Wo Hannover noch Dorf ist: Alte Bauernhäuser im Osten der Stadt

Bauernhäuser in Groß-Buchholz
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Mitten in der Großstadt Hannover gibt es ein Dorf. Wer durch den Kapellenbrink in Groß Buchholz geht, fühlt sich um viele Jahrzehnte zurückversetzt. Knorrige große Bäume spenden Schatten, durch das Geäst lugt Fachwerk hervor. So beginnt ein Text, den ich vor fast 27 Jahren zu den alten Bauernhäusern im Stadtgebiet verfasste. Diesen Bericht stelle ich jetzt hier auf myHeimat im Rahmen einer Mini-Serie vor. Im hier vorliegenden vierten und letzten Teil geht es um das östliche Stadtgebiet. Ob noch alle 1992 genannten Bauernhäuser vorhanden sind, habe ich nicht kontrolliert. Der damalige Text soll weitgehend in der ursprünglichen Fassung erscheinen. Schön wäre es indes, wenn MyHeimatler aus Hannover vielleicht einmal vor ihrer Haustür nachschauten und aktuelle Informationen und Ergänzungen dann als Kommentar zu diesem Bericht veröffentlichen würden.

Der alte Buchholzer Dorfkern ist jedoch die Ausnahme. In der Regel haben die Stadtteile nach der Eingemeindung ihr dörfliches Gesicht verloren. Oftmals bereiteten Bagger und Fallbirne dem Fachwerk aus Großvaters Zeiten ein rasches Ende.

Selbst Groß-Buchholz blieb nicht verschont. So verschwand 1988 ein jahrhundertealtes Gebäude in der Silberstraße 12, das wohl in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Altenteiler erbaut wurde. Ein Supermarkt beanspruchte den Platz des Bauernhauses. Über 1200 Buchholzer setzten sich mit ihren Unterschriften für das geschichtsträchtige Baudenkmal ein. Doch der Eigentümer pochte auf die Ausnahmevorschrift der „wirtschaftlichen Unzumutbarkeit“ im Denkmalschutzgesetz. Die Stadt genehmigte daraufhin den Abriss. Der Stadtteil bietet aber auch positive Beispiele für den Umgang mit der Vergangenheit. Ein Raseneisensteinhaus aus dem Jahr 1823 wurde ebenso wieder instand gesetzt wie der Bauernhof Pieper und die Hofanlage Giesecke an der Groß-Buchholzer Straße 9/9a.

Zum Hof Giesecke dürfte das älteste Bauernhaus in Hannover gehören. Das Innengerüst des Wirtschaftsteiles vom Haupthaus wird auf das Jahr 1581 datiert. Vor Jahren war daher schon im Gespräch, aus der Hofstelle ein Freilichtmuseum zu machen. Nur wenig jünger ist ein Zweiständerbau am Pinkenburger Gang 7. 1619 bauten die Zimmermänner hier das Fachwerkgerüst für einen Brinksitzer zusammen. Das Bauernhaus hat viel mitmachen müssen. Wahrscheinlich diente es im 30jährigen Krieg Soldaten als Unterkunft und die „Windsbraut“, ein Wirbelsturm, der am 17. September 1830 durch Groß-Buchholz fegte, brach einen vorkragenden Giebel ab. Der Weg des von Nordwesten kommenden Unheils – 16 Wohnhäuser und 20 Nebengebäude fielen in Buchholz der Windbraut zum Opfer – lässt sich an den Inschriften der 1831 wiederaufgebauten Häuser Kapellenbrink 5/7, 9/11, 13/15 sowie Groß Buchholzer Kirchweg 70 und 72 noch heute verfolgen.

Den kleineren Bruder von Groß-Buchholz auf der anderen Seite des Mittellandkanals hat es was den Erhalt von Bauernhäusern betrifft weitaus ärger getroffen. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts war in Klein-Buchholz die Landwirtschaft, wie es in einer alten Schrift heißt, „noch in ziemlichen Umfange vorhanden“. Doch außer dem alten Wegesystem haben sich nur wenige Reste von einstigen Vollmeiergehöften im Bereich der Straße „Im Heidkampe“ erhalten.

Von den 1781 erwähnten fünf Hofstellen im kleinen Dorf Lahe überlebten ebenfalls nur wenige Zeugen aus längst vergangenen Tagen den Wandel zur Stadt. Im Klinkenkape 1c findet sich noch ein sogenanntes Leibzuchthaus. Der Altenteilerbau wird auf das Jahr 1773 datiert. Einen Steinwurf entfernt steht ein kleines, schon arg mitgenommenes Vierständerhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Auch im angrenzenden Stadtteil Bothfeld machte die Stadt bei der Pflege der bäuerlichen Baukultur nicht immer eine gute Figur. „Ein Wortbruch, eine ganz unglückliche Geschichte“ nannte 1987 ein Mitarbeiter vom städtischen Bauamt ein Ereignis, das Schlagzeilen machte. Der Bauernhof Wedemeyer sollte versetzt werden, aus der Aktion wurde ein Abriss. Trotz derartiger Rückschläge lässt sich an der überkommenden Bausubstanz aber noch die ringförmige Anlage des Dorfes erkennen. Ein Flurname verrät den Grund für die große Freifläche innerhalb des Dorfkreises. Die Bezeichnung „Im Moorkamp“ deutet auf ein Sumpfgelände hin, das offenbar nicht bebaut werden konnte.
Währen in Bothfeld immerhin noch eine ganze Reihe von Fachwerkhäusern an die Wohn- und Wirtschaftskultur der einstigen Bauern erinnern, sind den Nachgeborenen in der List nur einige wenige Relikte des 1304 urkundlich erwähnten Dorfes geblieben. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte die Auflösung der überkommenden Dorfstrukturen ein. Reste ehemaliger Hofstellen finden sich noch an der Höfestraße 6 und der Wöhlerstraße 34. Auch ein Wohnwirtschaftsgebäude aus dem späten 18. Jahrhundert an der Waldstraße 18 hat trotz Umbauten sein äußeres Bild gewahrt. Dieses Baudenkmal wollte die Telekom als Eigentümerin beseitigen lassen. Nach Protesten zog das Unternehmen aber den Abrissantrag zurück.

Kleefeld ist nie ein Dorf gewesen. Der Rat der Stadt Hannover ließ zwar nach 1776 hier drei Gehöfte erbauen, die aber längst verschwunden sind. Die im Hermann-Löns-Park auf Spaziergänger warteten Gebäude wurden dort erst in den Jahren 1938/39 zusammengetragen. Das 1720 erbaute allenhaus holte man aus Wettmar, den ein Jahr später aufgestellten Speicher errichteten Zimmerleute erstmals 1637 in Eystrup.

Noch bevor Misburg Teil der Landeshauptstadt wurde, war der Ort bereits eine große Industriestadt. So brachte Misburg dann auch kaum noch ein bäuerliches Erbteil in das Stadtbild Hannovers ein. Auf der Liste der Baudenkmale steht lediglich ein ein großer Vierständerbau, der 1722 an der Anderter Straße erbaut wurde. Die wenigen anderen dörflichen Fachwerkreste gelten nicht mehr als denkmalwürdig.

Anderten konnte hingegen mehr Erinnerungsstücke aus Großvaters Tagen in die heutige Zeit hinüberretten. Etwa das Wohnwirtschaftsgebäude Pumpstraße 2 oder das Haus "An der Schafbahn 3". Dort entdeckten die Experten vom Landesamt für Denkmalpflege eine besondere Kostbarkeit.Es ist das einzige Objekt in Hannover mit einem zweistöckig abgezimmerten Wirtschaftsteil, heißt es in der hannoverschen Denkmaltopografie.

Doch nicht nur die vordringende Stadt beendete die hohe Zeit der alten Fachwerkkunst. Der neue Reichtum der Bauern schlug sich von 1850 an nun auch in den Architekturformen nieder. Wer es sich leisten konnte, wollte nicht mehr in den Häusern der Vorväter leben. Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichteten die Hofbesitzer nun getrennt, die Wohnhäuser bekamen einen städtischen Charakter. Beispiele dafür gibt es vor allem in Anderten, wie das Haus Gollstraße 19 (1859) oder das Wohngebäude Freidingstraße 4 von 1895.

Soweit der Bericht aus dem Jahr 1992.

Mehr lesen?

Hier geht es zum Bericht über alte Bauernhäuser im Süden von Hannover

Hier geht es zum Bericht über alte Bauernhäuser im Westen von Hannover

Wo Hannover noch Dorf ist: Alte Bauernhäuser im Norden der Stadt

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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