Kugelwasserturm, erhalten oder abreißen?

Der Kugelwasserturm sollte bei Stromausfall die Wasserversorgung der Hochöfen für 30 Minuten sicherstellen.
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  • Der Kugelwasserturm sollte bei Stromausfall die Wasserversorgung der Hochöfen für 30 Minuten sicherstellen.
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Nun ist es raus: Die Gemeinde Ilsede fühlt sich verpflichtet, den Kugelwasserturm zu erhalten.
Das sah einmal ganz anders aus.

Fotografien vom Hüttengelände beweisen, dass der aus dem Jahre 1921 stammende Wasserturm unter den zahlreichen Industriebauten kaum auffiel. Erst nach deren weitgehendem Abriss geriet er in das Blickfeld des Betrachters.
Das dürfte der Moment gewesen sein, in dem sich Freunde des Kugelwasserturms zusammenfanden, um ihn (dessen Bausubstanz schon während des Hüttenbetriebes  vernachlässigt war) vor dem Abriss zu retten.
In einer Werbekampagne wurde das bisher nicht beachtete Bauwerk kurzerhand zum Wahrzeichen erhoben; ein geschickter Schachzug, um erfolgreich Spenden einwerben zu können.

Bei einem Spendenaufkommen von 25.000 € wollten die Freunde (Zitat:) "eine GmbH gründen, die der Gemeinde den Turm abnimmt. Wenn nicht, geben wir auf". Das war auch in einer so genannten "Todesanzeige" zu lesen.
Bei positivem Ergebnis wollten die Freunde des Kugelwasserturms, 10 Jahre lang, jedes Jahr 100.000 € investieren, die aus Fördertöpfen und Spendengeldern einzuwerben seien.

Bis auf 69.000 €, welche die Gemeinden Lahstedt und Ilsede für den beabsichtigten Abriss vorgesehen hatten, sollten die Gemeinden nicht belastet werden.  Diese Summe sollte auf einem Treuhandkonto verbleiben, falls es doch noch zum Abriss käme.

Beide Gemeinden erklärten, dass aus ihren Kassen keine zusätzlichen Gelder für den Erhalt des Kugelwasserturms zur Verfügung gestellt würden. Dem dürften die meisten Bürger zustimmen, denn schließlich hat die ausgeuferte millionenschwere Sanierung des Hüttengeländes beide ehemaligen Gemeinden (und damit auch die neue Gemeinde Ilsede) an den Rand des Ruins gebracht. Wir zahlen heute noch dafür.

Im Jahre 2015 stellte ein Gutachten die mangelnde Standfestigkeit des Turmes fest. Darauf hin sah der Landkreis Peine Gesundheit und Leben von Menschen bedroht und verfügte die Absperrung des Standortes.

Dennoch hielten die Turmfreunde an ihrem Vorhaben fest und vertrauten dabei auf tatkräftige Unterstützung durch die Bevölkerung.
Nach dem Motto "Steter Tropfen höhlt den Stein" wurde fleißig nachgebohrt und Fördergelder aquiriert.

Noch im Juni 2015 verbreitete Herr Monitzkewitz die These, dass keine gemeindeeigenen Mittel in die Sanierung gesteckt werden müssen (PAZ v. 13.06.2015). 

Inzwischen kam der Denkmalschutz ins Spiel. Er war bislang kein Thema. Es dürfte die Öffentlichkeit sicherlich interessieren, ob der Turm schon länger unter Denkmalschutz stand oder erst unter dem drohenden Damoklesschwert des Abrissess gezielt unter Schutz gestellt wurde.

Die Sanierungskosten des Kugelwasserturms (einschließlich Untergestell, Traggerüst und Stahltreppen) werden mit 1,4 Millionenen € angegeben. Fördergeldzusagen sollen in Höhe von 1.169.000 € vorliegen.

Mit diesen Zahlen wurden Gemeindeverwaltung und Teile der Politik weichgekocht. Jetzt ist die Gemeinde bereit, den fehlenden Betrag von 231.000 € aus der Gemeindekasse beizusteuern. Weil man schon ziemlich sicher ist, dass diese Summe nicht ausreicht, hat man den Eigenanteil der Gemeinde auf exakt 311.327 € begrenzt. Ein merkwürdig anmutender Betrag.
Somit ist aus der ursprünglichen Nullnummer des Herrn Monitzkewitz eine ganz ansehnliche Forderung entstanden. Niemand weiß, welche negativen Überrachungen noch lauern.

In der PAZ vom 23.06.2018 wird Bürgermeister Fründt in der Weise zitiert,  "dass die Gemeinde zum Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes verpflichtet sei und dass die Sanierungskosten über die kommenden 40 Jahre abgeschrieben werden könnten".
Weiter heißt es "Es ist keine freiwillige Entscheidung, wir könnten sogar eine Instandsetzungsverfügung bekommen".

Dabei stellt sich die Frage, ob ernsthaft versucht wurde, den Kugelwasserturm aus dem Denkmalschutz zu entlassen. Niemand kann gezwungen werden, ein Denkmal zu sanieren, insbesondere dann nicht, wenn die finanziellen Möglichkeiten fehlen. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren.

Ließe man den abgesicherten Turm kostenfrei vor sich hinrosten, würde er früher oder später einstürzen. Das wäre ein von der Natur gestaltetes morbides Kunstobjekt.

Der Hinweis des Bürgermeisters Fründt auf 40-jährige Abschreibung geht völlig fehl. Die Gemeinde kann die Abschreibung steuerlich nicht geltend machen. Mit einer entsprechenden Rücklagenbildung würde sie den Turm in 40 Jahren erneut finanzieren können, und das will doch wohl so gut wie niemand.
Allein die jährlichen Unterhaltskosten und die sporadisch erforderlichen Anstrichkosten werden viel Geld erfordern. Wer soll das bezahlen? Herr Monitzkewitz und die Freunde des Kugelwasserturms? Wenn sie ihn unbedingt erhalten wollen, solllen sie zusehen, dass sie die nötigen Mittel vollständig herbeischaffen, ohne die Steuerzahler der Gemeinde Ilsede in irgend einer Weise zu belasten.
Es besteht die Gefahr, dass die Freunde das Turmes irgendwann das Handtuch werfen und die ganze Ausgabenlast am Steuerzahler hängen bleibt.

Der Hinweis des Bürgermeisters Fründt auf eine mögliche Instandsetzungsverfügung ist vorauseilender Gehorsam. Denn, den (in diesem Falle zweifelhatten) Interessen des Denkmalschutzes stehen handfeste finanzielle Vorschriften der Kommunalaufsicht gegenüber.
Die Gemeinde Ilsede ist Pleite. Mit 35, 6 Mllionen € war sie im Jahre 2017 mit weitem Abstand die höchstverschuldete Gemeinde im Landkreis Peine. Auf jeden Einwohner entfielen 1.652 € Schulden. In dieser Situation ist die Gemeinde gesetzlich verpflichtet, freiwillige Ausgaben drastisch zurückzufahren, was sie ja im Bereich von Vereinszuschüssen, der Kultur- und  Sportförderung eifrig praktiziert. Für die freiwillige Aufgabe Kugelwasserturm muss das erst recht gelten.
Der Turm nützt niemandem, abgesehen vielleicht von ein paar Schaulustigen, die ihn erklimmen würden um einen Blick auf das fast leere Hüttengelände zu werfen. Dafür ist der finanzielle Aufwand zu groß.
Brauchte der Turm einen anderen Namen, so würde ich ihn "Sodaturm" nennen, weil er einfach nur so da-steht.

Bekanntermaßen laufen staatliche und kommunale Baumaßnahmen finanziell oft  aus dem Ruder. Das wird auch hier der Fall sein. Die Gemeinde kommt in Zugzwang und wird, ob sie willl oder nicht, mehr als die eingeplanten 311.327 € aufbringen müssen.

Aber, ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Denn bei dem Schulbauprojekt wird nicht anders verfahren. Mit der Brechstange wird versucht, die Grundschulen Adenstedt, Groß Lafferde und Gadenstedt zugunsten einer neuen Schule in Gadenstedt zu beseitigen. Alle sozialen, pädagogischen, wirtschaftlichen und emotionalen Argumente werden ignoriert oder in der Weise zurechtgebogen, dass sie dem vorgefassten Ziel, Neubau einer Schule, entsprechen.

Was soll´s. Ob der Schuldenberg um 10 oder vielleicht sogar 15 Millionen € wächst, ist uninteressant. Der Bürger zahlt´s. Das Geld wird wieder reingeholt, indem die Infrastruktur vernachlässigt wird oder die Straßenbeleuchtung nachts abgeschaltet bleibt.

Ich habe den Eindruck, dass die Verwaltungsspitze und manche Ilseder Ratsmitglieder ihren gesunden Menschenverstand nicht mehr gebrauchen und den Realitätssinn völlig verloren haben, darüber hinaus etliche der übrigen Ratsmitglieder nicht Willens oder nicht in der Lage sind, energisch gegenzusteuern.

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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