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Serie Fotorecht: Wenn man durch Zufall mit aufs Pressefoto gerät

  • Weitere Folge der Serie zum Fotorecht.
  • hochgeladen von Jens Schade

Andere Menschen zu fotografieren kann zu einem gefährlichen juristischen Abenteuer werden. Besonders seit den 90ger Jahren ist in Deutschland eine immer strengere Rechtsprechung zu verzeichnen, die zu Gunsten des fotografisch Abgebildeten und zu Lasten des Fotografen geht. Stichwort: das sogenannte von Juristen erfundene „allgemeine Persönlichkeitsrecht“. Wir hatten uns im Rahmen dieser kleinen Serie zum Thema Fotorecht ja schon häufiger mit der „Menschenfotografie“ beschäftigt. Nun bin ich auf ein weiteres aktuelles Urteil gestoßen, das Licht auf eine weitere Variante der unzähligen rechtlichen Probleme wirft.

Nehmen wir an, wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort und kommen bei einem Pressefoto mit aufs Bild. Okay, vielen von uns wird das egal sein, andere freuen sich vielleicht sogar darüber, ihr Bild in der Zeitung zu sehen, wenn auch nur im Hintergrund und ohne, dass sie mit dem berichteten Ereignis etwas zu tun haben. Aber vielleicht gibt es einige wenige, denen es nun gar nicht passt, zufälligerweise mit abgelichtet zu werden und ihr Konterfei dann in der Presse wieder zu finden. Können Sie etwas gegen die Veröffentlichung eines solchen Fotos tun?

Den Begriff „Presse“ bitte ich jetzt nicht zu eng auszulegen. Auch Online-Medien - wie etwa myheimat – gehören dazu. Es kann also Myheimatlern, die per Bild über Ereignisse in ihrem Ort berichten, durchaus passieren, dass sie ebenfalls mit diesem Problem konfrontiert werden. Sie haben ein toller Foto von einer Veranstaltung und müssen sich nun fragen, ob sie diese klasse Aufnahme, die die Stimmung bei dem Ereignis so gut wiedergibt, auf myheimat überhaupt einstellen dürfen, nur weil da jemand im Hintergrund seinen Kopf mit ins Bild hält.

Wer die früheren Folgen zum Thema Personenfotografie verfolgt hat oder sich anderweitig ein bisschen mit dem Thema auskennt, wird nun schnell auf § 23 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) verweisen. Das ist ein uraltes Gesetz von 1907 und kreierte erstmals das „Recht am eigenen Bild“. Die plötzlichen Aktivitäten des damaligen Gesetzgebers hatten was mit frühen Paparazzos und der Person Bismarcks zu tun, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls gelten einige Paragraphen dieses Gesetzes auch heute noch, unter anderem eben der § 23. Dort ist in Absatz 1 unter der Nummer 2 geregelt, das auch ohne Einwilligung der fotografierten Personen Bilder von ihnen, auf denen sie nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen.

Alles klar, werden jetzt viele sagen. Personen, die nur zufällig irgendwo im Hintergrund mit aufs Bild geraten sind und mit der ganzen Sache nichts zu tun haben, sind doch in diesem Sinne nur „Beiwerk“. Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand. Richtig, aber wir sind hier bei der Juristerei. Zwar bin ich ebenfalls der Auffassung, dass die Vorschrift des § 23 KunstUrhG auf unseren Fall entsprechend anzuwenden ist und zu meiner Beruhigung haben es die erstinstanzlichen Richter am Landgerichts Karlsruhe ebenso gesehen (so ganz falsch liege ich also nicht). Doch die Juristen in der Berufungsinstanz beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe sahen die Sache leider dann doch ganz anders.

Zur Erinnerung: wir reden über Pressefotos, Bilder also, die Ereignisse darstellen. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn das Kunsturhebergesetz spricht ja nur von Beiwerk zu einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit, nicht etwa vom Beiwerk zu einer Darbietung eines Künstlers, eines Unfalls, einer Einweihung oder was es sonst noch für fotografierenswerten Ereignissen gibt. Nach meiner Ansicht - und die vom Landgericht Karlsruhe - kann man hier aber den § 23 KunstUrhG analog heranziehen, denn der Fall ist so ähnlich, dass die gesetzliche Wertung ebenfalls greift. Warum sollten Landschafts- und Städtefotografen anders und besser behandelt werden als Pressefotografen? Die OLG-Richter folgten dieser Argumentation jedoch nicht. In der Berufungsinstanz war die - ohne Einverständnis mitfotografierte – Klägerin zum großen Teil erfolgreich.

Worum ging es in dem Fall eigentlich genau? Objekt der fotografischen Begierde war in diesem Fall ein bekannter Fußballspieler, nennen wir ihn hier einmal „A“. Dieser A ist sicherlich eine absolute Person der Zeitgeschichte, die es sich oft gefallen lassen muss, fotografiert und abgebildet zu werden. Aber um diesen Fußballspieler geht es ja auch gar nicht.

Das Foto - sowohl in der Printausgabe einer Zeitung als auch auf den Onlineseiten veröffentlicht - zeigt unseren Nationalspieler an einem Strand auf Mallorca, wie er gerade vorbildlich Abfall in einem dafür vorgesehenen Behältnis entsorgt. Doch das Malheur für Fotograf und Verlag: Im Hintergrund des Bildes ist ein Badestrand zu sehen und dort sonnte sich die Klägerin erkennbar im lilafarbenen Bikini auf einer Strandliege. Wäre das Motiv jetzt der Strand an sich gewesen, wäre es ein Landschaftsfoto und die Bikini-Dame nur Beiwerk zur Landschaft im Sinne des KunstUrG. So aber war Motiv der Fußballspieler und Beiwerk zu einem Fußballspieler geht gar nicht.

Den Anlass für den Bericht über unseren Fußballprofi bildete der Umstand, dass er kurz zuvor Opfer einer auf Mallorca agierenden berüchtigten Rumänenbande geworden war. Die Zeitung schrieb dann zu dem Foto, dass Nationalspieler A ausgeraubt worden sei und unter der Schlagzeile „Sonne, Strand, Strauchdiebe“ - wurde dann weiter ausgeführt, dass A einen Tag zuvor noch in pikanter Frauen-Begleitung gesehen wurde. Was hat das mit der Bikini-Lady zu tun? Die Klägerin begründete ihre Klage damit, sie habe in mehreren Lokalen gearbeitet und sei von Personen - auch im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit - auf dieses Bild angesprochen worden. Teilweise hätten ihr Männer sogar Geld angeboten, um sich mit ihr zu treffen. Sie meinte, die Veröffentlichung des Bildes vom Fußballer mit ihr im Hintergrund verletze ihr Persönlichkeitsrecht.

Das erstinstanzliche Landgericht Karlsruhe wies die Klage der Frau ab. Da die Klägerin - ihre Identifizierbarkeit auf dem streitgegenständlichen Lichtbild unterstellt - lediglich als Beiwerk im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG zu qualifizieren sei und die Veröffentlichung damit ohne Einwilligung der Klägerin zulässig gewesen sei, liege eine Persönlichkeitsverletzung nicht vor. Die Bestimmung sei analog anwendbar, wenn die betreffende Person - wie hier - in zufälligem Zusammenhang mit Personen der Zeitgeschichte abgebildet werde.

Diese Entscheidung halte ich für richtig, leider aber die Richter der Berufungsinstanz nicht.

„Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung gemäß § 1004 BGB (= Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. d,. Verf.) i.V. mit § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG zu. Durch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos in der Printausgabe der B… hat die Beklagte zu 1 das Recht der Klägerin am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG) verletzt und durch diesen Verstoß zugleich in das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen“, heißt es nämlich in dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 14. Mai 2014 (Az. 6 U 55/13).

Eine Einwilligung der im Hintergrund mit abgelichteten Sonnenanbeterin im lilafarbenen Bikinis lag weder zur Aufnahme an sich und natürlich erst recht nicht zur Veröffentlichung vor. Richtig dürfte auch sein, dass es sich im Hinblick auf die Klägerin bei der streitigen Bild nicht um ein „Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ (das nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG ebenfalls ohne Einwilligung veröffentlicht werden darf) handelt. Denn für die Zeitgeschichte ist es völlig irrelevant, ob die Klägerin nun im lilafarbenen Bikini auf einer Liege am Strand von Mallorca lag oder nicht. Zwar zählt der Nationalspieler A durchaus als Person der Zeitgeschichte, aber, so die Richter, die Klägerin stehe in keinem Zusammenhang mit dem Fußballprofi und das, was ihm wiederfahren ist. Das Urteil: „Die Aufnahme zeigt die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört. Die Klägerin durfte die berechtigte Erwartung haben, nicht in den Medien abgebildet zu werden.“

Es spitzte sich mithin auch für das OLG also alles auf die Frage zu, ob § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG zugunsten des Fotografen - bzw. hier des verklagten Medienunternehmens - eingreift. Ob also die „Beiwerk“-Regelung auch dann gilt, wenn es sich nicht um ein Foto einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit handelt. Das OLG verneint im Gegensatz zum vorangehenden Landgericht die Frage und wendet diesen Paragraphen nicht analog auf den Fall der Klägerin an. Eine Regelungslücke im Gesetz, die dies rechtfertigen würde, läge nicht vor, argumentiert das Obergericht.

Was letztendlich die Richter der Berufungsinstanz veranlasst hat, die Rechtssache anders zu bewerten, als ihre Kollegen beim Landgericht, weiß ich nicht (Der Spruch „Auf hoher See und vor Gericht …“ hat durchaus einen wahren Kern). Wie gesagt, mit den Regeln der Jurisprudenz wäre, wenn man es gewollt hätte, auch das Gegenteil begründbar gewesen, wie das erstinstanzliche Urteil zeigt. Das die Entscheidung so und nicht anders gefaöllen ist, lag vielleicht an den Besonderheiten dieses Falles.

Die Klägerin trug nur einen Bikini (Huch - nackte Haut!) Für einen Badestrand sicherlich nicht ungewöhnlich. Vielleicht aber für eine Veröffentlichung doch etwas zu sexy. Denn wie heißt es in dem Urteil weiter, die Klägerin war „mit einem zweiteiligen Bikini bekleidet; auf dem Bild wendet sie dem Betrachter den Oberkörper zu. Dadurch wird ihre linke Brust dem Blick des Betrachters teilweise unbekleidet preisgegeben.“

Möglicherweise war aber auch ein anderer Umstand (mit-)ursächlich für die vom OLG ausgesprochene weitere juristische Einschränkung von Fotografenrechten, der mit dem eigentlichen Foto gar nichts zu tun hat. Denn um das Interesse eines größeren Publikums auf den Beitrag zu lenken, konnte der Journalist, der den Text zum Bild verfasste, sich den Hinweis nicht verkneifen, dass Fußballprofi A einen Tag zuvor noch in „pikanter Frauenbegleitung am Ballermann“ gesehen worden war. „Teile der Leserschaft könnten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte „pikante Frauenbegleitung“ handelt“, meinen deshalb die OLG-Richter.

Immerhin, mir ihrer Forderung nach Schadenersatz kam die Klägerin nicht durch. Das Urteil: „Nach den Gesamtumständen des Streitfalls rechtfertigt jedoch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht die Zahlung einer Geldentschädigung.“ So schwerwiegend sei der festgestellte Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nunmehr auch nicht gewesen. „Zwar ist die Klägerin durch die Darstellung im Bikini vergleichsweise intensiv in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass das Foto am Strand aufgenommen worden ist und die Klägerin situationsadäquat gekleidet war“, wird die insoweit erfolgte Klageabweisung begründet. Gleichwohl: Teuer ist der Prozess für das Medienunternehmen trotzdem geworden. Nun kann sich ein großer Verlag wohl solche Rechtsstreite leisten. Wird aber ein kleiner Hobbyfotograf, der auf myheimat berichtet, mit einem solchen Prozess überzogen, kann das schon arg das Haushaltsgeld strapazieren. Und ob Schadenersatz zu leisten ist oder nicht, ist eine Wertungsfrage im Einzelfall, die der eine Richter so, der andere Richter aber auch anders sehen kann.

Man könnte das Urteil des OLG Karlsruhe jetzt ebenfalls als Einzelfallentscheidung abhaken. Ober- und höchstrichterliche Entscheidungen werden indes gerne verallgemeinert. Juristen übertragen sie oft auf alle möglichen, vermeintlich ähnlich gelagerten Fälle. Das ist einfacher. erspart eigenes Nachdenken und sichert die Entscheidung gegenüber der Rechtsmittelinstanz ab. Schließlich ist man ja der obergerichtlichen Rechtsprechung gefolgt. Man kann nur hoffen, dass das OLG-Urteil eine solche Vorbildfunktion nicht erreichjt.

Die Entscheidung greift meines Erachtens zu arg in die Pressefreiheit ein (die nicht nur Profi-Journalisten zusteht, auch myheimat-Reporter können sich durchaus auf sie berufen). Gerade in unserer bunten Medienwelt gehören zur Berichterstattung auch immer Bilder dazu. Und da viele berichtenswerte Ereignisse in der Öffentlichkeit stattfinden, wird es - zumal wenn es schnell gehen muss - einem Fotoreporter selten gelingen, Aufnahme anzufertigen, auf denen im Hintergrund keine anderen, unbeteiligten Personen zu sehen sind. Die analoge Anwendung der „Beiwerks“-Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG ist deshalb zwingend geboten, soll die Bildberichterstattung nicht unzulässig eingezwängt erden.

Ein schwacher Hoffnungsschimmer: Das Urteil des OLG Karlsruhe ist noch nicht rechtskräftig. Das letzte Wort wird der Bundesgerichtshof haben (dortiges Aktenzeichen VI ZR 245/14).

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3 Kommentare

Eine interessante Sache,Danke !

Schließ mich an...
Und kompliziert ;)

Wer keine Angst (gute Versicherung?) vor dem prozessualem Rattenschwanz hat, kann also ruhig weiter fotografieren.

Ist sowieso Zufall, ob überhaupt was nachkommt, und wenn JA, dann ist die richterliche Entscheidung ebenso unvorhersehbar.

"Vor Gericht und auf hoher See ......"

Jens, weißt Du, um welches Strafmaß / Geldsumme /Schadenersatz es dabei ging?
Was muss man dafür letztendlich "bezahlen"?

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