Mit dem Fanzug zum DFB Pokalspiel in Halle/Saale

Plakat zum Spiel | Foto: HFC Homepage
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Schon als vor Wochen die Paarungen der ersten Runde im diesjährigen DFB Pokal ausgelost wurden und mit dem Halleschen FC der Gegener von Hannover 96 feststand, reifte in mir der Gedanke, dieses Spiel zu besuchen.
Einzige Bedingung: Der Einsatz eines günstigen Sonderzuges von Hanover nach Halle und zurück.
Nach dem Lesen von diversen Beiträgen im Internet stand fest: Es wird ein Sonderzug eingesetzt! Auf nach Halle.
Mit einiger Sorge (schon alle Karten vergriffen? wenn nicht - lange Warteschlangen vor dem Schalter? was kostet die Zugfahrt?) fuhr ich dann am zweiten Tag des Vorverkaufs zu dem für HSV 96 Auswärtsfahrten zuständigen Reisebüro und erblickte um kurz vor 09:00 knapp 20 Personen direkt vor dem noch geschlossenen Geschäft.
Na immerhin, ich war keiner Falschmeldung aufgesessen.
Die überwiegend männlichen Personen sahen nicht so aus, als ob sie alle extra früh aufgestanden waren nur um gerade heute ihre Urlaubsreise zu buchen.
Kaum hatte ich mich zu den Wartenden gesellt, da ging auch schon die Tür auf und wir wurden eingelassen - ich reihte mich artig hinten ein.
So weit ich es mitbekommen konnte, ging es den meisten vor mir aber überhaupt nicht um eine Eintrittskarte oder die Zugfahrt zum Pokalspiel sondern um Karten für die Auftaktbegegnung von Hannover 96 in der neuen Saison gegen Schalke.
Nicht mein Problem - gut so.
Etwa 20 Minuten später und 21,10 Euro ärmer war ich im Besitz der Eintrittskarte und einer umfunktionierten Fahrkarte, die durch Aufstempeln zum Ticket für den Fanzug wurde.

Auf der Homepage von Hannover 96 fand sich schon vor einigen Tagen folgender Eintrag:

Wichtige Mitteilung der Polizei Halle:
Die Polizei in Halle bittet Euch darum, Euch nach der Ankunft am Halleschen Bahnhof zu sammeln. Nach dem Okay der Beamten werdet Ihr dann zu Eurer eigenen Sicherheit geschlossen zum Stadion begleitet.

Das kann ja heiter werden ...

Samstag, 09.08.2008: Heute ging es per Sonderzug nach Halle zum DFB Pokalspiel gegen den Halleschen FC.
Gegen 10:00 erreichte ich nach kurzem Fußweg den HBF.
Wider Erwarten war es noch relativ ruhig, nur einige wenige Fußballfans, kaum Polizei und keinerlei Gegröhle.
Von Gleis 13 aus konnte ich unten auf einem Parkplatz einen Bus der Polizei erkennen. Er war wohl eben erst angekommen und jetzt waren die Einsatzkräfte dabei, ihre Schutzausrüstung anzulegen um sich dann auf den Weg in den Bahnhof zu machen. Ich dachte, sie würden mit dem Fanzug nach Halle fahren und unterwegs bzw. dann in Halle mithelfen, für Ruhe zu sorgen.
Wie ich dann aber bei meiner Rückkehr in die Bahnhofshalle erkennen konnte, war das falsch. Die Fahrt der Polizisten ging zwar auch nach Halle aber sie fuhren mit einem früher abfahrenden, regulären Zug.
Die Wartezeit wurde doch schon ziemlich lang, ich hätte gut auch später losgehen können.
Kurz vor 11 fuhr der Sonderzug ein, ich konnte gleich vorne im ersten Wagen einen Platz finden und etwa 10 Minuten später fuhren wir los.
Über Lehrte, Braunschweig und Magdeburg erreichten wir um kurz vor halb zwei Halle.
Schon auf dem Bahnsteig erwarteten uns die ersten Sicherheitskräfte und sorgten dafür, daß für alle Ankömmlinge nur eine Richtung offen blieb: weg vom Bahnsteig, nach unten durch eine Unterführung, weiter durch die Haupthalle und dann raus aus dem Bahnhof auf den Vorplatz.
Ich fragte eine Polizistin, wie wir die Strecke zum Stadion zurücklegen sollten. Ihre Antwort: Zu Fuß.
Ok, das konnte mich nicht schrecken, ich wollte mir aber lieber meine Unabhängigkeit bewahren und nicht im großen Tross zum Stadion geführt werden. So nutzte ich wieder einmal den Vorteil meines harmlosen Aussehens samt meiner neutralen Kleidung und schlenderte langsam immer weiter weg von den Wartenden und ihren Wächtern. Ich bekam zwar noch mit, daß aus den oben auf einem Einsatzfahrzeug montierten Lautsprechern Musik erklang (sollte wohl zur Beruhigung dienen) aber dann war ich auch schon in der nächsten Querstraße verschwunden und auf mich allein gestellt.
Normalerweise habe ich einen guten Orientierungssinn und da ich mir zuvor im Internet einen Überblick über die Strecke zwischen Bahnhof und Stadion verschafft hatte, war ich auch zuversichtlich, das Stadion zu finden.
Habe ich ja dann auch - aber erst nach zweimaligem Nachfragen.
Erst stimmte meine Laufrichtung nicht, dann wollte ich ganz auf Nummer Sicher gehen.
So erreichte ich kurz vor halb drei das KWS (Kurt-Wabbel-Stadion), allerdings genau im Bereich der harten HFC Fans. Nur Rote um mich herum.
Was tun? Harmlos wirken, nicht auffallen und leise den Weg zum Gästebereich suchen.
Die Kontrollen am Eingang fielen eher dürftig aus, nur einer von drei Ordnern fragte höflich, ob er mal einen Blick in meine Gürteltasche werfen dürfte.
Die anderen Zugfahrer waren noch nicht eingetroffen, dafür trudelten nach und nach einzeln angereiste Fans ein und als erst kurz vor Spielbeginn der langgezogene Trupp von Polizeifahrzeugen und den dahinter her laufenden HSV Fans eintraf, fiel mir auf, daß ich wohl intuitiv die richtige Entscheidung getroffen hatte und alleine losgezogen war. Wie ich hörte, hatte die Polizei den Rest der Fans noch lange vor dem Bahnhof festgehalten und war einen weiten Umweg gelaufen.
Der Gästeblock füllte sich, es blieb aber am Rand zu dem gesperrten Bereich genug Platz um sich zwischendurch mal die Beine zu vertreten.

Das Spiel?
Also, Hannover gewann 5:0, Tore durch Schlaudraff, Balitsch, Bruggink, Hanke und nochmal Bruggink.
Halle konnte Hannover nicht wirklich fordern, nächsten Samstag gegen Schalke muss sich die Mannschaft deutlich steigern.
Und trotz des deutliche Sieges erschien mir die Stimmung unter den HSV Fans heute irgendwie gedrückt zu sein, weder auf der Hinfahrt im Zug noch hier im Stadion schwappt die ganz große Begeisterung über.
Ich schreie sowieso nie mit, die Hannoveraner im Allgemeinen haben eh den Ruf, stur und weniger lustig zu sein aber hier und heute bemüht sich zwar der Zaunkönig mit seinem Megaphon um Stimmung aber außer vielleicht 200 harten Fans bleiben die meisten doch sehr ruhig.

Beim Stande von 0:4, etwa 10 Minuten vor dem regulären Ende der Partie, passiert dann das, was viele befürchtet, einige vorhergesagt und nur wenige gewollt hatten:
Aus Richtung des HFC Fanblocks stürmen ca. 50 junge Manner zu dem als Puffer gedachten, leeren Block zwischen den Fangruppen, überwanden den Trennzaun und taten so, als würden sie am liebsten in den HSV Block eindringen.
Es flogen wohl Flaschen, Steine, Sitzschalen und Fahnenstangen aus Plastik, mindestens ein HFC Fan wurde schwer am Kopf getroffen und auf dem Rasen zuerst von den Ärzten des HSV versorgt.
Die jugendlichen Ordner waren total überfordert, die Polizei erschien erst viel zu spät und rückte dann in den falschen Block ein.
Anstatt die Angreifer im HFC Block zu verfolgen, gingen sie in den Gästeblock sowie den Pufferblock, stellten hier wieder die Trennung her und die zwischenzeitlich für 10 Minuten unterbrochene Partie konnte beendet werden.

Unverständlich, warum bei all den vorzeitigen Warnungen und Befürchtungen nicht auch nur 10 Beamte im leeren Block zwischen den Fans gestanden haben. Dann hätte es zumindest direkt im Stadion nicht gescheppert.

Es gab das Gerücht, die Polizei würde die Fans nach Spielende im Block festhalten um ein Treffen mit den gegnerischen Anhängern zu verhindern.
Ersteinmal stimmte das so nicht denn man ließ uns aus dem Block auf die Straße.
Hier erlebte ich dann eine Lektion in Sachen Führen und Folgen: Nachdem sich der offensichtlich harte Kern der HSV Hools gesammelt hatte, ging man los, die Straße hinauf in Richtung der nächsten Kreuzung. Ein Anführer/der Anführer rief laut dazu auf, in "geschlossenen Reihen, in Formation" zu bleiben. Ein jüngerer, wohl übermotivierter Mitläufer hielt sich nicht genau genug an diese Vorgaben und bekam erst lauthals und dann noch per heftiger Ohrfeige vom Anführer verdeutlicht, wo sein Platz war: Nicht vorne neben dem Anführer sondern etwas weiter hinten in der Gruppe.
Anscheinend wollte man die Polizeikette an der Kreuzung überrennen denn die Gangart wurde schneller bis hin zu leichtem Laufschritt.
Trotzdem wurde der Versuch an der Absperrung gestoppt und dann ging einer der "Alten" wohl durch einen gezielten Hieb oder Stoß mit dem Polizeistock zu Boden, lag für einige Minuten gekrümmt auf der Straße und wurde dann schließlich von zwei Beamten und zwei Fans zu einem der Polizeibusse getragen und wenig später vom eintreffenden Arzt versorgt.

Kurze Zeit später brach der Tross dann aber wirklich auf und über Umwege ging es - vorbei an vielen Schaulustigen in den Fenstern - zurück zum Bahnhof.
Fast pünktlich fuhr der Zug um kurz vor sieben los und nach etwa zweieinhalb Stunden waren wir wieder in Hannover.

Bürgerreporter:in:

Karsten Link aus Hannover-Mitte

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