erstellt, dessen Grundlage die „Sammlungsliste zur Brandversicherungs-Casse pro Anno 1777“ bildete.
Diese Liste entspricht hinsichtlich der Vierteleinteilung und der Hausnummernzuordnung genau dem Register von 1776. Das gilt ebenso für ein Brandkassenversicherungsverzeichnis aus dem Jahre 1795. Allerdings ist das Kirchenviertel um die Hausnummern 166, 167 und 168 erweitert. Somit sind innerhalb von 19 Jahren nur drei neue Häuser gebaut worden.
Die Vierteleinteilung war nachweislich bis 1872 vorhanden.
In einem „Eintragungsbuch“ erteilte der Gemeindevorsteher Wilhelm Pape im Jahre 1866 am 11. März folgende Anweisung:
Zur Nebenanlage Ausgabe 1 ½ Grundsteuer, ½ Persohnensteuer, ½ Häusersteuer, und ½ Gewerbesteuer laut Sammlungsverzeichniß
im Bergvirtel 46 Taler 11 Groschen 3 Pfennige
im Westvirtel 51 Taler 28 Groschen 4 Pfennige
im Ostvirtel 40 Taler 28 Groschen 9 Pfennige
im Kirchvirtel 35 Taler 9 Groschen 5 Pfennige
= 177 Taler 18 Groschen 1 Pfennig
Das ist verwaltungstechnisch interessant.
Die Abgaben wurden nach Vierteln erhoben. Man kann annehmen, dass für jedes Viertel ein „Sammler“ tätig war. Die Namen der Abgabepflichtigen und deren zu entrichtende Abgaben waren in einem Sammlungsverzeichnis und einer Nebenanlage aufgeführt. Für die Gesamtabrechnung war der Rechnungsführer Thies zuständig.
Die Namen Westviertel, Ostviertel und Kirchviertel haben sich über die Jahrhunderte erhalten. Lediglich das in den Jahren 1611 und 1641 genannte Bernwardi-Viertel (benannt nach der in ihm gelegenen Bernwardskapelle?) gab es 1776 nicht mehr. Es wurde zwischenzeitlich in Bergviertel umbenannt.
Es ist durchaus möglich, dass im Jahre 1866 die Viertelzugehörigkeit der Häuser bis auf einige Neubauten mit der des Jahres 1776 übereinstimmte.
Der letzte schriftliche Hinweis auf die Existenz der Dorfviertel als Abrechnungseinheit findet sich im Eintragungsbuch für 1872. Dort sind die Viertel zwar nicht namentlich aufgeführt, aber unter der Bezeichnung 1., 2., 3. und 4. Dorfvirtel enthalten.