Kirchhainer Stadttore

Alter Stadtplan von Kirchhain mit den eingezeichneten Stadttoren.
8Bilder

Bei einem Spaziergang durch die Kirchhainer Innenstadt trifft man an einigen Stellen auch auf die Überreste der alten Stadtbefestigung.

Bevor ich nun mit meinem Bericht beginne, möchte ich erwähnen, dass ich die Angaben zur Stadtbefestigung und den Stadttoren der von Herrn Bürgermeister a.D. Heinrich Grün im Jahre 1952 verfassten "Chronik der Stadt Kirchhain" entnommen habe.

Aus der Chronik erfahren wir, dass " ...die städtische Ringmauer, aus einem Guß nach klarem Plan und entsprechend der hervorragenden Bedeutung Kirchhains als landgräfliches Bollwerk besonders vieltürmig erbaut, besaß noch 1786 insgesamt 26 Wehrtürme, darunter 21 Schalentürme, den rundum geschlossenen Gefängnis- oder Hexenturm, ... und 4 viereckige Tortürme."

Im heutigen Stadtbild finden wir nur noch den erwähnten Hexenturm, um dessen Erhaltung sich z. Zt. der "Förderverein Kirchhainer Kulturdenkmäler" bemüht.

Bemühen wir noch einmal die Chronik um Einzelheiten über die Stadttore zu erfahren: "Am Steigerstor (1383 Stegerspforte), Brießelstor und Borntor (1357 Bornpforte, 1358 Leiterstätter Pforte), befanden sich Pförtnerwohnungen, die mit Pförtnern besetzt waren; die Mühlpforte war dagegen nur nebensächlich."

Bevor Kirchhain mit einer Ringmauer und Türmen befestigt wurde (vor 1370 muss das wohl gewesen sein) schützte an der gefährlichen Nordseite ein "...tief in das Gelände eingeschnittener Wallgraben" vor feindlichen Angriffen.

Hatten die Ringmauer und die Stadttore den Großbrand nach dem Überfall der Mannen des mainzischen Amtmannes von Amöneburg, Graf Heinrich von Waldeck, in der Nacht vom 20. zum 21. März 1412, noch unbeschadet überstanden, so hinterließ der 30-jährige Krieg wohl recht deutliche Spuren. Zunächst lesen wir: "...Noch war die die Stadt umschließende Ringmauer mit ihren Türmen und Wehrgängen unversehrt. Starke, aus dicken Eichenbohlen gefügte und mit schweren Eisen beschlagene Tore mit Fallgatter schützten die Stadteingänge. ... Die vier Stadttore waren ständig von vier Pförtnern besetzt und wurden nachts geschlossen. Bei unruhigen Zeiten wurden die Torwachen von Bürgern mit übernommen."

Doch was lesen wir da unter dem 23. Mai 1640: "...erschienen vor Kirchhain kaiserliche Truppen, bestehend aus 800 Reitern und 200 Mann Fußvolk... Ein erbitterter Kampf mit den in Kirchhain einquartierten Schweden entspann sich. Schon waren zwei Stadttore gesprengt, da boten die heruntergelassenen Gatter dem andringenden Feinde halt,..." Im Jahre 1648, nach dem Friede im ganzen Land eingekehrt war, erfahren wir über den Zustand der Kirchhainer Befestigungsanlagen: "...Die zerschossenen und eingestürzten Stadtmauern von Kirchhain wurden notdürftig ausgebessert..."

Die weitere Entwicklung Kirchhains in den nächsten Jahrhunderten, schreitet nur langsam voran, so dass erst im Jahre 1826 "...es ein Kirchhainer Bürger wagte draußen vor dem Borntor ein Wohnhaus mit Scheune zu erbauen." Ab dem Jahre 1819 wurden die alten Stadttürme abgebrochen. Von 1821 - 32 entstanden neue Tore, die aber ab 1841 ebenfalls wieder abgerissen wurden.

Wie sich das Stadtbild in Bezug auf die Ringmauer und die Stadttore in der Zeit von 1870 bis 1914 veränderte, erfahren wir auch aus der Chronik: "...Noch zog sich die alte Ringmauer um Kirchhain. Wohl waren die Stadttore verschwunden und die ehemals vorhanden gewesenen Pförtnerwohnungen abgebrochen...". Das Stadtbild veränderte sich stetig weiter und so wurde 1896/97 ein neuer Viehmarkt- und Festplatz vor dem Mühltor angelegt. Damit dieser bei Hochwasser nicht mehr überflutet werden konnte, benötigte man Material zur Auffüllung des Geländes. So kam es, dass "...zunächst die alte Stadtmauer von der Bahnhofstraße bis zum Borntor, von der Klein bis zum Mühltor und vom Mühltor bis zum Amöneburgertor bis auf ganz geringe Reste abgebrochen..." wurde.

Soweit die Auszüge aus der Chronik von 1952.

In einer Beilage zur Hessischen Rundschau mit dem Titel "Heimatglocken" vom 16. Oktober 1937 habe ich einen Aufsatz von Herrn H. Bingel, Vikar, über die Kirchhainer Stadttore gefunden. Hieraus erfahren wir:
"...Wie nach den Akten anzunehmen ist, müssen es mächtige Bauten gewesen sein. An den Seiten standen je ein großer Wehrturm in nicht ganz so großem Ausmaß wie der Hexenturm. Die Türme selbst waren wiederum von zwei übereinanderliegenden und sich tragenden Bögen und Gewölben mit einander verbunden. Darüber hin führte von einem Turm zum anderen ein starker Wehrgang. So standen sie am Amöneburger- und Brießelstor bis zum Jahre 1818-19. Das Borntor und Mühlentor scheinen schon vor dem eingerissen und abgebrochen zu sein. ... Der Bau neuer Stadttore wurde bald ausgeschrieben. Aber nicht in alter Form sollten diese aufgebaut werden; nur zwei steinerne solide Pfosten mit Gesimsen und Kugeln obenauf, in Höhe von 10 Fuß und 3 Fuß im Quadrat, sollten an den beiden Stadteingängen errichtet werden. Dazu zwei Flügeltore von 12,5 Fuß Breite. ...In gleicher Weise sind auch 1823 am Borntor und 1832 am Mühltor ähnliche Torpfosten zur Aufstellung gekommen."

Dienten Stadttore und Stadtbefestigungen in früheren Jahrhunderten dem Schutz der Bewohner, so sind sie heute zu touristischen Anziehungspunkten geworden. Dass sie aber auch nützlich waren, um einem Nachbarn einen Schabernack zu spielen, beweist ein Artikel vom 28. November 1938 ebenfalls aus dem Heft "Heimatglocken":

"Eines Tages hatte ein Nachbar von H. aus seiner am Mühltor an der damals noch stehenden Stadtmauer befindlichen Dungstätte auf einen einspännigen Wagen eine Fuhre Mist geladen und war damit beschäftigt, den Dünger auf dem Wagen mit dem Schlagbrett festzuklopfen." Am nächsten Tag sollte die Fuhre Mist mit einer Kuh auf den Acker gefahren werden, doch H. und sein Freund K. hatten etwas anderes im Sinn: "...als der Nachtwächter 11 Uhr "gehornt" hatte, konnten H. und K. ungesehen eine lange Leiter herbeischleppen und an der Stadtmauer aufstellen. Dann machten sich die beiden daran, den Mist von dem Wagen wieder abzuladen. Als dies geschehen, wurde der leere Wagen auseinandergenommen und bald lagen Räder, Achsen, die Arme, Bretter, Scheere usw. auf der Erde. Der Transport der einzelnen Wagenteile auf die Stadtmauer war viel schwerer und zeitraubender und bei der Dunkelheit mit viel Gefahr verbunden. ...die Hauptsache war, daß die Räder an den Achsen hingen und Boden- und Seitenbretter eingesetzt werden konnten. Noch war aber die Tätigkeit der beiden nächtlichen Arbeiter nicht beendet. Der abgeladene Mist wurde in Körbe gepackt und über die Leiter auf die Mauer und auf den Wagen gebracht."

Dieser "Mistwagen auf der Stadtmauer" war in Kirchhain und dessen Umgebung noch lange das Tagesgespräch !

Nun aber wieder zurück zur Gegenwart. An einem Haus in der Mühlgasse befand sich lange Jahre eine Zeichnung und auch ein schriftlicher Hinweis auf das Mühltor, was sich einstmals an dieser Stelle befand. Ein Foto hiervon hat mir Frau Schalow dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Nach Abriss der Gebäude und Umgestaltung des Eingangsbereiches zum Festplatz zu einer "Mühltoreinkaufspassage" ist dieser Hinweis leider auch aus dem Stadtbild verschwunden.

Es wäre wünschenswert, wenn Hinweise auf die ehemaligen Stadttore in Kirchhain zu finden wären.

Bürgerreporter:in:

Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

44 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.