Das Schlachtefest des kleinen Mannes in den 1950er Jahren

Auf gehts!
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Mit Beginn der kalten Jahreszeit fingen die Hausschlachtungen an. Die lästigen Fliegen und Brummer waren verschwunden und man konnte das Geschlachtete jetzt besser aufbewahren. Kühl- und Gefrierschränke waren noch sehr selten. Darmwurst, Pökelfleisch und Schinken wurden in Speisekammer, Wurstekammer, im Keller oder auf dem Boden aufbewahrt, Schinken zum Schutz vor Brummern im Jutesack oder Leinenbeutel. In manchen Dörfern, so auch in Groß Lafferde, gab es Kalthäuser, in denen das Schlachtgut eingefroren werden konnte.

Vorbereitungen
Wer an einem bestimmten Termin schlachten wollte, war gut beraten, diesen schon einige Monate vorher zu vereinbaren, denn in der Hauptsaison (Dezember bis Februar) hatten die Hausschlachter alle Hände voll zu tun. Nicht selten verarbeiteten sie 2 Schweine am Tag.
Hausschlachter waren in den allermeisten Fällen Maurer von Beruf. Da es im Winter im Baugewerbe fast nichts zu tun gab, konnten Sie auf diese Weise ihr Einkommen sichern.
Galt es Sauschweine zu schlachten, wurden langfristige Schlachttermine besonders sorgfältig geplant, denn die Sau durfte am Schlachttage nicht brünstig sein. Angeblich sollten Qualität des Fleisches und Haltbarkeit der Mettwurst durch die Brunst nachteilig beeinflusst werden.

Der Hausschlachter trug blauweiß-gestreifte Kleidung und eine blaue Gummischürze. Er fuhr mit dem Fahrrad zum Schweinebesitzer um dort zu schlachten. Erst in späteren Jahren richteten sich die Hausschlachter eigene Schlachträume ein. Die Schweine wurden dann zur Schlachtung nach dort transportiert. Das vereinfachte die Arbeit für den Schweinebesitzer und den Hausschlachter ganz erheblich.

Am Vortage der Schlachtung wurden Schlachtetisch, drei Mollen (groß, mittel, klein), Schneidbretter, Sleif (hölzerne Kelle) und Waschkessel gründlich geschrubbt sowie diverse Eimer bereitgestellt. Das geschah auch mit Wurstdosen, die früher bereits benutzt waren. Um sie wieder luftdicht verschließen zu können, schnitt man mit einer Maschine die verformten oberen Ränder ab.

Wurstebänder und Schlachtzutaten lieferten die ortsansässigen Kaufleute. Sie wussten genau Bescheid, was und wieviel sie in die braunen Spitztüten einwiegen mussten (Pökelsalz, Pfeffer, Nelkenpfeffer auch Piment genannt , Majoran, Thymian, Kümmel, Gewürznelken, Muskatnuss). Nicht zu vergessen, die wichtigsten Zutaten: Steinhäger und Bier.
Ausreichend Zwiebeln hatte man vorrätig. Sie mussten nur geschält und dann teils roh, teils gekocht bereitgestellt werden.

Geräte wie Brennetrog, Fleischwolf, Mettwurstmaschine (Wurstfüller), Fleischkelle und Knochensäge stellte der Hausschlachter zur Verfügung. Sie wurden mit dem Handwagen von dem vorhergehenden Schlachtungsort abgeholt.
Diverse Messer hatte der Hausschlachter im Köcher „am Mann“ und brachte Geräte wie Bolzenschussapparat, Patronen, Schabglocken, Teigschaber, Wetzstahl und Darmfüller selbst mit.

Ganz wichtig war es, den Fleisch- und Trichinenbeschauer frühzeitig zu informieren. Der führte, meist am Vorabend der Schlachtung, die vorgeschriebene Lebendbeschau durch. Offensichtlich kranke Tiere durften für den Eigenverbrauch nicht geschlachtet werden. Sie wurden von Speziellen Verwertern abgeholt.
Eine Henkersmahlzeit gab es für die Schweine nicht. Magen und Därme sollten möglichst entleert sein.

Wenn der Strick zum Anbinden des Schweines bereitgelegt, der Flaschenzug zum Hochziehen des Schlachtkörpers angebracht, der Waschkessel mit Wasser gefüllt und das notwendige Hilfspersonal benachrichtigt war, konnte es am nächsten Morgen losgehen.


Ins Wasser schlachten

Ganz früh morgens wurde der Waschkessel angeheizt, denn wenn der Hausschlachter um 7.00 Uhr kam, musste kochendes Wasser zur Verfügung stehen.

An ein Hinterbein des Schweines wurde ein Strick gebunden. Dann trieb man es aus dem Stall und zurrte es an einem eisernen Mauerring oder Mauerhaken fest. Dadurch verhinderte man ein Weglaufen des Schweines, wenn die Betäubung mit dem Bolzenschussgerät fehlschlug. Vor dessen Erfindung wurde den Schweinen mit einem Hammer ein Dorn in das Gehirn getrieben. Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft um zu erahnen, was passierte, wenn der Schlachter nicht richtig traf.

Unmittelbar nach der Betäubung wurde das Schwein durch Ausbluten getötet. Zu diesem Zweck durchtrennte der Schlachter dem liegenden Tier mit gekonntem Stich die Halsschlagader. Das herausströmende Blut ergoss sich in die vorgehaltene kleine Molle und wurde durch umrühren mit der Hand an übermäßigem Gerinnen gehindert. Dabei galt es aufzupassen. Denn wenn sich das Schwein im Todeskampf bewegte, konnte das Blut verschüttet werden. Dann gab es keine Blutwurst!
Wenn das Blut nicht richtig floss, half der Schlachter durch Pumpen (Auf- und Abbewegen) des oben liegenden Vorderbeines nach.

Nach der Tötung wurde der Schlachtkörper mit vereinten Kräften in den Brennetrog gerollt bzw. gezerrt. Nun goss der Schlachter aus einem Eimer in kurzen Stößen heißes Wasser darüber. Das tat er von allen Seiten, bis der Zustand erreicht war, in dem sich die Borsten am besten ablösen ließen. Nach einem Guss kalten Wassers kratzten kräftige Hände mit den Schabglocken die Borsten von der Schwarte. Mit dem Glockenhaken wurde das Horn von den Klauen gerissen. Borsten und Klauenhorn nahmen die Schlachter zum Verkauf an Produktenhändler mit nach Hause.
Die inzwischen abgetrennten Vorderpfötchen übernahm einer der fleißigen Helfer um verbliebene Borsten zu entfernen (eine unbeliebte Fummelarbeit).

Je ein kräftiger Schnitt im Sehnenbereich jedes Hinterbeines schuf Schlitze, durch die ein Helfer den Krümmel steckte, an dem das Schwein mit einem Flaschenzug und mit vereinten Kräften in die Höhe gezogen wurde. Damit war der Zeitpunkt erreicht, an dem die Steinhägerflasche erstmals kreiste und von dem es hieß „Wenn das Schwein am Haken hängt, wird erst einer eingeschenkt“. Dabei bot sich die Gelegenheit, ein Brot oder Brötchen zu essen, das Schwein zu „taxieren“ und zu fachsimpeln oder auch „dötsche zu kören“ (dummes Zeug zu erzählen).

Nach wohlverdienter Pause wurden dem Schwein mit einem scharfen Messer die restlichen Borsten abrasiert, der Bauch aufgeschnitten, innere Organe (Lunge, Herz, Nieren, Magen, Milz), Blase und Gedärme entnommen. Der Schlachter schnitt die Darmarten in Stränge für Blutwurst, Leberwurst, Knappwurst, und Mettwurst, drückte den Kot heraus, entfernte Schleim und Darmfett und wusch sie in Salz-Essig-Lösung. Dann wendete er sie, indem er unter Zuhilfenahme von Wasser die bisherige Außenseite nach innen stülpte und so die Kotseite nach außen beförderte. Die Därme wurden bis zum späteren Gebrauch in einem Wasser-Salz-Essig-Gemisch aufbewahrt.
Nachdem die Blase ebenfalls gewendet und zu einem Luftballon aufgeblasen war, hängte sie ein Helfer an einen Fensterkrack oder Nagel.
Inzwischen trat ein Helfer die von innen nach außen gewendete Kuxe (den Magen). Sie wurde in den Sand oder Schnee geworfen und kräftig mit dem Fuß bearbeitet. Den Grund kenne ich nicht, vermute aber, dass auf diese Weise die Magenschleimhaut entfernt und das feste Fleisch mürbe werden sollte.

Mit Beil und Knochensäge zerteilte der Schlachter die Wirbelsäule des Schweines in Längsrichtung, so dass sich zwei Hälften ergaben. Das war eine Fleischbeschauvorschrift. Nur wenn der inzwischen eingetroffene Fleisch- und Trichinenbeschauer das Schwein für den menschlichen Verzehr als unbedenklich erklärt und entsprechend abgestempelt hatte, durfte es weiterverarbeitet werden. Das traf, Gott sei Dank, in den allermeisten Fällen zu.

Dem Schwein wurde jetzt der Kopf abgeschnitten und der Länge nach gespalten. Der Brägen (das Gehirn) kam für die Brägenwurst in eine kleine Schale. Die rasierten Ohren gehörten ins Pökelfleisch.
Der Schlachter trennte dann die beiden Bauchhälften vom Schlachtkörper und zerlegte sie in grobe Stücke.
Mit dem abgetrennten Schwanz wurde allerhand Schabernack getrieben (jemandem möglichst unbemerkt hinten angehängt, auch oft in der Schule). Der Peisel des kastrierten männlichen Schweines (Kämpschwein, Borg) diente den Vögeln im Winter als Nahrung.
Von den Flomen (Bauchfett) wurde die pergamentartige Haut abgezogen und auf der Nähmaschine zu kunstdarmähnlichen Gebilden zusammengenäht (Filster). Das Flomenfett diente zur Herstellung von Griebenschmalz. Das Kochfleisch (Kopf, Zunge, Bauchfleisch, Lunge, Magen, Milz, Herz, Nieren) legte der Schlachter zum Kochen in den Kessel.
Damit fand der erste Teil des Schlachtefestes, das sogenannte „Schlachten ins Wasser“, sein Ende.

Intermezzo
Der Schlachter ging jetzt zur Mittagspause nach Hause oder nahm am gemeinsamen Mittagessen teil.
Eine Helferin hatte ständig den Kessel im Auge zu behalten. Sie sorgte dafür, dass das Fleisch zur rechten Zeit gar war. Außerdem fischte sie mit einer Schaumkelle den beim Kochen entstandenen Schaum von der Brühe. Das auf der Brühe schwimmende Fett (das spätere Schweineschmalz) wurde mit dem Sleif (hölzerne Kelle) abgefischt und in Steintöpfen gelagert.

Der Hausschlachter hatte sich inzwischen umgezogen. Er trug saubere, grau-weiß gestreifte oder auch ganz weiße Kleidung und eine weiße Schürze.
Wenn er nach der Mittagspause zurückkam, musste das Kochfleisch gar sein. Das war der Fall, wenn er mit dem Druck seines Zeigefingers die Schwarte durchstoßen konnte.
Die nach der Fleischentnahme verbliebene Fleischbrühe war heißbegehrt und wurde an die Nachbarn verteilt.

Wurstmachen

Auf dem Schlachtetisch standen drei Mollen (die große, die mittlere und die kleine). Quer über der mittleren lag ein Schneidebrett. Auf ihm entschwartete der Schlachter die Bauchfleischstücke und schnitt sie in Scheiben. In die große Molle kam das Fleisch für die Knackwurst (Knappwurst), in die mittlere das Fleisch für die Leberwurst und in die kleine das Fleisch für die Blutwurst. Letzteres wurde mit dem Messer zu Kinkeln (kleine Stücke) zerhackt. Einige der besten Fleischscheiben hielt man als „Steke“ zurück.

Das Knackwurstfleisch wurde mit dem elektrisch betriebenen Fleischwolf zerkleinert.
Bevor es den Fleischwolf gab, geschah das in mühevoller, anstrengender Arbeit mit dem Wiegemesser. Auch als der Fleischwolf aufkam, war die Arbeit noch schweißtreibend. Denn das Kurbeln mit der Hand war sehr kräftezehrend. Etwas Erleichterung brachten Schwungräder an den Fleischwölfen.

Auch das Leberwurstfleisch wurde im Fleischwolf zerkleinert.

In die Blutwurstmasse kam Blut, das kleingehackte Herz und die Nieren, wenn letztere nicht schon vorher aus dem Kessel genommen und gesalzen verzehrt waren. Das geschah übrigens auch mit den heißbegehrten Kernen.
In den dicksten Darm (Blinddarm) wurde die Zunge gestopft, deshalb auch Zungenwurst genannt. Woher die merkwürdige Bezeichnung Piepwurst stammt, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht ist das auf den Wurmfortsatz des Blinddarms zurückzuführen.

Das Kopffleisch wurde in erster Linie zu Sülze aufbereitet.

Höhepunkt des Wurstmachens war das Würzen und Abschmecken. Viele verließen sich dabei auf den Geschmack des Schlachters. Andere musste der Schlachter in ihren Wünschen bremsen. Wie auch immer, es galt zu beachten, dass die warme Wurstmasse schärfer schmeckte als die fertige Wurst.

Knackwurst und Leberwurst füllte der Schlachter mit Hilfe des Darmfüllers in die Därme. Zu diesem Zweck zog er den Darm durch dessen kreisrunde Öffnung und legte den Darmanfang nach hinten um. Mit einer Hand schob er das Brät in die Öffnung und mit der anderen Hand, die sich hinter dem Darmfüller befand, quetsche er die Masse weiter in den Darm. Später benutzte man dazu der Einfachheit halber die Mettwurstmaschine, deshalb inzwischen „Wurstfüller“ genannt.
Wenn die gewünschte Größe erreicht war, formte der Hausschlachter die dünne Darmknackwurst zu einem Ring, der oben mit Wurstband und Doppelknoten zugebunden wurde. Dabei musste man aufpassen, dass festgenug gebunden wurde, jedoch nicht zu fest, sonst riss der Darm. Eine Aufhängeschlaufe vollendete das Gebilde. Die dickere Leberwurst wurde jeweils am oberen und unteren Ende abgebunden. Wer empfindliche Hände hatte, dem konnte es passieren, dass am Ende des Schlachtens die Hände „durchgebunden“ (wund) waren.

Blutwurstdärme waren für den Darmfüller zu groß. Deshalb hielt der Schlachter mit den Fingern einer Hand den Darm auf und füllte mit der anderen Hand die Wurstmasse ein oder er benutzte einen Trichter mit großer Auslassöffnung und eine Kelle.

Die Sülze wurde mit der Hand in die aufgeschnittene Blase gefüllt. Zuvor forderte der Schlachter unbedarfte Anwesende auf, einen Teller für Luft zu besorgen oder mit dem Handwagen eine Sülzenpresse abzuholen. Dem Genarrten wurden dann am Zielort Backsteine in den Wagen gepackt und zugedeckt. Dann schickte man ihn auf den Rückweg. Gelang der Trick, war das Gelächter groß.

Soweit die Wurstmasse nicht für Darmwurst vorgesehen war, wurde sie in Dosen gefüllt.

Die Darmwurst ließ man im Kessel ziehen, aber nicht kochen, sonst platzte sie. Um letzteres zu verhindern tauchte eine Helferin außerdem von Zeit zu Zeit die Würste mit dem Schleif unter.
Die dicken Blutwürste und die dicke Sülze mussten am längsten garen. In ihnen entstehender Überdruck wurde durch Pricken (anstechen) mit der zweizinkigen Fleischergabel beseitigt.
Es galt also aufzupassen.
Die siedenden Würste sonderten Fett ab. Das füllte man mit dem Sleif ab und erhielt dadurch würziges Wursteschmalz. Die Brühe selbst war wertlos und wurde weggeschüttet bzw. als Kochwasser zum Zukochen der Wurstdosen verwendet. Die garen Würste fischte man mit der großen Wurstkelle heraus und legte sie zum Abkühlen in Zinkwannen mit kaltem Wasser, worin man sie ab und zu wendete, damit sich das Fett nicht an einer Stelle sammelte. Danach hängte man sie mit dem Band auf ein Rick (Stange) und brachte dieses zur Aufbewahrung in die Wurstekammer. Die Würste sollten sich nicht berühren, denn an den Berührungspunkten trockneten sie nicht so gut ab.
Nachbarskinder oder gute Freunde und Verwandte erhielten eine kleine Wurst (Knackwurst) als Geschenk.

Jetzt war Zeit, die Hinterschinken hereinzuholen, Pfötchen und Eisbeine zu entfernen (Pökelfleisch, Kochfleisch) und die Schinken „hübsch“ zu machen (zurechtzuschneiden). Das abgeschnittene Fleisch wurde, ebenso wie die Vorderschinken, zu Mettwurstfleisch. Aus Vorderschinken machte man auch Schinkenbraten. Schwanzpartie und Rippen wurden zu Pökelfleisch (Kochfleisch) und aus der Nackenpartie machte man Nackenbraten. Von den Rückenpartien schälte man die Speckseiten ab, die zum Teil eingesalzen, zum Teil dem Mettwurstfleisch hinzugefügt wurden. Nachdem die Rippen und Rückenwirbel (Pökelfleisch, Kochfleisch) abgesägt und die Filets entfernt waren wurden die verbliebenen Stränge in einzelne Kottelets zerteilt.

Damit war das Schwein vollständig zerteilt. Das zur Seite gelegte Mettwurstfleisch wurde jetzt gewürzt, im Fleischwolf zerkleinert und in Fraktionen für Mettwurst, Schwerchenwurst, Brägenwurst und Mett aufgeteilt. Von letzterem wurden Teile für kleine Kugeln, sogenannte Truileken abgezweigt und in den Kessel geworfen. Sobald sie wieder auftauchten waren sie gar und konnten sofort verzehrt werden.

Dem Schwerchenwurst- und dem Brägenwurstbrät fügte der Schlachter durchgedrehte Schwerchen (Schwarten) hinzu, würzte entsprechend der herzustellenden Wurstart nach und knetete es kräftig durch. Dann folgte wieder die Prozedur des Abschmeckens.

Aus dem Mettwurstbrät formte der Schlachter große Kugeln, die er mit beiden Händen kräftig in den Behälter der Mettwurstmaschine warf. Auf die Tülle zog er einen einseitig zugebundenen bzw. zugenähten Mettwurstdarm auf. Nach seinem Startkommando kurbelte ein Helfer langsam und gleichmäßig drehend eine runde Scheibe herunter, die das Brät in den Darm drückte. Beim Kommando „Halt“ drehte der Helfer die Kurbel um eine oder zwei Umdrehungen zurück. Dadurch wich der Druck und es konnte kein Brät mehr aus der Tülle austreten. Jetzt zog der Schlachter den gefüllten Darm von der Tülle ganz herunter und hielt ihn einem Helfer zum Abbinden hin. Danach prickte er die fertige Wurst mit der zweizinkigen Fleischergabel. Die längste und größte Mettwurst hieß Schlackwurst.
Bei der Mettwurstherstellung war Sorgfalt und Sauberkeit vonnöten (Rohwurst !). Das Brät musste fest gestopft sein. In Hohlräumen konnte sich Schimmel bilden. Dann war die Wurst ungenießbar oder schmeckte „galsterig“.

Die Schwerchenwurst wurde auf die gleiche Art und Weise hergestellt, nur dass der Schlachter sie zum Ring formte und kurz durch den Kessel zog (in die heiße Brühe tauchte).
Die Brägenwurst unterschied sich in der Herstellung insoweit, als die Ringe kleiner und dünner waren. Ab und zu passierte es, dass man bei ihrer Herstellung vergessen hatte, den Brägen mit zu verarbeiten. Das machte sich geschmacklich aber nicht bemerkbar.

Aus den bis jetzt noch nicht verwursteten Schwarten stellte man Schwerchen her, eine sehr fettige Masse, die zu Pellkartoffeln gegessen wurde.

Magen, Milz, Lunge und sonstige noch verwertbare Fleisch- und Fettreste wurden im Fleischwolf zerkleinert und zu „Loser Wurst“, auch Bratwurst genannt, verarbeitet und in Dosen abgefüllt. Sie war ebenfalls sehr fettig und schmeckte besonders gut zu Kartoffeln oder trockenem Brot.

Abschluss
Aufgabe des Hauswirtes oder der Hauswirtin war es jetzt, die Wurstdosen verschließen zu lassen. Zur Kennzeichnung des Inhaltes wurden Deckel mit entsprechender Beschriftung verwendet. Als es diese Deckel noch nicht gab, stanzte man Buchstaben mit eisernen Stempeln in die Deckel (L = Leberwurst, K = Knackwurst, S = Sülze, M = Mettwurst usw.).
Es gab Verschlussmaschinen unterschiedlichster Bauart (kleine, große, mit Handbetrieb oder Elektromotor). Das Prinzip war bei allen gleich: Dose und Deckel wurden mechanisch aufeinander gepresst und dann Dosen - und Deckelrand rotierend mittels eines Hebels gebördelt.
In den Kessel gepackt mussten die Dosen zukochen.
Während dieser Zeit wurden die benutzten Gerätschaften ausgiebig gereinigt. Die Geräte des Hausschlachters konnten jetzt für die nächste Hausschlachtung abgeholt zu werden.

Dann wurde zu Abend gegessen. Der Hausschlachter ging nach Hause. Manchmal nahmen Gäste am Schlachteessen teil.

Damit ging das Schlachtefest zu Ende.

Am nächsten Tag wurden die Mettwürste und die Blutwurst in der Wurstekammer aufgehängt. Das geschah im Gegensatz zu den anderen Würsten nicht unmittelbar nach der Fertigstellung, denn sie waren zu schwer und hätten im ganz frischen Zustand abreißen können.

Die zugekochten Wurstdosen waren über Nacht langsam erkaltet. Dabei entstanden knackende, manchmal knallende, Geräusche. Die fertigen Dosen konnten jetzt an ihrem Lagerort verstaut werden.

Zum Schluss pökelte die Hausfrau die Schinken und das Pökelfleisch in flüssiger Salzlake oder in trockenem Salz ein. Geschah das mit trockenem Salz, musste das Fleisch ab und zu gewendet und mit dem austretenden Pökelsaft begossen werden.
Wenn Kottelets, Filets und Schweinebraten konserviert, die Flomen ausgelassen und das Schmalz in Steintöpfe verstaut war, konnte man in Ruhe von den Vorräten zehren.

Zum Thema siehe auch unter Youtube hobuma38, Schlachtefest in Vechelade.

Schlussbemerkung
Hausschlachtungen, wie sie früher in Groß Lafferde üblich waren und wohl auch in anderen Orten in ähnlicher Weise stattfanden, gibt es nicht mehr. In wenigen Jahrzehnten kann niemand mehr aus eigener Anschauung darüber berichten. Deshalb habe ich die Hausschlachtung stellenweise bis ins Detail beschrieben. Wenn der Bericht dadurch etwas langatmig erscheint, so gilt es zu bedenken, dass eine sachliche Darstellung und keine unterhaltsame Lektüre beabsichtigt war.

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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