Der Kirchberg
Am Ostrand des Dorfes zweigt von der Bundesstraße 1 nach Norden die Dr. August Müller Straße ab, die nach ein paar hundert Metern zu einem Feldweg wird, der als Münstedter Weg Groß Lafferde mit Münstedt verbindet. Er steigt in Richtung Norden leicht an, knickt nach Nordosten ab und erreicht bald danach seine größte Höhe auf dem 97 Meter über NN liegenden Kirchberg. Obwohl von geringer Höhe, hat man von ihm nach Norden, Osten und Süden einen weiten Ausblick in das umliegende flache Land. Bei guten Wetterbedingungen reicht er bis zum Brocken. Nach Westen ist die Sicht durch den Lafferder Busch stark eingeschränkt.
Der Kirchberg hat seinen Namen vom Kirchweg, der über ihn hinweg von Groß Lafferde via Münstedt nach Schmedenstedt führte.
Groß Lafferde war ursprünglich kein Kirchdorf.
Nach der Gründung des Bistums Hildesheim im Jahre 815 durch Kaiser Ludwig den Frommen entstanden im gesamten Bistum Archidiakonatskirchen (Mutterkirchen), denen eine Reihe von Dörfern angehörten.
Groß Lafferde gehörte zum Archidiakonat (Bann) Schmedenstedt, dem ursprünglich auch die Orte Peine, Dungelbeck, Rüper, Woltorf, Groß Ilsede, Klein Ilsede, Gadenstedt, Oberg, Münstedt, Klein Lafferde, Sierße, Duttenstedt, Liedingen, Fürstenau, Köchingen, Bettmar, Vechelde und Wahle zugeordnet waren *) .
Wegen wachsender Bevölkerungszahlen wurden Tochterkirchen gegründet und Kapellengemeinden abgespalten. Eine frühe Tochterkirche befand sich in Münstedt. Zu Ihr gehörte eine in Oberg errichtete Kapelle, die 1189 das Recht erhielt, zu taufen, zu beerdigen und einen Priester zu wählen **) . Kapellengemeinden waren normalerweise keine vollberechtigten Kirchen. Sie hatten ursprünglich keinen Pfarrer (Plebanus) sondern nur einen Kaplan, besaßen kein Tauf- und kein Beerdigungsrecht.
Die Entstehung der alten Groß Lafferder Kapelle verliert sich im Dunkel der Geschichte. Es sind bis jetzt keine Beweise gefunden worden, dass Bischof Bernward die Kapelle errichten ließ***) . Da in ihrem Umfeld nachweislich ein Begräbnisplatz vorhanden war, kann davon ausgegangen werden, dass sie, ähnlich der Oberger Kapelle, irgendwann den Status einer regulären Pfarrkirche erhalten hat. Dieser dürfte bis um das Jahr 1300, dem Bau der ersten Groß Lafferder Kirche, bestanden haben.
Bis es aber soweit war, mussten die Gläubigen bei Wind und Wetter die zirka 7 km entfernte Archidiakonatskirche in Schmedenstedt (Standort: jetzige Totenkirche auf dem Friedhof) aufsuchen. Zu Fuß dauerte das ungefähr 1 ½ Stunden.
Der Kirchweg führte aber nicht über den unteren Teil des Münstedter Weges (Dr. August Müller Str.) nach Schmedenstedt, denn diese Verbindung gab es damals noch nicht.
Von der jetzigen Kättge/Hermann-Löns-Straße ging es ins Buschfeld, dann durch den Ostteil des Busches Richtung Kirchberg und über Münstedt nach Schmedenstedt. So ungefähr könnte der Verlauf des Kirchweges gewesen sein. Der mögliche Weg ist (von mir) auf der beigefügten Karte der Preußischen Landesaufnahme von 1896 rot markiert:
Mit Sicherheit war der dort eingezeichnete Busch vor über 800 Jahren, in denen der Kirchweg noch als solcher benutzt wurde, erheblich größer. Jetzt hat er eine Größe von ungefähr 47 ha. Unmittelbar vor der Verkoppelung im Jahre 1911 waren es noch 400 Morgen (100 ha). Etwa die Hälfte dieser Fläche wurde in Ackerland umgewandelt.
Der Teil des Kirchweges, der heute mit Sicherheit lokalisiert werden kann, ist der Kirchberg. Er könnte vor 800 und mehr Jahren völlig von Wald umgeben oder bewaldet gewesen sein. Möglicherweise war es den damaligen Kirchgängern nicht vergönnt, von dort den Blick in die weitere Umgebung zu genießen.
Quellen:
*) Zechel, Geschichte der Stadt Peine, Band 1 S. 40; **) Ortschronik Dungelbeck S. 31;
Ortschronik Münstedt S. 21; ***) Baumgarten, 1150 Jahre Groß Lafferde.
Die Karte wurde mal als Neuauflage von der Uni Göttingen herausgegeben mit einem interessanten Begleitheft und CD. Ob die Kartendaten irgendwie den Weg ins WWW zum Download gefunden haben, kann ich leider nicht sagen, aber legal wäre der Schuber mit Karte, Begleitheft und CD z.B. hier zu erwerben…
Die topographisch-militärische Karte des Bistums Hildesheim von 1798 ist im Göttinger Wallstein Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro. (ISBN: 978-3-8353-1667-6.)
Vllt. gibt es ja schon gebrauchte Exemplare bei den diversen Online-Buchhändlern oder Antiquariaten.