Geschichtliches aus Döhren-Wülfel: Auf dem Dachboden lagen Aktenordner der Wolle

1Zur 10000-Jahr-Feier 1983 erinnerte die St. Petri-Kirchengemeinde mit einer Ausstellung von Fotos von Wolle-Zwangsarbeitern an ein dunkles Kapietel der Döhrener Geschichte.
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Es klingt fast wie im Märchen: Ein Künstler auf der Suche nach einem Atelier entdeckt in einer Dachkammer einen Schatz. Der Künstler heißt Hans Hörmann und der Dachboden liegt in der Südstadt. Rund sieben Tonnen Papier fand Hörmann dort. Durch Zufall war er auf ein altes vergessenes Aktenlager der Döhrener Wollwäscherei- und Kämmerei AG gestoßen. Unter den Unmengen von Altpapier lagen 762 Karteikarten. Die Personalabteilung der Wolle hatte dort Daten über „ihre“ Fremdarbeiter aus den Jahren 1940 bis 1945 festgehalten und jeweils mit einem Paßbild versehen. Männer, Frauen und Kinder blicken auf diesen Fotos stumm den Betrachter an. Aus allen Teilen Europas, überwiegend jedoch aus Polen und der Sowjetunion waren sie von den NS-Machthabern als billige Arbeitssklaven noch Döhren verschleppt worden. Zur 1000-Jahr-Feier-Döhrens 1983 machte die St. Petri-Kirchengemeinde diese Bilddokumente der Öffentlichkeit zugänglich und zeigte sie in einer Ausstellung (1).

Leben mußten diese Menschen in schäbigen Baracken. Die Unterkünfte befanden sich am Lindenhofe Nr. 30, 32 und 38, in der Richartzstr. 23, in der Willmerstr. 9 sowie in der Brückstr. 12, 24 und 25. Bei der Befreiung lebten in diesen Lagern noch etwa 660 Frauen, die 1942 aus der Ukraine zur Zwangsarbeit nach Döhren verschleppt wurden, aber auch italienische Militärinternierte (2). Anfangs durften die Zwangsarbeiter ihre Baracken - eine für Frauen, die andere für Männer - noch am Sonntag verlassen, später wurde ihnen auch das verboten. Die Ukrainer mußten ebenso wie die Polen ein Kennzeichen auf der Kleidung tragen. „Ost“ stand darauf. Die Arbeit war schwer und die Verpflegung schlecht. Zum Teil sorgten die Aufseher dafür, daß die knappe Nahrung noch nicht einmal im vollen Umfang die Arbeiter erreichte. Ein Mann namens Renken fütterte lieber seine Hunde mit dem Brot, das den Zwangsarbeitern zugedacht war (3).

Den Alltag der unfreiwilligen Wolle-Arbeiter schilderte eine ukrainische Fremdarbeiterin so: „Als ich im achten Monat schwanger war, fiel mir die Arbeit sehr schwer. Ich mußte Säcke mit Kartoffeln oder verfaultem Kraut schleppen.“ Trotz Schwangerschaft mußten die Frauen bis zum letzten Tag arbeiten und am Tag nach der Geburt schon wieder. Manchmal wurde den Arbeiterinnen verboten, sich um ihre Kinder zu kümmern. „Nach kurzer Zeit wurde mein Kind krank, und ich fürchtete, daß es bald sterben würde, genau wie die Kinder der anderen Arbeiterinnen“, heißt es in dem Bericht einer russischen Frau. Die Arbeitszeit in der Küche dauerte von fünf Uhr in der früh bis fünf Uhr nachmittags. Es gab aber auch hilfsbereite deutsche Arbeiter. Die Chronisten berichten über den früheren Kommunisten Fritz Reske, der, wo er konnte, zu helfen suchte (4). Andere, wie ein gewisser Meister Furken, war jeder Anlaß zum Prügeln gut genug (5).

Anmerkungen:
1) Bericht im Maschseeboten Ausgabe 11/83
2) Heimatgeschichtl. Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung, Bd. Niedersachsen II, S. 33
3) Wolter/Stadtmüller (Hgb), Die Wolle besteht in Döhren nicht mehr, S. 104ff
4) Hann. Stadtteil-Zeitung Süd v. 13.10.1983
5) Wolter/Stadtmüller, a.a.O.,S. 114

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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