Das Tagebuch
So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt.
Als Keks mich gefragt hatte, für ihn ab und dann ein paar Einträge im Tagebuch zu schreiben, um auch Eindrücke aus dem Katzenbereich zu bekommen, hatte ich nicht erwartet, das Tagebuch ganz zu übernehmen.
Aber damit hat wohl auch keiner rechnen können.
Unser Keks. Irgendwie kann ich es immer noch nicht ganz begreifen, auch wenn ich es doch täglich sehe oder vielmehr nicht sehe und nicht höre. Er fehlt uns allen hier sehr. Ich weiß, dass das der Kreislauf des Lebens ist. Ich weiß, dass keiner von uns unendlich lange und ewig leben wird und es ist in jedem Fall besser, keine lange Krankheitsgeschichte erdulden zu müssen. Auch wir Tiere wissen dies. Nichtsdestotrotz macht es den Verlust am Ende vom Tag nicht leichter.
Vergessen werde ich ihn nie, auch wenn ich ihn nicht all zu lange kennen durfte.
Ganz klar muss ich sagen, dass ich es an sich nicht als meine Hauptaufgabe ansehe, das Tagebuch zu führen. Es war schon immer so, dass die Bewohner des Hundehaus dafür besser geeignet waren, weil sie einfach auch den Überblick haben - nicht nur, weil sie öfter am Tag vor die Tür kommen, sondern vor allem, weil das Hundehaus gut gelegen ist.
Natürlich hätten den besten Überblick von allen unsere beiden Hofkatzen Mila und Shircan, aber ob ich die beiden motivieren kann, sich um das Tagebuch zu kümmern ....
Ich denke, ich werde mich mit meinen direkten Mitbewohnern im Mietzhaus kurzschließen und dann entscheiden, ob wir im Team das Tagebuch weiterführen können.
Aber solange hier noch keine Entscheidung gefallen ist, werde ich mich natürlich bemühen, Sie auf dem Laufenden zu halten - auch wenn es leider gleich noch weitere traurige Nachrichten sind.
Wir haben zwei unserer ehemaligen Bewohner verloren.
Bella ist 2016 hier im Hundehaus eingezogen und konnte nach einiger Zeit, nachdem sie einige Zeit gebraucht hatte, um die Trauer über den Verlust ihres Menschen zu verkraften, hat Bella in ihrer neuen Familie genau die Menschen gefunden, die sie für ihre restlichen Jahren gesucht hatte. Viel Liebe und Respekt, einen tollen Garten und jeden Tag das perfekte Hundeleben. Nun hat Bella ihre letzte Reise angetreten und ist friedlich und in Ruhe eingeschlafen.
Leider müssen wir uns auch von unserem Freund Alfred verabschieden. Unerwartet haben unsere Menschen von seiner Familie erfahren, dass sie Alfred wegen eines Tumors erlösen mussten. Gefühlt hatte er gerade erst sein perfektes Leben begonnen, hat Menschen gefunden, die seinen manchmal etwas grimmigen Blick nicht ernst genommen haben, sondern ihn einfach nur geliebt haben. Ich konnte Alfred nicht kennen lernen, aber ich über sehr viele Geschichten über ihn gehört.
Unsere Menschen lernen in ihrer Zeit hier unendlich viele Schicksale kennen. So viele Pfoten und Tatzen, Näschen und Schnauzen, jeder Schützling ist eine Herzensangelegenheit - keiner mehr oder weniger, sondern unsere Menschen verlieben sich jeden Tag aufs Neue in uns, schenken uns ihre Herzen, auch wenn wir sie immer wieder zur Verzweiflung bringen können.
Wenn wir ausziehen, dann freuen sich unsere Menschen und doch verlieren sie uns gleichzeitig. Tragisch ist es, wenn sie dann nie erfahren, was aus uns geworden ist - ob es uns gut geht oder wir krank geworden sind.
Es ist schön für unsere Menschen, wenn sie immer noch ein wenig an unserem Leben teilhaben können, auch wenn wir nicht mehr hier leben.
Ich gestehen, ich hoffe, dass ich, solange ich mit dem Tagebuch beschäftigt bin, nicht mehr über Verluste schreiben muss, sondern nur noch über Auszüge, denn ich rede nicht gerne über schlimme Nachrichten.
Und damit kommen wir doch zu meinen Mitbewohnern im Katzen- und Hundehaus.
Wundern Sie sich nicht, wir hatten teilweise mal wieder ein Fotoshooting und es sind wirklich tolle Bilder dabei.
Die Bilder von Sabse trügen ein wenig. Nicht, dass Sie glauben, dass meine Tochter nur schläft....oh nein, sie ist schon ganz schön lebendig und hat es auch Faust dick hinter den Ohren - wie man so schön sagt. Aber sie genießt es auch ungemein zu kuscheln und zu schmusen. Mit den richtigen Menschen will sie überhaupt mehr aufhören zu schnurren. Gut, meine Sabse kann auch anders. Ihr Selbstbewusstsein hat sie wohl von mir geerbt. Die komplette Zuneigung zum Menschen muss sie sich aber selbst ausgesucht haben, denn ich weiß nach wie vor noch nicht zu 100% ob ich Ihnen als Wesen einfach so trauen kann - nichts für ungut.
Ganz klar zeigt das Bild von Berthold sehr genau, welch großer Schmuser er ist und auch Khan liebt es ganz nah am Menschen zu sein. Kein Wunder also, dass die beiden ein Dreamteam sind.
Wen haben wir denn noch auf den Bildern?
Mara ... ja, Mara ist eine stolze Katzendame, die wirklich bemerkenswert ist. Sie schmust auch sehr gerne und sie und meine Sabse scheinen nicht den perfekten Riecher füreinander zu haben. Das heißt aber nicht, dass Mara nicht auch ein tolle Gefährtin ist. Fiona, Jule und Josie kenne ich noch nicht selbst, aber ich habe mir sagen lassen, dass Fiona wirklich gerne ein schönes ruhiges Zuhause hätte mit Menschen, die verstehen, dass sie zwar nicht viel sieht, aber dennoch alles bemerkt. Jule und Josie fangen auch langsam an, sich an Menschen zu gewöhnen, aber brauchen sicherlich sehr viel Geduld und ein entspanntes Umfeld, um so ganz zu Schmusetigern zu werden. dagegen sind Paulina und Pflaume schon wahre Könner, was das anbelangt - wobei gerade die junge Pflaume natürlich noch viel interessantere Dinge zu entdecken hat, als eine Menschenhand, die erwartet, dass sie still steht.
Ja, bei uns im Mietzhaus ist schon einiges geboten.
Auch im Hundehaus gibt es neben Albert und Paolo neue Gesichter, die sich auf die Suche nach einer eigenen Familie machen dürfen. Elsa und Bonnie können nun, nachdem sie sich ein wenig eingewöhnt haben, ein neues Leben beginnen, sobald sie die richtigen Menschen für sich gefunden haben. Elsa ist bei Fremden etwas zurückhaltend, Bonnie traut sich schon eher gleich zu, alle Menschen zu begrüßen. Und auch wenn die beiden Freundinnen sind, können sie ihre neuen Wege getrennt voneinander beginnen. Ich bin mir sicher, dass sich hier bald genau die jeweils richtige Familie finden wird.
Und zum Abschluß ein kleiner Bericht von unserem ehemaligen Bewohner Chiko.
Er hat sich ganz schnell bei seinen Menschen eingelebt und hat für sich - wahrscheinlich schon nach 10 Minuten Kennenlernzeit - beschlossen "hier ist mein Zuhause". Chiko darf viel erleben und ist mit seinen Menschen immer wieder unterwegs. Er darf lange Spaziergänge machen und nach seine Nase gekonnt einsetzen. Zwischendrin gibt es dann immer mal wieder kurze Verschnaufpause, aber wie wir alle Chiko kennen, hat der Tag ja sehr viele Stunden, die mit Bewegung und Erlebnissen ausgefüllt werden sollten. Und das kann er auch. Am Ende vom Tag ist Chiko dann ein glücklicher Hund, der sich voll und ganz sicher und wohl fühlt und seelig schlummernd von den nächsten Abenteuern träumt.
Ich muss sagen, auch wenn ich als Katze natürlich nicht so viel mit dem Hundehaus zu tun habe, so freue ich mich genauso, wenn wir so schöne Fotos von unseren ehemaligen Bewohnern aus dem Hundehaus bekommen.
Das Tagebuch - es bewegt sich zwischen traurigen Nachrichten, wundervollen Geschichten, Todesfällen und Happy Ends - sogar kleine Wunder werden damit hin und wieder vollbracht. Ich weiß, ich habe gesagt, dass ich es alleine nicht übernehmen will, aber nachdem ich nun ein bisschen Tagebuch-Luft geschnuppert habe, werde ich es doch nicht gänzlich abgeben. Ich werde mir einen Co-Autor im Hundehaus suchen, vielleicht einen kleinen Plausch am Zaun zum Auslaufbereich der Hunde halten und vielleicht auch einmal mit Berthold und Khan reden, wie denn das Leben auf einer Pflegestelle so ist, denn die beiden haben ja lange zusammen auf einer Pflegestelle gelebt und sich dort kennengelernt.
Ich glaube, es gibt hier doch einige Themen, die auch mich noch interessieren und die vielleicht einmal erzählt werden sollten.
Mein Ehrgeiz ist geweckt.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und ... vergessen Sie uns nicht.
Ihre
Sissi