Fotorecht: Weshalb Facebook-Nutzer kein Freiwild sind
Wenn einer sein Foto bei Facebook einstellt ist er noch lange nicht damit einverstanden, dass dieses Bild auch in der Berichterstattung einer Zeitung verwendet wird. Diese schmerzliche Erfahrung musste ein großer deutscher Verlag machen, der einfach das von der Abgebildeten selbst bei Facebook eingestellte Bild übernommen hatte, um nun seinerseits über die Facebook-Nutzerin zu berichten.
Ja, es gibt wieder über aktuelle Urteile, die Themen aus dem „Fotorecht“ (an sich eigentlich kein juristischer Fachbegriff) zum Gegenstand haben. Quasi als Nachtrag und Aktualisierung meiner kleinen Serie über das Fotorecht auf myheimat
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
sollen diese neuen Entscheidungen deutscher Gerichte den interessierten myheimat-Lesern nicht vorenthalten bleiben. Betreffen sie doch Sachverhalte, die auch einmal uns als myheimat-User durchaus betreffen können.
In dem eingangs geschilderten Fall hatte die spätere Antragstellerin in dem Gerichtsverfahren auch einen Text zur Flüchtlingsproblematik auf Facebook gepostet, der jedenfalls von den Journalisten des Verlages als fremdenfeindlich eingestuft wurde. In der Online-Ausgabe der Zeitung wurde ein Artikel unter dem Motto „"Hass auf Flüchtlinge – … stellt die Hetzer an den Pranger" veröffentlicht. Dabei übernahm die Onlineausgabe der Zeitung auch den Facebook-Block der Antragstellerin und veröffentlichte diesen erneut auf ihrer Seite einschließlich des Fotos der Facebook-Userin. Das Bild wurde zwar nur in einem kleinen Format veröffentlicht, gleichzeitig aber auch ihr voller Name genannt.
Das Oberlandesgericht (OLG) München sah dadurch die Rechte der Facebook-Autorin verletzt (Urteil vom 17.03.2016 - 29 U 368/16). Maßgebliche Rechtsgrundlage: § 22 Kunsturhebergesetz (Leser der Serie zum Fotorecht kennen diese Vorschrift). Dieser Paragraph bestimmt „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“
Jetzt gibt es allerdings auch Ausnahmen von der Regel. etwa wenn die abgebildete Person gar nicht erkennbar ist. Das OLG: „Der in §§ 22, 23 KUG verwendete Begriff des Bildnisses setzt nach gefestigter Rechtsprechung die Erkennbarkeit der abgebildeten Person voraus. Ein Bildnis in diesem Sinne ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt.“ Doch Vorsicht mit allzu großzügiger Handhabung. Für die Erkennbarbarkeit „genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text erkannt werden kann.“ Und das war bei dem Online-Artikel der ….-Zeitung ja der Fall.
Wie hat die ….-Zeitung ihre Veröffentlichung gerechtfertigt? Die Juristen des Verlages beriefen sich auf eine konkludente Einwilligung der Facebook-Bloggerin. Schließlich habe sie ja selbst unter Angaben ihres Vollnamens das Foto bei Facebook eingestellt und veröffentlicht. Doch dieser Argumentation haben die Münchener Richter einen Riegel vorgeschoben. Das Urteil: „Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin das streitgegenständliche Bildnis auf facebook eingestellt hat, kann nicht auf eine wirksame Einwilligung in eine Wiedergabe dieser Fotografie auf „www....de“ geschlossen werden. Wer ein Foto auf seinen Account bei einem Social Network hochlädt, ohne von möglichen Zugriffssperren Gebrauch zu machen, willigt nicht in die Weiterverbreitung des Fotos durch Dritte außerhalb des Kreises der zugriffsberechtigten Mitglieder des Netzwerks im Rahmen eines gänzlich anderen Kontextes ein. Der streitgegenständliche Eintrag der Antragstellerin auf Facebook durfte von der Antragsgegnerin schon deshalb nicht als Einwilligung zur Veröffentlichung auf „www....de“ verstanden werden, weil der Antragstellerin Zweck, Art und Umfang der Veröffentlichung nicht bekannt waren.“
Aufmerksame Leser meiner Fotorechtsserie mögen jetzt vielleicht an weitere Ausnahmen vom EInwilligungsvorbehalt nach § 23 Kunsturhebergesetz denken. Stichwort: „Person der Zeitgeschichte“. Auf diese Idee war auch die Vorinstanz - das Landgericht München - gekommen. Doch die OLG-Richter machten da nicht mit: „Zur Darstellung des Meinungsbildes und dessen Bewertung durch die Online-Zeitung bedarf es lediglich der Mitteilung der Äußerung selbst. Das Bildnis einer Person wird nicht schon dadurch zu einem solchen der Zeitgeschichte, dass sich die fragliche Person in einem Interneteintrag zum Zeitgeschehen geäußert hat.“
Danke für Deine guten Infos.
Die doch häufig sehr unterschiedlichen Auffassungen der Gerichte (Einzelfall-Entscheidungen), machen den Durchblick für Laien ja praktisch unmöglich.
Also, besser VORSICHT bei Veröffentlichungen von jeglichem Fremd-Material.