Stadtallendorf/Kirchhain/Marburg-Lahn: Aus dem Gericht! Betrug bereichert Geschädigten

as Kreisjobcenter profitierte ausnahmsweise einmal kräftig von einem Betrugsversuch. Der Fall wurde vor dem Amtsgericht Kirchhain verhandelt. | Foto: © Thorsten Richter
  • as Kreisjobcenter profitierte ausnahmsweise einmal kräftig von einem Betrugsversuch. Der Fall wurde vor dem Amtsgericht Kirchhain verhandelt.
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Manchmal können die Angeklagten in einem Betrugsprozess selbst die eigentlich Geschädigten sein. So geschehen in einer Verhandlung vor dem Kirchhainer Amtsgericht.

Vor Strafrichter Joachim Filmer musste sich ein Ehepaar verantworten, weil es zwischen März und August 2009 Leistungen des Kreisjobscenters bezogen hatte, obwohl der Ehemann in dieser Zeit einer Arbeit als Fahrer bei einem Stadtallendorfer Unternehmen nachging. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit hatte die Ehefrau nicht angegeben, als sie beim Kreisjobcenter für die fünfköpfige Familie Leistungen beantragte.

Der Mann hatte diesen Antrag nicht unterschrieben und gehörte damit überhaupt nicht auf die Anklagebank, wie Richter und die Vertreterin der Anklage schon vor Verhandlungsbeginn übereinstimmend feststellten.

Der hagere Mann durfte dennoch neben seiner Frau auf der Anklagebank sitzen bleiben. Er schilderte die Situation im Jahr 2009. Er erzählte von gesundheitlichen Problem und den daraus resultierenden Schwierigkeiten, einen ordentlichen Job zu bekommen. So landete der aus einer der ehemaligen Sowjet-Republiken eingewanderte Mann bei einem Arbeitgeber, der ihm in den sechs Monaten lediglich 1500 Euro auszahlte - insgesamt! Zudem zahlte das Unternehmen nicht einen Cent Krankenkassen-Beitrag.

Das Problem der Eheleute: Obwohl sie nur 1500 Euro zu Unrecht vom Kreisjobcenter bezogen hatten, forderte die Behörde die kompletten 8089,30 Euro zurück. Gegen diesen Bescheid legte das Paar keinen Widerspruch ein. Dieser ist längst rechtskräftig, der ganze Betrag muss von der Familie beglichen werden.

Für einen Rechtsanwalt sei kein Geld vorhanden gewesen; die Familie habe zu der Zeit andere Probleme gehabt, bekannte der Arbeiter, der jetzt wieder ein regelmäßiges Einkommen zwischen 1700 und 2000 Euro monatlich hat und davon den Schuldenberg ratenweise abträgt.

„Sie haben den Antrag auf Hilfeleistung nicht unterschrieben und können deshalb nicht verurteilt werden. Sie sind weniger Angeklagter als Geschädigter, der sich zudem einen denkbar schlechten Arbeitgeber ausgesucht hat“, begründete Joachim Filmer den Freispruch für den Ehemann.

Auch die Ehefrau kam unbestraft davon. Der Richter stellte das Verfahren ohne Auflagen ein, weil die Angeklagte letztlich ihrer Familie massiv geschadet habe, während die Allgemeinheit wegen der deutlich zu hohen Rückzahlung von dieser sogar profitiere. Filmer folgte mit dem Urteil den Anträgen der Anklagevertreterin und sorgte damit für entspannte Gesichtszüge auf der Anklagebank. „Vielen Dank“, verabschiedeten sich die Eheleute.

Keinen Freispruch, aber immerhin eine Halbierung seiner Strafe, erreichte ein Angeklagter, der sich vor dem Amtsgericht gegen einen Strafbefehl gewehrt hatte. Statt 40 Tagessätze muss der Facharbeiter 20 Tagessätze à 30 Euro Geldstrafe bezahlen.

Der Mann war wegen Körperverletzung angeklagt worden, weil er am 17. September 2011 den neuen Freund seiner Frau zu Boden geworfen, gewürgt und an den Händen verletzt haben soll.

Vor Gericht wies der Angeklagte diese Vorwürfe zurück. Er sei an diesem Tag nach Stadtallendorf gefahren, um seinen kleinen Sohn abzuholen. Dabei sei er vom neuen Lebengefährten seiner Frau provoziert worden. Der habe auf der Straße vor seinen Augen sein Kind geküsst. Dass habe er sich energisch verbeten, worauf er von dem neuen Partner seiner Frau beleidigt worden sei. Er sei ausgestiegen und hinter dem Mann hergelaufen. Dabei sei dieser gestürzt. Er habe sich über den Mann gebeugt, und ihn gefragt, ob er „eine haben will“. Darauf habe der Mann mit einem Faustschlag geantwortet.

Die Noch-Ehefrau des Angeklagten bestätigte im Zeugenstand den in der Anklageschrift formulierten Tatablauf, dem auch der ärztliche Befund entsprach. Der Angeklagte beschränkte darauf seinen Widerspruch auf das Strafmaß, dessen Halbierung die Vertreterin der Anklage vorher angeboten hatte. Sie bezog sich dabei auch auf die Tatsache, dass sich das Verhältnis zwischen den Parteien zum Wohle des Kindes verbessert habe. Dem entsprechenden Antrag folgte das Gericht.

Da alle Beteiligten Rechtsmittelverzicht erklärten, erlangte das Urteil sofort Rechtskraft.

von Matthias Mayer

Bürgerreporter:in:

Walter Munyak aus Stadtallendorf

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