Zum Thema Liebe

Jeden Tag den selben Weg
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Der einsame Alte

Er kam aus einer großen Stadt und zog sich zurück in ein weit entferntes kleines Städtchen. Dort hatte er sich vor Jahren ein kleines Häuschen gekauft und lebt einsam und allein. Es scheint als haben viele Jahrzehnte sein Leben und seine Haut geprägt. Man sieht ihn täglich mit Stock und einem dunklen Hut, weit ins Gesicht gezogen, immer den gleichen Weg gehen, immer auf der gleichen Bank an einem kleinen Bach sitzen. So viele Jahre er nun schon in dem idyllischen Städtchen wohnt, keiner kennt ihn, mit keinem hat er je ein überflüssiges Wort gesprochen, nie kam auch nur ein Lächeln über seine Lippen. Die Leute behaupten, der müsse Blind sein, so schwarz wie seine Augen sind. Nur eines wissen die Leute von ihm, arm kann er nicht sein, denn eine teuere Uhr, goldene Ringe und ein mit Brillanten besetztes Armkettchen, teuere Kleidung und ein großer Wagen sollen sein Eigentum sein. Auch das Häuschen, dass er sich kaufte, so wird immer wieder gemunkelt, es war nicht billig und beim Einzug hatte man die herrlichsten Möbel gesehen.

All die Menschen, die ihm begegnen, nie hat er nur einen gegrüßt, ja nicht mal angeschaut. Stur und flach wirkt sein Blick, mürrisch zeigt sich sein Gesicht, abweisend seine Gestik. Man könnte gerade meinen, er wolle weder Kontakt, noch zu einem Menschen freundlich sein. Immer wenn er auf der Bank sitzt starrt er verbittert in des Baches Wasser, regungslos sitzt er dort Stunden. Geht man an seinem Haus vorbei, so sieht man nicht hinein, eine hohe Hecke hatte er sich damals pflanzen lassen, nie sieht man auch nur ein Licht brennen, nie sieht man einen Besuch kommen. Inzwischen wird auch schon ein großer Bogen um den alten Mann gemacht, den Eigenbrötler, der überhaupt nicht in diese Stadt und Gegend passt.

Petrus auf seiner Wolke schaut ihm täglich zu, immer wieder schaut er in sein Buch, nach dessen Namen, aber nirgendwo in nächster Zeit kann er seinen Namen entdecken, er ist erst 58 Jahre alt und sein Abschied vom irdischen Leben sollte erst in 21 Jahren sein. Er kann es einfach nicht mit ansehen was der aus seinem restlichen Leben macht. Petrus beschließt nun zum Gott Vater zu gehen und ihm darüber zu berichten. Gemeinsam sehen sie nach, über sein irdisches Leben, können keine Fehltritte feststellen, ein Leben lang fest gearbeitet, zu Reichtum gebracht, seine Firma frühzeitig verkauft, mehrere Konten gut gefüllt, kein Problem je mit Gesetz oder Finanzamt gehabt. Er war immer ein loyaler Chef und nie gab es klagen, die Lebensuhr seiner Frau war schon vor 15 Jahren abgelaufen, trotz großer und ehrfürchtiger Liebe hat er es damals gut verkraftet. Er hat ein gläubiges Leben geführt, immer andächtig gebetet, war einfach ein guter und auch beliebter Mensch, in all den Jahren. Da kommen auch noch ein Sohn und eine Tochter zum Vorschein. Es steht geschrieben „...hat sich um seine Kinder immer vorbildlich gekümmert und war ein guter Vater“! Aber dann sehen die beiden auch, keines dieser Kinder hat sich viele, viele Jahre mehr bei ihm gemeldet. Nun sehen sie auch den Grund seiner Bitterkeit.

Gott Vater und sein Petrus beschließen, dem Mann muss geholfen werden, man kann ihn doch nicht 21 Jahre lang so dieses schöne Leben versauern lassen. Man ist sich sicher, da muss etwas geschehen, ein Engel muss auf die Reise geschickt werden, dieser wird als kleiner Junge diesen Mann wieder zum lachen bringen, seine Augen wieder glänzen lassen. Eines Tages sitzt der alte Mann wieder an diesem Bach auf seiner Bank, starrt mit dunklen Augen und grimmigen Gesicht in den Bach. Wieder hat er seinen dunklen, großen Hut weit ins Gesicht gezogen und nicht eine Fliege auf seiner Nase kann ihn dazu bewegen sich zu rühren. Die Sonne strahlt vom Himmel, kein Schatten legt sich auf die Bank, Enten und Gänse fühlen sich im Wasser des Baches richtig wohl, doch der alte Mann, ihn rührt dies alles nicht. Das Getöse spielender Kinder scheint er gar nicht zu bemerken. Man könnte fast glauben, er sei nicht nur blind sondern auch taub, wüsste man nicht dass er sprechen und hören kann.

Wie der alte Mann so da sitzt kommt ein kleiner Junge auf ihn zu, bleibt vor ihm stehen und schaut ihn an. Nichts was sich bei dem Mann bewegt, er schaut durch den Jungen hindurch, so hat es den Anschein. Der Junge Mann, er scheint so um die 5 Jahre alt zu sein, setzt sich an den Rand der Bank und schaut auch in den Bach. „Ich sehe Dich jeden Tag hier sitzen, bist Du alleine?“ fragt er ihn. Doch es kommt keine Antwort zurück. „Ich bin auch allein, da drüben in dem Kinderheim lebe ich. Weißt Du, meine Eltern sind als ich noch sehr klein war mit dem Auto unterwegs gewesen, da haben sie einen Unfall gehabt, nun schauen sie vom Himmel auf mich herunter“ erzählt der kleine Mann weiter. Er schaut den Alten an, berührt mit seinen kleinen Händen die Hand des Mannes und streichelt sie. „Weißt Du, gerne hätte ich so einen Opa wie Dich, mit dem ich spielen könnte, der mir viel beibringen und erzählen möchte, aber den gibt es auch nicht in meinem Leben, so hat man mich eben in dieses Heim gesteckt“ versucht er ihm weiter über sich zu berichten. Keine Regung zu sehen, nur die Sonne, die einen Strahl auf seine Augen wirft, lässt erkennen, sie werden feucht.

Es kommt keine Unterhaltung zustande, was auch der kleine Mann noch alles zu erzählen vermag. Dann ertönt eine Glocke. „Ich muss gehen, mein Ausgang ist zu Ende, die Schwester wird sonst böse wenn ich nicht da bin, aber ich komme morgen wieder, dann kannst Du mir ja etwas erzählen“ ruft er im weglaufen noch dem alten Mann zurück. Dann steht auch er auf, geht seinen Weg zurück nach Hause, mit dem gleichen sturen und mürrischen Blick, doch mit dem einen Unterschied, in seinen Augen stehen Tränen.

Die kommenden Tage wartet der Junge vergeblich auf den Alten. So oft er schaut, die Bank bleibt leer, ein anderer traut sich nicht hin zu sitzen, nur der Alte sitzt dort und sonst gesellt sich keiner zu ihm. Eine ganze Woche geht um, keiner weiß was geschehen war, keiner sieht ihn auf der Strasse gehen, keiner bekommt ihn zu Gesicht. Aus Angst und Respekt vor ihm will auch keiner an die Türe gehen oder nach ihm sehen und fragen. Sieben Tage gehen vorüber, bis er wieder sein Haus verließ, seinen Spaziergang wie immer an den Bach und an die Bank macht. Kaum nimmt er Platz kommt schon der kleine Junge angerannt und setzt sich zu ihm. Der alte Mann sitzt steif wie immer da, doch der Junge nimmt gleich wieder seine Hand und fragt ihn „Wo warst Du denn die ganze Woche? Ich habe jeden Tag auf Dich gewartet, doch ich sah immer nur die leere Bank!“ Dann dreht der Mann zum ersten mal seinen Kopf zu dem Jungen hin, schaut ihn an und drückt seine kleine Hand. Seine Augen waren nicht mehr so dunkel als er zu dem zu sprechen beginnt. „Wie heißt Du denn“ fragt er ihn, „Benjamin, aber alle nennen mich einfach nur Benny, so darfst Du mich auch nennen“ antwortet er zurück. Der alte Mann schaut wieder zu dem Bach hin, dann zu Boden. „Du hast keine Eltern mehr, keine Geschwister, keinen Onkel, Tante, Großeltern“ will er nun wissen. Benny antwortet mit etwas getrübter Stimme „ Nein, hier nicht, meine Großeltern leben irgendwo, ich kenne sie nicht, Onkel und Tanten habe ich auch nicht, auch keine Geschwister, darum bin ich auch hier gelandet, dass Jugendamt hat mich hier her gebracht“. „Weißt Du Benny,“ fährt der alte Mann fort, das Leben hat Höhen und Tiefen, man geht ein Leben lang einen Weg, weiß nie ob es der Richtige ist, denkt man, man hätte das Ziel erreicht, dann war es nur eine Täuschung. Du bist noch jung, hast Deinen weg vor Dir, ich bin alt, bin ich schon gegangen, irgendwann muss ich eine falsche Richtung eingeschlagen haben“! Benny steht auf, stellt sich vor ihn hin, dann kniet er vor ihm auf den Boden und schaut ihn mit fragenden Blicken an. „Noch kannst Du es nicht verstehen, es fehlt Dir jemand, jemand der Dich an der Hand nimmt und dich ein Stück Deines Weges führt. Wenn Du ihn gefunden hast, der es ehrlich mit Dir meint, stoße ihn nicht ab, geh mit ihm“ versucht der alte Mann die fragenden Augen zu beruhigen. „Erzähl mir von dir, von Deinem Weg, warum glaubst Du einen falschen Weg eingeschlagen zu haben, bist Du darum so alleine und so traurig!?“ Die Augen des Alten werden wieder feucht, er nimmt seinen Stock zur Seite, nimmt seinen Hut ab und legt ihn auf die Bank, nimmt den kleinen Mann an der Hand und setzt ihn auf seinen Schoß. „Ich hatte auch so einen kleinen Jungen wie dich, weißt Du, er heißt auch Benjamin, ist heute schon groß und erwachsen, geht seinen eigenen Weg. Auch eine Tochter habe ich, sie ist ein paar Jahre jünger als mein Sohn“ versucht der Alte zu erklären. „Aber dann bist Du ja gar nicht alleine“ erwidert der Junge. „Oh doch mein Sohn, noch mehr als Du“ kommt es mich zaghafter Stimme. „Meine Frau ist vor 15 Jahren gestorben, meine Kinder haben alles von mir bekommen, eine gute Ausbildung, ein Auto, ein schönes Leben, aber all das war ihnen nicht genug. Alle beide hatten keine ehrlichen Freunde, sie haben sie nur ausgenutzt und als alles Geld weg war wollten sie immer mehr von mir, doch ich wollte ihr liederliches Leben nicht länger unterstützen und bat sie selber Geld zu verdienen, das nötige Handwerkszeug habe ich ihnen ja mitgegeben, in Form von einer guten Ausbildung“. „Und dann, warum bist Du alleine“ hackt der kleine Mann nach. „Als sie von mir kein Geld mehr bekamen, blieben sie fern, 10 Jahre ist es nun schon her, kein Wort, kein Brief, nichts, irgendwann habe ich erfahren das ich Großvater geworden bin, habe meinen Enkel noch nie gesehen“. Benny nimmt ihn in den Arm und sagt „dann nimm doch mich, ich bin auch allein, ich wünsche mir so sehr einen Opa und Du wünscht Dir so sehr jemanden der Dich lieb hat“. Bennys Augen strahlen den Mann an, wenn auch die Blicke wieder fragend sind. „Wenn das so einfach wäre“, denkt sich der Alte, schaut den kleinen Bengel an und ein kleines Lächeln steht in seinem Gesicht. Dann wieder die Glocke, Benny steht auf, „ich muss wieder gehen, bis morgen, bitte, bitte, komme, ich werde da sein“ bittet er den Alten Herrn, der ihm nachschaut und ihm nach winkt, „ja, ich werde kommen mein Sohn, ich bin morgen wieder hier“ kommt es ganz leise über seine Lippen, nimmt den Hut, den Stock und geht aufrechten Hauptes des Weges zurück nach Hause.

Auf dem Weg begegnen ihm Menschen, er hebt den Hut und grüßt ganz freundlich mit einem „schöner Tag heute, nicht“! Diese Menschen haben diesen Alten schon oft gesehen, nie kam ein Wort herüber, der Alte jedoch kannte alle diese Menschen überhaupt nicht, hat sie nie vorher je gesehen, zumindest nicht bewusst. An diesem Abend brennt sogar Licht in seinem Haus, man hört Musik erklingen. Es würde ja weiter nicht auffallen, doch wenn ein totes Haus Leben bekommt, so wird es sofort bemerkt.

Am folgenden Tag, der alte Herr geht durch die Straßen, grüßt freundlich alle Menschen die ihm begegnen und bekommt etwas verwundert einen jeden Gruß wieder zurück. Die Leute stecken ihre Köpfe zusammen, rätseln was denn wohl mit dem Alten geschehen sein muss, ob er denn jetzt verrückt geworden wäre. Man konnte sich keinen Reim darauf machen. Er marschiert schneller als sonst, immer freundlich grüßend und mit dem Stock schwingend zu dem Bach und zu der Bank. Aus der Tasche holte er Brot und fütterte die Enten und die Gänse und schon kam sein kleiner Freund angelaufen. Sie unterhielten sich und spielten zusammen, ja er lachte gerade heraus, war nicht wieder zu erkennen. Auch Benny war überglücklich einen Opa gefunden zu haben. Petrus, der alles von oben beobachtete, rieb sich die Hände, strahlte über sein ganzes Gesicht, ging zu Gott Vater und berichtete ihm. Die beiden kamen zu der Einsicht, den Engel Benjamin so lange im irdischen Leben zu lassen wie es nötig sei.

Die beiden werden ganz dicke Freunde, unzertrennlich, Benny wird von dem alten Herren adoptiert, er kümmert sich um ihn als wäre es sein eigener Enkel, gibt ihn in eine gute Schule, verschafft ihm eine gute Ausbildung und aus Dankbarkeit für die entgegengebrachte Liebe, das wiedergefundene Leben, für die Rückkehr auf den richtigen Weg, das wieder erlangte Lachen und seine Freundlichkeit setzt er ihn als Alleinerben in seinem Testament ein und gibt ihm seinen Namen.
Als sich der alte Herr wieder einmal zurück lehnt wird ihm klar, die Liebe eines Menschen, die Liebe zu seinen Kindern kann man sich nicht erkaufen, nicht mit Geld, entweder man bekommt sie automatisch geschenkt oder aber sie wird einem für immer und ewig fehlen. Ihm wird klar wo er seinen Weg falsch eingeschlagen hatte, er dankte Gott dafür wieder auf den richtigen weg gekommen zu sein, durch diesen kleinen Jungen, er muss ein Engel sein, den man ihm geschickt hat. Er dankte Gott dafür, dass er das noch erleben durfte.

Bürgerreporter:in:

Luis Walter aus Krumbach

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