Presserecht: Wenn es beim Bericht über das Hobby einer Politikerin mal sehr intim wird
Die Zeiten, als MyHeimat einmal das Portal für Bürgerreporter war, scheinen – jedenfalls ist das mein Eindruck – mehr oder weniger vorbei zu sein. Trotz alledem: Für den einen oder anderen MyHeimatler ist es vielleicht doch noch interessant zu wissen, was man schreiben darf – und was besser nicht. Deshalb hier ein weiterer Beitrag zum Thema „Presserecht“ (oder vielleicht besser Medienrecht). Diesmal geht es um ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf. Der Verfahrensgang zeigt, dass Juristen ein und denselben Sachverhalt doch ganz unterschiedlich beurteilen. Denn die Vorinstanz, ein Landgericht, hatte der Klägerin noch recht gegeben, die Oberlandesrichter aber dem Beklagten.
Was war geschehen? Der Beklagte hatte über eine Politikerin berichtet, die als bestplatzierteste Frau auf der Liste ihrer Partei für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidierte. Pikant dabei: ihre Partei gilt als Vertreterin einer sehr konservativen Richtung. Ein Mitarbeiter des Beklagten fand nun heraus, dass besagte Politikerin jedenfalls von 2011 bis 2014 ein Profil auf einem Internetportal unterhielt, das sich selbst wie folgt definierte: „"Ein kostenloses soziales Netzwerk für Dienstleister und Kunden aus der Escort-Branche. Sex-Kontakte mit Hobby-Huren, Studentinnen und Girlfriendsex, Escort Agenturen, Bordelle und Kunden - hier findet jeder wen er sucht, und kann jeden direkt kontaktieren."
Es kam wie es kommen musste. Der Beklagte berichtete in einem Internetartikel über seine Recherche. Titel: „EXKLUSIV: Spitzenfrau der ….-Partei in Nordrhein-Westfalen arbeitete als Prostituierte" Dieser Bericht war der Politikerin nun gar nicht recht. Sie klagte auf Unterlassen und obsiegte weitgehend mit ihrem Begehren vor dem Landgericht in Düsseldorf. Es liege, so die Landgerichtsrichter, ein unzulässiger Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin vor, weil durch den Artikel der Kernbereich ihrer höchstpersönlichen privaten Lebensgestaltung betroffen sei.
In der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) wurde dies dann aber ganz anders gesehen. „Durch die von ihr beanstandeten, in dem verfahrensgegenständlichen Artikel enthaltenen Aussagen wird die Klägerin nicht in ihrer Intimsphäre als besonders geschützter Bereich des Persönlichkeitsrechts verletzt, die wegen ihrer besonderen Nähe zur Menschenwürde als Kernbereich privater Lebensgestaltung einer Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von vornherein unzugänglich ist“, heißt es in dem Urteil und weiter: „Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird die sexuelle Betätigung der Klägerin hier nicht vom Schutzbereich der Intimsphäre erfasst, nachdem sie ein Profil auf dem online-Portal "…..com", einer Plattform für sexuelle Dienstleistungen und für Nachfragende anlegte und Posts in diesem Bereich veröffentlichte. Mit dieser Maßnahme ist sie in sozialen Kontakt mit anderen getreten, um ihre Dienste anzubieten. Daher hat sie mit den Aussagen des Artikels ihre Intimsphäre verlassen.“
Das OLG prüfte dann noch weiter, ob nicht gleichwohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Politikerin dem Artikel entgegenstehe. Die Richter wogen die Interessen der Klägerin und des Beklagten ab und kamen zu dem Schluss, dass im Streitfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie die Presse- und Medienfreiheit das Anonymitätsinteresse der Klägerin überwiege.
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2020 – Az. 16 U 67/19).