Der russische Zar Peter Alexander I. kam nach Misburg
Wir haben bis jetzt über viele Höhen und Tiefen in der Geschichte unseres Ortes berichtet, erst über Mudisa, danach über die Mudzborgh und ab 1593 bis 1648 über ein Dorf Misburg, das im Fadenkreuz der langen Religionskriege stand. Wie jeder Ort in Deutschland mussten die Misburger unter den Schrecken der Kriege sehr leiden. Etwa zum Ende des 17. Jahrhunderts normalisierte sich das Leben in unserem Ort, so das sich Misburg endlich zu einem ruhigen Dorf entwickeln konnte.
Wir sind in Misburg des Jahres 1689 angekommen, die Anzahl der Einwohner wurde mit 122 angegeben (Siehe Chronik von Gerhard Stoffert, Klein Buchholz, 2006). Die Post zeigte Interesse an der Lage unseres Dorfes für die Planung der Poststrecke Hannover-Celle, aber auch für den Postverkehr nach Peine. Die Postkutsche machte einen kleinen Umweg über Misburg, wenn die Pferde ausgewechselt werden sollten. Sie brachte dann auch die Post für die Misburger mit. Dafür hatte die Post eine Pferdespannstation im Jahr 1689 in Misburg eingerichtet. dort wo später das Cafe Meyers Garten stand (auch die bekannte "Giftbude", stand später hier), heute steht hier das Hochhaus, Waldstrasse 1. Neben der Pferdespannstation war die Gaststätte „Dorfkrug“, wo sich die Postillionen und die Fahrgäste etwas erfrischen konnten solange die Pferde gewechselt wurden (aus dieser Zeit stammt das Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen"). Damals war hier der Oberhofmeister und Prinzenerzieher aus Hannover, Franz Ernst Freiherr von Platen tätig und er war gleichzeitig bis 1689 Generalpostmeister. Er hatte in seiner Zeit die Pferdespannstation der Post in Misburg in die neue Strategie des Postwesens eingebaut und den Vertrag mit dem Brinksitzer Rudolf Berend Kleber (Hof Nr. 17), genehmigt, danach wurde er Reichsgraf, Geheimrat und Premierminister des Kurfürsten Ernst-August von Hannover.
Der Misburger Wald, war besonders für seinen Holzbestand bekannt. Vor Jahren lieferte die Mudzborgh viel Holz für die Salinen in Lüneburg. Daher wurde er wirtschaftlich weiter gestaltet und aufgeforstet. Im Jahr 1701 wurde ein Forsthaus gebaut. Die Fundamente bestanden aus Steinen der alten Mudzborgh die auf dem „Steinbruchsfeld" noch lagerten. Dieses große Forsthaus, auch „Altes Forsthaus“ genannt, bedeutete viel Leben und Kultur in der Geschichte Misburgs. Das alte Forsthaus, das auch als Brinksitzerstelle gebaut wurde, war mit dem Förster Hermann Fischer im Jahr 1703 der erste Hausherr. Heute steht hier das Rathaus Misburg.
In Misburg begann eine neue Epoche in Frieden. Anfang des 18. Jahrhunderts ging es wirtschatftlich aufwärts. Vieh und Holz waren die Haupteinnahmen der Misburger Bauern.
Wir gehen wieder zurück ins Jahr 1689, die Postkutsche fuhr ab diesem Jahr von Hannover nach Celle durch das Misburger Gebiet über die Alte Peiner Heerstraße. Sie machte immer Halt in Misburg wenn es für die Dorfbewohner Post gab oder das die Pferde gewechselt werden mussten. Die Pferdespannstation der Postkutsche war damals der Hof Nr. 17, Meyers Garten, dort gab es einen großen Stall für die Pferde. Die Gastwirtschaft bzw. der Dorfkrug gehörte und wurde bewirtschaftet vom Brinksitzer Rudolf Berend Kleber. Nicht nur die gelben Postkutschen, die von Hannover nach Celle und zurück führten, machten in Misburg Halt, um die Pferde zu wechseln, auch die, die von Braunschweig über Peine Richtung Hannover kamen, machten Halt in Misburg.
Im Jahr 1698 trat Georg Ludwig die Regierung in Hannover an. Der geborene Herzog Georg Ludwig wurde am 28. Mai (Julianischer Kalender, am 7. Juni nach den gregorianischen Kalender, des Jahres 1660) im Leineschloss Hannover, Fürstentum Calenberg geboren. Im Jahr 1698 trat Georg Ludwig die Regierung in Hannover an, seine Mutter Kurfürstin-Wittwe Sophie, wurde im Jahr 1701 durch das englische Parlament mit dem „Act of Settlement" zur nächsten Thronfolge in der protestantischen Linie erklärt. Erst ihr Sohn Georg Ludwig bestieg im Jahr 1714 als König Georg I. den englischen Thron. Er wurde als König Georg I. von Grossbritannien und Irland gewählt und siedelte nach England über. Diese Personalunion zwischen Hannover und Grossbritannien bestand 123 Jahre lang.
Was ist eine Personalunion?:
„Unter Pesonalunion versteht man die Ausübung verschiedener nicht miteinander verbundener Ämter oder Funktionen durch dieselbe Person, nicht jedoch das von dieser Person etwaig beherrschte Gesamtgebiet. Eine Personalunion entsteht aus in der Person liegenden Gründen"
Im März des Jahres 1716, erhielt das idyllische Dorf Misburg einen hohen Besuch.
Am 7. Februar 1716, verlässt Zar Peter Alexander I., in Begleitung seiner Ärzte und einem großen Gefolge St. Petersburg im Richtung Westen. Diese Reise dauerte eineinhalb Jahre. Der Zar folgte dem Rat seiner Ärzte. Der Zar von Russland sollte an einer Kur in der Kurstadt Bad Pyrmont teilhaben, deshalb reiste er mit einem großen Hofstaat, Kutschen, Pferde und viele „Tscherwonzen" (russische Goldmünzen) durch das Deutsche Reich. Nach einer langen Reise kam er in dem Schloss der Welfen in Celle an und nach einem kurzen Aufenthalt reiste er weiter und wollte die Welfen in Hannover besuchen. Auf der Strecke Celle-Hannover mussten Pferde gewechselt werden und deshalb machte er einen Umweg über Misburg. Es war etwa Ende März als dieser unerwartete große Besuch nach Misburg kam. Es war kurz vor der Mittagszeit, die Bauern waren auf den Feldern oder mit den Vieh unterwegs, die Kinder in der Schule und deshalb war dieser große Besuch, einer der mächtigsten Herren in Europa, fast unbemerkt gewesen. Solange die Pferde versorgt und zum Teil gewechselt wurden, sind alle zusammen in den Dorfkrug gegangen um eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Erzählungen nach, wird folgendes berichtet:
Die Ärzte waren die ersten die aus den Kutschen gestiegen sind, sie gingen in den Dorfkrug hinein und suchten sofort den Wirt Rudolf Berend Kleber auf. Sie gaben ihm ein paar Münzen und sagten: „Gleich kommt der Zar von Russland herrein, es gibt hier kein Alkohol, der Zar ist krank, er darf nichts Alkoholisches trinken." Der Wirt war erstmal schockiert, mit so einem großen Besuch hatte er nie im Leben gerechnet. Kaum hatte er diesen Gedanken verarbeitet, da kam der Zar ins Wirtshaus, er schaute umher und entdeckte sofort den noch schockierten Wirt. Er ging mit langen Schritt auf ihn zu und sagte: „Bitte schenken sie mir etwas alkoholisches ein, mein Hals ist von der Fahrt voller Staub." „Mein Herr, wir haben zur Zeit keinen Alkohol im Laden, die Bauern trinken hier immer frische Milch und Wasser," meinte der Wirt. Der Zar von Russland wurde rot vor Wut und packte den Wirt am Kragen. „Hier wird getrunken was ich möchte und nichts anderes." Gott sei Dank kamen sofort die Ärzte und beruhigten diese bedrohliche Situation. Man könnte sich den Wirt vorstellen, der Zar war mit seinen stadtlichen 2,04 Meter Größe zur damaligen Zeit ein Riese, der Wirt Rudolf Berend Kleber kam vor lauter Angst ins Schwitzen.
Es dauerte etwa 3 bis 4 Stunden, dann waren die Pferde versorgt und zum Teil ausgewechselt, das gesamte Gefolge fuhr weiter nach Hannover, dort in dem Schloss Herrenhausen, wurde der Zar Peter Alexander I., von den Welfen erwartet. Für wenige Stunden erlebte das kleine und ruhige Dorf Misburg mit diesem Besuch einen historischen Augenblick, seitdem die Festung Mudzborgh ausgedient hatte.
Nach einem 3-tägigen Aufenthalt in Hannover fuhr der Zar von Russland weiter zur Kurstadt Bad Pyrmont. Krankheitsbedingt und auf Rat der Ärzte sollte er hier kuriert werden. Die Erkrankung der Leber und Gallenwege mussten behandelt werden. Diese Krankheit erzeugte große Virenkoliken und Fieber. Ursache der Erkrankung war eine große Erschöpfung durch die Strapazen der Feldzüge, Sorgen und Überarbeitung. Das hatten seine eigenen Ärzte und betraute Personen diagnostiert und das alles führte dazu, dass er in der letzten Zeit mit einem hohen Alkoholkonsum versuchte seine Sorgen zu behandeln. Es ist aber bekannt, dass mit Alkohol Sorgen nicht zu bekämpfen sind, wenn der Suff vorbei ist, sind die Sorgen noch schlimmer. Bis Ende Juni war der Zar von Russland als Kurgast in Bad Pyrmont, diese Kur tat ihm wirklich gut, 600 Flaschen Pyrmonter Wasser nahm er bei seiner Abreise mit.
Streitigkeiten um die Grenzen der Dörfer und die dazu gehörenden Wiesen und Wälder, waren ab den 18. Jahrhundert gang und gebe.
Als der Kurfürst Georg Ludwig von Hannover im Jahr 1714 König von England wurde, gab es zwischen Misburg und Ahlten heftige Streitigkeiten um den „Gerechtsamen Wald". Im Jahr 1744 gehörte das Dorf Misburg zum Amt Koldingen. Um die Grenzen des Misburger Waldes von den Streitigkeiten abzuhalten, wurde die Waldgrenze mit Grenzdemarkationen vollzogen. Das Amt Koldingen setzte eine lange Reihe von Grenzsteinen als Markierung an der Grenze des Misburger und Ahltener Waldes. Die meisten dieser Steine aus dem Jahr 1744, stehen heute noch an der selben Stelle.
Auch um gesetzten Grenzmarkierungen in der Allmende (Demarkationen) für Weidewiesen und Felder gab es in der Geschichte der Dörfer öfters Differenzen (Meinungsverschiedenheiten) die immer wieder zu heftigen Streitigkeiten führten. So eskalierte im Jahr 1750 ein großer Streit zwischen Misburg und Buchholz. Ein Streit zwischen den Viehbesitzern von Misburg und Großbuchholz in der Nutzung der Gemeinschaftsweide. Nach dem Hude- und Weiderezess aus dem Jahr 1529 wurden diese Angelegenheiten geregelt. In diesem Fall war die Grenzmarkierung eine alte Eiche. Von Seiten der Misburger wurde diese Grenzmarkierung nie richtig anerkannt. In Zeiten der Festung Mudzborgh gab es einen solchen Streit nicht. Eines Tages im Jahr 1750, war die Grenzeiche plötzlich verschwunden. Der Misburger Vollmeier Heinrich Christoph Knauer, ein einflussreicher wohlhabender Mann, hatte die Nase voll von diesem nachbarlichen Streit der dann schließlich darin gipfelte, das er aus lauter Wut seine Ochsengespanne und Bediensteten zur Grenzeiche beförderte, um diese heilige Eiche samt Wurzelwerk aus dem Boden zu reißen.
Diese Tat bezeichneten die Buchholzer (noch heute) als die Freveltat eines Misburger.
Der Rat der Stadt Hannover war geschockt und machtlos gegen diese Freveltat anzugehen, da der Misburger Vollmeier sehr mächtig und reich war. Er hatte viele Besitzungen in Hannover. Fast die gesamte Leinemasch und mehrere Häuser am Ägidientorplatz waren sein Eigentum. Der Rat der Stadt suchte und fand ein Kompromiss, um die Gemüter zu beruhigen und fertigte einen Grenzstein, den sogenannten Schnedestein, der anstelle der entwurzelten Eiche künftig die Grenze der Gemeinschaftsweide erneut regelte.
Der Runde Stein mit den Maßen von 42 cm Durchmesser und 89 cm Höhe, trug folgende Inschrift:
„- HANNOVERSCHE-HUED-UND-WEYDE-SCHNEDE-AN-STATT-DES-HEILIGEN-BAUMS GESETZT- MDCCL"
(diese Römische Zahl steht für 1750)
Der Hude- und Weidegrenzstein der anstatt der heiligen Grenzeiche gesetzt wurde, ist ein historischer Zeuge der Geschichte Misburgs und Buchholz und steht heute im Hermann-Lönspark, dort wo er nichts zu suchen hat. Der Grenzstein wurde von der Stadt Hannover einfach entführt.
Diese strittige Geschichte ging weiter. 29 Jahre später gab es wieder eine große Aufregung, diesmal ohne Beteiligung der „bösen Misburger“. Der hannoversche Fuhrmann „Pepper" hatte den Grenzstein ausgegraben, aufgeladen und zum Pferdeturm in Hannover gebracht und dort aufgestellt. Die Bürger von Misburg und Buchholz waren wütend und dachten, er hätte eigenmächtig gehandelt. Doch der Rat der Stadt Hannover verkündete bald darauf, dass dieser Fuhrmann auf Befehl des Rates gehandelt hatte, denn bereits drei Jahre vorher war der Rezess aufgehoben worden. Danach hatte der Grenzstein seine Funktionen verloren, da die Stadt Hannover bereits 1776 das alleinige Verfügungsrecht über die Landfläche erhielt. Auf dieser Landfläche die davor als Nutzungsfläche der Viehhalter aus Misburg und Buchholz gewesen war, ist später der Stadtteil Kleefeld/Roderbruch entstanden.
Der historische und ursprüngliche Standort des Hude- und Weidestein, ist die Grenze Misburgs zu Großbuchholz, dort wo heute die Schierholzstrasse auf der westlichen Mündung der Böllnäser Strasse zusammenkommen. Heute steht der Grenzstein, obwohl er ein Denkmal von großer Bedeutung für Misburg und Buchholz aus den Jahr 1750 ist, einfach verlassen und gammelt dahin in einer Ecke neben der restaurierten Alten Mühle. Am Hermann-Löns Park hat die Geschichte beider Nachbardörfer nichts zu suchen, der Grenzstein muss zurückgeführt werden an den Ort wo er mit dem Volk und dem Boden verwachsen ist.
Seit 2013 versucht die Bruderschaft der Mudzborgh den Grenzstein nach Misburg zurück zu holen. Sie hat sich an den Bezirksrat Misburg-Anderten gewandt mit der Bitte dieses Denkmal nach dem niedersächsischen Denkmalgesetz an seinen historischen Standort zurück zu versetzen. Bis heute, seit mehr als 5 Jahren, wurde dieser Bitte nicht nachgegangen, mehrere Briefe wurden von uns an die Stadt Hannover und an den Präsidenten des niedersächsischen Landtags geschrieben. Der Hude- und Weidestein steht immer noch dort wo er nicht hingehört. Ich, Juan Carlos Blanco Varela gebe hier meine persönliche Meinung dazu: „In dieser Frage wurde hier Kulturraub begangen".
In dem nächsten Bericht Teil 22, werden wir weiter über das „Alte Forsthaus" berichten, als Anfang des 19. Jahrhunderts in der Zeit der Familie von Beaulieu-Marconnay und besonders die Gräfin von Egloffstein und ihre schönen Töchter Julie, Caroline und Auguste in unserem bis dahin müden Dorf Misburg ab 1804 lebten. Auch als die Försterfamilie Cropp nach Misburg kam und der armen Bevölkerung Misburgs half. Ich, Juan Carlos Blanco Varela Historiker und Chronist, ein Spanier der 54 Jahre in Misburg gelebt hat, möchte mit der ganz wichtigen Unterstützung des Publizist Wolfgang Illmer, die Geschichte vom Ursprung bis zur Gegenwart der uralten Siedlung Misburg für die Nachkommenschaft erzählen. Das ist ein Beitrag für unseren geliebten Heimatort Mudisa, Mudzborgh, Misburg.