Bürgermeisterwahl-Retrospektive
Drei Tage ist sie her, die Bürgermeisterwahl. Es war höchst spannend, die vergangenen drei Monate aus nächster Nähe mitzuerleben
In zwei Monaten von der Idee auf 22,1 Prozent
Erst Anfang März, nach Bekanntwerden der Kandidatur Dr. Christian Possienkes in Konkurrenz zu Arpad Bogya, nahm der Gedanke konkrete Form an, den beiden „konservativ-bürgerlich-wirtschaftsliberalen“ Kandidaten jemanden gegenüberzustellen, der sich bisher eher vernachlässigten Themen wie Verwaltungstransparenz, Bürgerbeteiligung, Sozialpolitik, Chancengleichheit im Schulwesen und Rekommunalisierung aller Daseinsvorsorgeleistungen verpflichtet sieht. In Gestalt des Verwaltungsrechtlers Dr. iur. Stefan Baufeld aus Altwarmbüchen fand sich ein Mann, der aus seiner eigenen Überzeugung heraus diesen Vorstellungen entsprach.
Wenige Treffen genügten, bis sich Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und die Piratenpartei entschlossen, Dr. Baufeld als überparteilichen und unabhängigen Kandidaten zu unterstützen. Gegen Widerstände in übergeordneten Gremien einiger der beteiligten Parteien, die die eigenen Akzente nicht ausreichend berücksichtigt sahen, wurde innerhalb kürzester Zeit ein toller Wahlkampf organisiert. Plakate wurden gedruckt, geklebt und aufgehängt, Faltblätter wurden produziert, eine eigene Webseite wurde eingerichtet, Pressebegegnungen mit nachfolgenden ausführlichen Berichten wurden organisiert. An Informationsständen war das Interesse der Bürger riesengross, man spürte in vielen Gesprächen mit Wählern, dass grosse Frustration über die bestehenden Verhältnisse herrscht; viele Bürger fühlen sich zu spät oder unzureichend informiert über das, was vor ihren Haustüren passiert. Die Knackpunkte sind bekannt: Die Blocksberg-Kreisel, die Industrieansiedlungspolitik (z.B. im Erdbeerfeld in Kirchhorst), das Anlieger-/Durchfahrtproblem an der Krendelstrasse, die Umstellung der Strassenbeleuchtung (in NB), die undurchsichtige Bauplanung am Asphalweg in KB samt hoher Ausbaukosten für die eigentlich ausreichend befestigte Anliegerstrasse, die Blockadepolitik hinsichtlich eines den veränderten Eltern- und Schülerwünschen angepassten Schulangebotes und anderes.
Eine ganztägige Radtour Dr. Baufelds am 18. Mai von Kirchhorst bis NB berührte mit einem halben Dutzend Stops die meisten dieser Orte, an denen es zu teils lebhaften Diskussionen mit den Anwohnern kam. Auch hierbei war immer wieder zu spüren, dass die meistens unfreiwillig Betroffenen sich als von der Gemeindeverwaltung ausgetrickst betrachten.
Den Schlusspunkt bildete ein grosses Freiluftkonzert mit dem chilenischen Musiker und Sänger Pablo Ardouin Shand am 24. Mai auf dem Altwarmbüchener Markt.
Fazit und Reaktionen
Viele Gespräche am Rande mit Vertretern der anderen Parteien ergaben unerwartet positive Resonanz, bis hin zu dem offenen Bekenntnis aus SPD-Reihen, dass man den Ortsverbandsbeschluss zugunsten des FDP-Kandidaten nicht nachvollziehen könne und für Dr. Baufeld stimmen werde. Verhaltene selbstkritische Äusserungen mit ähnlicher Tendenz kamen auch aus dem CDU-Umfeld, allerdings ausdrücklich mit der verständlichen Bitte um Diskretion.
Es war ein arbeitsreicher und spannungsgeladener Wahlkampf, der zu dem zwei Monate zuvor noch für unerreichbar gehaltenen Ergebnis von 21,2 Prozent der abgegebenen Stimmen führte. Einziger Wermutstropfen war, dass es nicht gelang, den Amtsinhaber über eine Stichwahl weiter herauszufordern.
Wie zu erwarten war, lösten unsere Arbeit und das Ergebnis nicht nur lobende, sondern auch kritische Reaktionen und Wertungen aus. Was uns aber doch überraschte, war, dass praktisch alle Kritik sich ausserhalb der sachlichen Ebene abspielte. Offenbar gab es an den Absichten und Zielen Dr. Baufelds nichts Konkretes auszusetzen.
Als Nachlese hier noch ein paar Zitate, die jeder Leser für sich ganz persönlich bewerten (und im Einzelfall vielleicht sogar Schlussfolgerungen daraus ziehen) möge.
Man interpretiere bitte F.W. Bernsteins Zeichnung oben ebenfalls als Zitat.
Altes Sprichwort: »Viel Mundwerk, wenig Handwerk«
»Das ist die klarste Kritik der Welt, wenn neben das, was ihm missfällt, jemand was Eigenes, Besseres stellt.« (Immanuel Geibel)
»Die grössten Kritiker der Elche waren früher selber welche« (F.W. Bernstein)
Vertrauen sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und misstrauen sie denen, die sie gefunden haben. André Gide, französischer Schriftsteller, 1869 - 1951