Jugendjahre in Linden Nord – Rundgang mit einem spät berufenen Schriftsteller
Sonnabend, 26. Mai 2018, 14 Uhr in einem Nebenraum der Bio-Bäckerei mit Café „Doppelkorn“, Limmerstraße 58.
Manfred Wassmann vom Internetportal „Lebensraum Linden“ begrüßt die Teilnehmer einer Veranstaltung, die als „Literarischer Rundgang“ angekündigt wurde.
Wenig später betritt er den Raum. Ein älterer Herr mit weißen Haaren, die im Bereich des Nackens länger sind und auf die Schultern fallen. Es ist
Günter Müller
, der sein Buch „Unvollständige Rückkehr an vergangene Orte“ vorstellt und zu einem Rundgang einlädt, der Stätten berühren soll, die er in seiner Jugendzeit in den 1950-er Jahren häufig aufgesucht hatte.
Die Tour beginnt im Hinterhof des Veranstaltungsortes. Hier schließen im Jahr 1947 die Eltern des Schriftstellers mit dem Hauseigentümer Wucherpfennig einen Pachtvertrag ab. Bäckermeister Friedrich Müller und seine Frau werden stolze Inhaber einer Bäckerei. Müller, Jahrgang 1944, erzählt viele Episoden aus damaliger Zeit.
Von Fußballspielen und Rollschuhfahren auf dem betonierten Hof ist die Rede. Von einem Vater, der neben seiner Arbeit noch genügend Zeit übrig hat, um in umliegenden Gastwirtschaften so manch‘ Hochprozentiges zu konsumieren. Für Frau, Sohn und Tochter keine einfache Situation. Es kommt zu finanziellen Engpässen. 1957 gibt Friedrich Müller die Bäckerei, die in Linden Nord für ihr ausgezeichnetes Gersterbrot bekannt war, auf.
Die Familie zieht in die Fössestraße, hier auch baldige Räumung der Wohnung durch den Bau der Westtangente. Der Vater findet Arbeit als Bäcker in der Wülfeler Brotfabrik. Eine Erkrankung schreitet sehr schnell voran. Noch einmal Wechsel der Arbeitsstelle.
Er sollte nicht mehr lange leben.
Nach dem Verlassen des Hofes geht es noch ein kurzes Stückchen die Limmerstraße entlang, dann Einbiegen in die Pfarrlandstraße, weiter auf der Velvetstraße, an der Bennokirche vorbei, Abstecher zur Eichendorffschule (Hennigesstraße), ein kurzes Stück durch einen Park bis zum Ufer der Leine, danach über Pfarrlandplatz und Leinaustraße Rückkehr zum Ausgangspunkt.
Günter Müller unterbricht an vielen Standorten die Tour und liest entsprechende Passagen aus seinem Buch vor. 'Mal Heiteres, 'mal Besinnliches, 'mal aus seiner Sicht Erfreuliches und Unerfreuliches. Näheres ist in der umfangreichen Bilderstrecke am Ende des Beitrags zu erfahren.
Exemplarisch soll hier im „Haupttext“ nur noch von einem zweiten Standort berichtet werden. Die Teilnehmerschar steht an der Leine in Höhe des Faustgeländes, Müller blättert in seinem Buch, findet die richtige Seite, liest vor oder kramt in seinen Erinnerungen (freie (!) Wiedergabe):
„Hier war früher eine hölzerne Brücke, 1940 errichtet, 1946 zerstört, danach neu errichtet, 1959 abgerissen, wir Lindener Butjer brachten sie oft durch ruckartige Bewegungen zum Schwingen und Schwanken“, berichtet der Bäckersohn und fährt fort: „die Leinaubrücke führte zu den Herrenhäuser Gärten und weiter zum Ausflugslokal „Dornröschen", das kürzlich wieder eröffnet wurde. 1954 saßen meine Mutter und ich im gemütlichen Kaffeegarten und hörten die legendäre Rundfunk-Reportage vom Fußball-Weltmeisterschafts-Endspiel in Bern. Wir wurden Weltmeister und in mir reifte der Gedanke, ein „richtiger“ Fußballspieler zu werden und in einen Verein einzutreten. Meine Mutter reagierte verhalten ob des Wunsches, schließlich fehlte das Geld an allen Ecken und Enden. Erst als ich ihr verriet, dass ein Weltmeister von Bern auch bei Linden 07 gespielt habe, gab sie nach und meldete mich beim Verein „Linden 07“ an. Trikot und Stutzen kaufte ich von meinem Taschengeld, gebrauchte Fußballschuhe bekam ich geschenkt“.
Der Berichterstatter ist von der klaren Sprache des Schriftstellers tief beeindruckt. Nichts wurde verfälscht wiedergegeben. Günter Müller spricht alles in großer Offenheit an. So, vermutlich nur so, kann man auch negative Kindheitserlebnisse gut verarbeiten.
Bürgerreporter:in:Bernd Sperlich aus Hannover-Bothfeld |
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