Mit Gisela Erstürmung der Weißeritztalbahn im Mai 1993 um 17:50 Uhr in Freital-Hainsberg
Damals war für die kleine Bahn die Welt noch in Ordnung. Sie gehörte zwar schon der Deutschen Bahn AG aber an eine Stilllegung der Strecke dachte noch niemand. Die Tage gingen ruhig dahin wie seit dem 30.10.1882, als die Strecke eingeweiht wurde. Sie hatte zwei Kriege, das Kaiser Reich, die Weimarer Republik, das tausendjährige Reich, die DDR und auch die Einstellungswelle, die bis zu Beginn der 70er Jahre dauerte und viele sächsische Schmalspurstrecken ereilte, überstanden.
Honecker war in Südamerika gut aufgehoben und hatte leider eine Bahnangestellte in dem kleinen Bahnhof Freital-Hainsberg vergessen mitzunehmen. Das hatte ich ihr auch gesagt. Allerdings erst, nachdem sie mich angegriffen hatte, wir Wessis meinten, wenn wir kommen, müsste alles nach unserer Pfeife tanzen. Es war um 17:30 Uhr und ich wollte nur für meine Gruppe, bestehend aus fünfzig Personen Fahrkarten für die Weißeritztalbahn nach Kurort Kipsdorf. Abfahrt 17:58 Uhr. Die Dame meinte, soviel Zeit hätte sie nicht, um 50 Karten auszustellen, sie wolle schließlich pünktlich Feierabend machen. Da es zur damaligen Zeit aber schon die DB war, wusste ich, dass man eine Gruppenkarte ausstellen kann. Sie wusste es anscheinend nicht. Der Ton wurde immer schärfer und 50 Wessis zogen den Kopf ein und bekamen Angst vor ihr!
Dem konnte ich nicht länger zuschauen. Ich hob meinen rechten Arm und schrie: „Attacke wir stürmen den Zug“ und bin einfach losgerannt durch die Unterführung im Bahnhof, hoffend dass meine Leute mitrennen. Wisst Ihr, wie sich das anhört wenn 100 Füße durch eine Unterführung rennen? Ein göttliches Geräusch! Und wir stürmten den Zug. Der Schaffner (damals hieß er auch noch Schaffner) stellte einen Sammelfahrschein aus, das dauerte noch keine fünf Minuten, und unsere Fahrt begann.
Ich, Gott sei Dank ganz in Schwarz gekleidet, stand auf der Plattform des ersten Wagens hinter der Lok. Ich kam mir vor wie Lenin, als er damals aus dem Exil in der Schweiz kommend, in Russland mit der Eisenbahn eingefahren ist. Dort blieb ich auch stehen bis zum Endpunkt Kurort Kipsdorf.
Nun beginnt aber erst mal die Fahrt, wie sie in unserer Zeit leider nicht mehr möglich ist. Weshalb später!
Die Weißeritztalbahn schnaufte von Freital-Hainsberg bis Kurort Kipsdorf über 26,3 km dahin. Dabei hatte sie einen Höhenunterschied von 350 m überwunden und 34 Brücken überquert. Bis 1905 bestand im Rabenauer Grund sogar ein Tunnel. Eine Lok 99606 von 1916 und zwar eine IVK war noch im Einsatz. Sie hat 15 Bar Kesseldruck und ca. 210 PS. Man sah sie ab und zu noch vor Arbeitszügen.
Wir sahen rechts die Talsperre Malter. Sie bietet Bade-Möglichkeiten und einen Campingplatz. Die Sperrmauer ist 34 m hoch und 193 m lang, das Wasser ca. 28 m tief. Fast neun Millionen Kubikmeter werden davon auf einer Fläche von ungefähr 85 ha gestaut. Die Trasse der Schmalspurbahn lief an der gesamten Längsseite des Sees entlang.
In Dippoldiswalde musste die Lok an den Wasserkran, wie in den Wild-West-Filmen. Die Stadt ist sehenswert mit ihren Renaissancehäuser am Markt und dem großen freistehenden Rathaus aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erneuerte Schloss besitzt reiche Ornamentik. Die Nikolaikirche stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und ist turmlos.
In Schmiedeberg fuhr der Zug auf einem 200 m langen Viadukt über die Dächer der Häuser.
Nach 1 ½ Stunden Fahrt kamen wir in Kurort Kipsdorf an, das an der Roten Weißeritz liegt und Endpunkt der Schmalspurbahn war und wieder werden soll. Der Ort ist heute ein vielbesuchter Urlaubsort und Ausgangspunkt für Wanderungen in die Umgebung.
Damals wartete Debby, meine Busfahrerin, mit dem Bus auf uns. Als sie mich sah sagte sie entsetzt: „so kommst Du mir nicht in meinen Bus“! Ich wusste nicht wie ich aussah und meine Leute fanden mich nach der Eroberungsaktion normal. Debby blieb nichts anderes übrig, sie musste mich wieder in den Bus lassen. Dort sah ich im Spiegel die Ursache ihres Entsetzens: mein Gesicht war vom Ruß genau so schwarz wie mein Kleid. Egal! Ich bin ganz stolz mit meinem etwas seltsamen Aussehen im Hotel zur Rezeption und habe meinen Zimmerschlüssel verlangt. Die Damen dahinter gaben ihn mir wortlos. Ich sehe jetzt noch die Blicke vor mir und muss laut lachen.
Da ich nicht nur Reiseleiterin war, sondern auch bei dem Reiseveranstalter auf dem Büro arbeitete, hatte ich diese Bahnfahrt fortan fest ins Programm mit übernommen.
Am 12. und 13. August 2002 zerstörte ein Jahrhundert-Hochwasser die Gleisanlagen auf mehreren Streckenabschnitten. Eine Spendenaktion für den Wiederaufbau fand große Resonanz bei Eisenbahnfreunden in der ganzen Welt. So konnten zwei Teilabschnitte mit den Spendengeldern wieder aufgebaut und die ersten Sonderfahrten zwischen Seifersdorf und Dippoldiswalde durchgeführt werden. Erst 2007 konnte mit dem Wiederaufbau begonnen werden. Am 13.12.2008 wurde der Teilabschnitt zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde in Betrieb genommen. Nach dem kompletten Wiederaufbau wird die älteste öffentliche Schmalspurbahn Deutschlands wieder dem Personen-Nahverkehr und als Touristenattraktion dienen und drei wunderschöne Naherholungsgebiete, das Osterzgebirge, die Talsperre Malter und den wildromantischen Rabenauer Grund miteinander verbinden.
Sie wird damit wieder eine der schönsten Strecken Europas.
Bürgerreporter:in:Gisela Görgens aus Quedlinburg |
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