"Schule lehrt Theorie, der Hof die Praxis"
So lautete die Überschrift eines Artikels der Oberhessischen Presse vom 24. März 2004. Der Artikel befindet sich im umfangreichen Archiv von Frau Erika Günther und er berichtet über das Jahrgangstreffen der ehemaligen Landwirtschaftsschüler aus Kirchhain.
Frau Günther sah meinen fragenden Blick und sagte: "Ja, in Kirchhain gab es einmal eine Landwirtschaftsschule und unser ehemaliger Lehrer, Herr Heinrich Bohl, ist im Januar diesen Jahres 90 Jahre alt geworden und kann vieles über die Kirchhainer Landwirtsschaftsschule berichten."
Nach einem Telefonat mit Herrn Bohl vereinbarte ich einen Termin und so machte ich mich am Samstagnachmittag auf, um ihn in seinem Haus zu besuchen. In einem über 1-stündigen Gespräch wusste er sehr lebhaft und voller Freude über die Landwirtschaftsschule zu erzählen und zeigte mir auch seine zahlreichen Fotos aus der Kirchhainer Zeit.
Nach den beiden Gesprächen mit Frau Günther und Herrn Bohl kann ich nun über die Landwirtschaftsschule Kirchhain folgendes berichten:
Im Jahre 1919 entstand in Kirchhain in dem Haus Borngasse 8 und dem dazugehörigen rückwärtigen Gebäude, in der heutigen Raiffeisenstraße, die Landwirtschaftsschule.
Herr Bohl trat am 03. November 1948 hier in Kirchhain seine erste Lehrerstelle an. Die Aufgabe der Landwirtschaftsschule bestand darin, den Jugendlichen die neuesten Entwicklungen zu vermitteln und dabei zu helfen, die Familienbetriebe anzupassen und weiter zu entwickeln. Die Jungen und Mädchen besuchten diese Schule in den Wintermonaten von November bis März. Unterrichtet wurden die Fächer :
Ackerbau, Betriebslehre, Tierzucht, Chemie, Rechnen, Schriftverkehr und Pflanzenbau.
Auch die Mädchen wurden mit den Unterrichtsfächern Kochen, Handarbeiten und Geflügelzucht auf ihre spätere Aufgabe in der Landwirtschaft vorbereitet. Frau Günther wusste zu berichten, dass 24 Mädchen in 12 Kochkojen täglich bis 12.00 Uhr das Mittagessen zubereiteten.
Anders als die Jungen, die zwei Winterhalbjahre die Schule besuchten, waren die Mädchen nur 1 Winterhalbjahr hier.
Wie ich auf den Fotos von Herrn Bohl sehen konnte, wurde nicht nur in der Schule unterrichtet. Nein, man legte z. Bsp. in Niederklein auch ein Versuchsfeld an, auf dem Kartoffel angebaut und geerntet wurden und man fuhr zu Betriebsbesichtigungen.
Mit besonderer Freude berichtete mir Herr Bohl über die Teilnahme der Schüler an mehreren Wettbewerben des Wettpflügens und war auch heute noch sichtlich stolz auf seine Schüler aus Kirchhain. Die Mannschaften aus Kirchhain konnten mehrmals Landesentscheide gewinnen, so dass Kirchhain hier zu den besten Schulen Hessens zählte.
In den Monaten von April bis Oktober standen die Lehrerinnen und Lehrer der Landwirtschaftsschule Kirchhain den Landwirten beratend zur Seite. Die Beratung fand nicht nur in den Räumlichkeiten der Schule statt sondern auch auf den Höfen der Landwirte selbst. Gerade in den 50-er und 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden diese Beratungen immer weiter ausgedehnt und von den Landwirten auch mehr und mehr in Anspruch genommen. Folgende Lehrerinnen und Lehrer waren an der Landwirtschaftsschule Kirchhain über die Jahre hinweg tätig:
- Frau Wempe, Frau Köchling, Frau Wilpricht, Frau Stanzel, Frau Weiss
- Herr Becker, Herr Winter, Herr Bohl, Herr Moscherosch, Herr Schäuble, Herr Stanzel
Im Jahre 1955 wurde in der Erlenstraße in Kirchhain der Grundstein für die neue Landwirtschaftsschule gelegt. Bis zum Jahre 1964 wurden die Schülerinnen und Schüler hier noch in moderneren Räumen unterrichtet. Danach erfolgte jedoch die Auflösung der Schule in Kirchhain und der Umzug nach Marburg und so endete nur 45 Jahre nach der Gründung das Kapitel "Landwirtschaftsschule Kirchhain".
Bei den ehemaligen Schülerinnen und Schülern der Landwirtschaftsschule Kirchhain ist diese Zeit jedoch nicht vergessen. Sie treffen sich mehrmals im Jahr zur Weiterbildung, Vorträgen und auch geselligen Veranstaltungen.
Bürgerreporter:in:Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain |
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