Ein Malheur auf dem Neujahrsmarkt
Schon in den 50er Jahren war es für viele Menschen ein Muss, dem Kirchhainer Neujahrsmarkt einen Besuch abzustatten.
Auch mich zog es als 12-Jährigen erstmals allein nach Kirchhain. Meine Mutter hatte mir ein paar Groschen zugesteckt, die ich unter die Leute bringen wollte. Ich war erstaunt, wie laut es auf dem Markt zuging. Nicht die Händler, die ihre Waren wie Mützen, Schals, Strümpfe, Töpfe, Muskatnuss oder Knoblauch anpriesen, waren mein Ziel. Dort sollten die älteren Frauen und Männer einkaufen. Mir hatte es der Gipsfigurenverkäufer mit seinen lauten "Gipsfigura-Rufen" angetan. Er war ein Marktschreier alter Sorte und musste über lederne Stimmbänder verfügen. In seinem schwäbischen Dialekt pausenlos quasselnd und schreiend, wickelte er seine wertvollen Figuren in einem Zeitungspapier ein. Für kleine Figuren wollte er 50 Pfennig haben. Wenn der Verkauf nicht klappte, warf er kleinere, wahrscheinlich schon beschädigte Teile in die Menge und bezeichnete die Zuschauer unflätig als Geizhälse. Vergeblich versuchte ich, eine solche Figur zu erhaschen, was mir aber nicht gelang. Da ich unbedingt meine 5 Groschen loswerden wollte, kaufte ich ihm ein kleines Gänsepaar ab. Stolz das Gänsepaar in der Hosentasche, ging ich in Richtung Heimat und glaubte, ein besonders gutes Geschäft gemacht zu haben. Als ich den "Schwarzen Pfad"- in Kirchhain als Kohlengässchen bekannt- am Wasserturm der Bahn erreicht hatte, geschah das Malheur. Auf einer kleinen Eisfläche rutschte ich aus, und obwohl ich meine Figur fest in der Hand hielt, brach sie beim Sturz in zwei Teile auseinander. Dabei stellte ich fest, dass diese Superfigura aus salzähnlichem Porzellan bestand, die sich zudem nicht mehr zusammenkleben ließ.
So zierten noch jahrelang "2 wertvolle Gänse" mein Bücherregal und erinnerten mich immer wieder an das Malheur am Neujahrsmarkttag 1956.
Bürgerreporter:in:Peter Gnau aus Kirchhain |
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