Gesichter Indiens - Ein Reisebericht (Teil 3)

Dorfplatz in einem indischen Dorf
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LEBEN IN EINEM INDISCHEN DORF

In Bharatpur, einer mittelgroßen Stadt zwischen Agra und Jaipur, starten wir unsere Jeeptour, um das Leben auf dem Land kennenzulernen. Immerhin leben in Indien 70% der Bevölkerung auf dem Land, also ca. 750 Millionen Menschen. Kaum vorstellbar, die Zahl der 1,2 Milliarden Einwohner vergrößert sich jährlich um 20 Millionen.

Unsere Fahrt geht über staubige, unwegsame Wege im Schritttempo vorbei an Kleinkindern, die fast alleingelassen im Straßenstaub spielen, an Frauen, die auf ihren Köpfen Krüge mit Wasser von weit entfernt liegenden Brunnen holen. Schweine wühlen in Plastikmüll, und die heiligen Kühe fressen gelassen auf dem Weg ihr von den gläubigen Hindus herbeigetragenes Grünfutter. Die Hauptlast der Arbeiten tragen die Frauen. Wir beobachten sie ständig dabei, wie sie auf den Feldern Grünfutter oder Holzreisig sichern. Sie sitzen an der Straße und formen mit ihren Händen aus Kuhfladen und Gras Brennmaterial zum Kochen. Nachdem die Kuhfladen in der Sonne getrocknet sind, werden sie in Lehmhütten aufgeschichtet zum Schutz vor den starken Regenfällen während der Monsunzeit.

Zu unserer Verwunderung stehen wir plötzlich vor einer geschlossenen
Bahnschranke. Der Schrankenwärter, der gleichzeitig Vorsteher des kleinen Bahnhofs ist, stoppt mit einem roten Band den einfahrenden Zug, aus dem einige Frauen mit Hühnerkisten aussteigen, für uns alle sehr nostalgisch und exotisch. Überhaupt ist die Schranke der Treffpunkt für die ganze Umgebung. Männer sitzen am Wegrand, spielen Karten und unterhalten sich sehr angeregt. Kamel- und Stierkarren vollbeladen mit Zuckerrohrpflanzen und Getreidesäcken bleiben stehen; für die Männer auf den Wagen eine wohltuende Pause. Bald jedoch, nachdem der Vorsteher die Schranken geöffnet hat, gibt es für uns freie Fahrt.

Nach einer Stunde kommen wir in dem 600 Einwohner zählenden Dorf an. In sechs großen Lehmhütten und auch Stallungen wohnen die Menschen von der Geburt bis zum Tod. Ältere und kranke Personen liegen auf hölzernen Bettgestellen vor den Häusern und nehmen so am täglichen Leben teil. Kinder üben sich im Seilspringen, während durchs Dorf ziehende Frauen den Tod eines lieben Menschen beweinen. Vom Dorfältesten werden wir in den kühlen Innenhof seines Hauses zu einer Tasse Tee eingeladen. Um die Gastfreundlichkeit zu erwidern, schenken wir den Kinder des Ortes, von denen wir ständig umringt sind, Bonbons, Rupienscheine und die ganz begehrten Kugelschreiber.

Als wir das Dorf verlassen, erklärt uns Niret Singh, unser Reiseleiter, dass die Menschen hier zur niedrigsten Kaste gehören. Man nennt sie im indischen Sprachgebrauch auch abschätzend Shupas, da sie Analphabeten sind. Ihre zahlreichen Kinder schicken sie nur selten zur Schule, da ihnen das Geld für Schuluniformen und Lernmaterial fehlt. Die Familien erhalten vom Grundstücksbesitzer ca. 2000 Rupien (100 Euro) im Monat und die Grundnahrungsmittel zum Leben. Ein Kreislauf, aus dem sie das ganze Leben nicht ausscheren können.

Computer und Handys mögen das moderne Indien zwar prägen, aber die Landbevölkerung und die Menschen in den Slums der Großstädten werden immer auf der Schattenseite stehen. Gute Wasserqualität und ärztliche Versorgung fehlen ganz. Mangelernährung und kaum Malariaschutz sind Schuld an einem oft frühen Tod.

Bürgerreporter:in:

Peter Gnau aus Kirchhain

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