Sebastian Heinzel Film zum 8. Mai
Vom Krieg in mir zum Frieden in Allen
Heinrich Böll sagte zum 08. Mai: Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie ihn als Tag der Niederlage oder der Befreiung bezeichnen.
2024 bot die Brennessel, das legendäre Programmkino in Hemsbach an der Bergstraße, eine ganz besondere Möglichkeit, sich mit diesem Tag auseinandersetzen zu können: die Aufführung des Filmes der Krieg in mir von Sebastian Heinzel.
Im Februar 1979 in Kassel geboren ist Sebastian Heinzel ein typisches Enkelkind der 2. Weltkriegs-Generation.
Dem Fleiß der Wiederaufbau-Generation entsprechend waren seine Eltern berufstätig und selbst die Oma, welche eigentlich die Betreuung eines weiteren Enkelkinds zugesagt hatte, stand selbst wieder in Lohn und Brot: so wurde der Opa zur zentralen Person.
Er mochte den Winter nicht, da ihn der Schnee an Russland erinnerte und wurde dennoch immer wieder mit der Enkelfrage konfrontiert: Opa erzählt mir vom Krieg.
Neben den wenigen – der Opa verstarb 1989 – daraus resultierenden Informationen plagten den Heranwachsenden immer wieder Träume vom Krieg.
Filmemacher und Familienvater, Waldläufer und Freidenker, Workshopleiter und Kulturschaffender, seit über zwanzig Jahren Regisseur, Autor und Produzent: jeweils mit der Intention, in seinen Filmen und seiner Arbeit als persönlicher Prozessbegleiter, mehr Bewusstsein zu schaffen für Selbstwahrnehmung und die eigene Kreativität, ist die Selbstdarstellung.
Was also lag näher, als diesen Träumen nachzuspüren und neben einem tief bewegenden Film auch der eigenen Trauma-Heilung näher zu kommen, der Anderer eine Basis zu ebenen?
2017 – noch Niemand hatte eine Befürchtung hinsichtlich der jetzt die Welt prägenden Situation – begannen die Arbeiten, am 05. März 2020 war der Kinostart.
Die Träume setze Igor Shin Moromisato mehr, als nur gekonnt und eindrucksvoll, in Animationen um, mit denen der Film beginnt und endet, wie gelungene Zwischenmomente erfährt.
Recherchen in Archiven und vor Ort: im von den Träumen bekannten Weißrussland, wo der Opa im Kriegseinsatz war, brachten viele individuelle Aspekte ins Bewusstsein, die zum besseren Verständnis führten und auch die zwischen ihm und Opa stehende Sohn-Generation bewegten, sich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen, die Beziehungen enger werden zu lassen.
Die angetroffenen Zeitzeugen hatten schlimmste Erlebnisse mit den Deutschen und waren dennoch in unglaublicher Offenheut und Freundlichkeit zugewandt, verloren sich nicht in Schuldzuweisungen, sahen ihre Peiniger weniger als Täter, denn als Opfer von Zeit und System.
Von der vaterlosen Gesellschaft ist hin und wieder zu hören, ohne dass es wirklich ins Bewusstsein, gar Bestimmen von Handlungsverläufe gelangt.
Der 1937 erschienene John Steinbeck Klassiker Von Mäusen und Menschen: die Erzählung, wie im krisengeschüttelten Amerika der 1930er-Jahre Träume von einem besseren Leben zerbrechen, das gnadenlos angewandte Recht des Stärkeren in Zeiten der Weltwirtschaftskrise seelische Verwüstungen hinterlässt, kommt in Erinnerung, wenn Studien zur Epigenetik in die
Recherchen einfließen, denn Mäuse sind dabei den Menschen ähnlich Probanden.
Auf welche Weise einschneidende kollektive Ereignisse wie Krieg, Flucht, Vertreibung und Völkermord bis in die zweite und dritte Generation hineinreichen, zeigt erschreckendst auf, welche Verbrecher die heutigen an Profitgier orientierten Kriegstreiber sind.
Neue Forschungen geben Hinweise darauf, dass enorme Stresserfahrungen das Erbgut verändern. Es sind bahnbrechende Erkenntnisse, die deutlich machen, welches Erbe die sich dazu nicht selten um ihre Eltern kümmernde Folge-Generationen, auf ihren Schultern tragen: oftmals ohne sich bewusst zu sein, dass neben den biologischen auch kulturele Faktoren das Erbgeschehen dramatisch beeinflussen.
Der Film erzählt ohne jeden erhobenen Zeigefinger in jeder Sekunde absolut authentisch von den langfristigen Folgen des Krieges und der Bedeutung, sich mit ihnen zu beschäftigen, damit die Weitergabe durchbrochen und Heilung und Versöhnung möglich werden können.
Dass aus dem Krieg in mir der Frieden in uns Allen wird ist der Anspruch, den wir all Jenen entgegenhalten müssen, welche Nichts, aber auch wirklich Nichts dazu gelernt haben und entgegen der Realität in absoluter Verantwortungslosigkeit eine neue Tragödie nicht nur billigend in Kauf nehmen, sondern geradezu heraufbeschwören.
Es ist wie mit dem NS-Regime: ein nochmals Nichts gewusst, Nichts gesehen haben wollen, gibt es nicht, das solidarische Handeln des Souveräns in seinen ureigendsten Interessen ist auch hier die einzige wirkliche Lösung. Sie sollte – nein sie muss uns den Weg dorthin Wert sein!
Erich Neumann, freier investigativer Journalist www.cmp-medien.de
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© Bild: www.cmp-medien.de CC – Sebastian Heinzel bei Textauswahl vor Filmplakat
© Bild: www.cmp-medien.de CC – Sebastian Heinzel liest zur Einstimmung aus seinem gleichnamigem Buch
© Bild: www.cmp-medien.de CC – Sebastian Heinzel im Filmgespräch mit Besuchern
© Bild: www.cmp-medien.de CC – Relikt der Vergangenheit: Film-Projektor Oldtimer
© Bild: https://derkrieginmir.de CC – Film-Plakat Der Krieg in mir
© Bild: www.cmp-medien.de CC – Bücher- und DVD-Tisch Sebastian Heinzel
© Bild: www.br.de/br-fernsehen/sendungen/capriccio CC – Zitat Heinrich Böll zum 08. Mai
Bürgerreporter:in:Erich Neumann aus Kempten |
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