Fotorecht: Wenn ein Foto auf facebook zu einem teuren Spaß wird
Das war nicht ganz billig: 330,75 Euro Verwaltungsgebühr und dann noch die Gerichtskosten. Die Klage gegen eine Verwarnung von Niedersachsens offensichtlich sehr eifrigen Datenschützern kostete den Genossen eines SPD-Ortsvereins aus dem Raum Hannover richtig Geld. Und das alles wegen eines Fotos auf einer facebook-Seite.
Über das Urteil wurde hier auf MyHeimat schon kurz berichtet. Jetzt liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor. Es ist Zeit, sich mit dieser Entscheidung näher zu beschäftigen.
Was war geschehen? Die örtliche Parteigliederung hatte eine öffentliche Veranstaltung durchgeführt. Darüber wurde mit Fotos in der Presse berichtet. Diese Berichte sind samt Fotos wohl immer noch auf den Seiten des Zeitungsverlages im Internet aufrufbar. Das störte weder Datenschützer noch die auf dem Bild abgebildeten Personen. Doch als nun der SPD-Ortsverein selbst über seine Veranstaltung mit einem Foto auf seiner facebook-Seite berichtete, war das Einigen gar nicht recht. Ein Ehepaar erkannte sich auf dem auf der Fan-Page des Ortsvereins eingestellten Fotos wieder. Obwohl die SPD der Bitte dieser Menschen nachkam und das Bild löschte, beschwerte sich das Ehepaar trotzdem bei der Landesdatenschutzbeauftragten. Die reagierte prompt mit einer teuren gebührenpflichtigen Verwarnung. Der Ortsvereinschef hatte wohl mal was von § 23 Kunsturhebergesetz gelesen, fühlte sich im Recht und suchte um Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht in Hannover nach. Die Klage erwies sich als Eigentor. Rechtsschutz wurde nicht gewährt. Das Gericht wies vielmehr das Begehren der Sozialdemokraten zurück. Nach Ansicht der 10. Kammer hatten die Datenschützer rechtmäßig gehandelt (VG Hannover, Urteil vom 27.11.2019 – 10 A 820/19 -).
Der Ortsverein habe gegen die DSGVO – Datenschutzgrundverordnung – verstoßen. Die Veröffentlichung eines Fotos mit erkennbaren Personen auf der Fanpage bei facebook stelle eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten dar, heißt es in dem Urteil.
Und der Hinweis auf § 23 Kunsturhebergesetz (KUG)? Erinnern wir uns. Absatz 1 dieser Vorschrift regelt, dass Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, auch ohne deren Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen. Immerhin ordnet das Verwaltungsgericht die SPD-Veranstaltung diesem Tatbestandsmerkmal zu, meint dann jedoch, dass gleichwohl eine Einwilligung der abgebildeten Personen erforderlich gewesen wäre.
Im Rahmen der Serie „Fotorecht“ wurde bereits diskutiert, ob § 23 KUG als Spezialnorm der DSGVO vorgeht. Zwar ist die Grundverordnung – weil Europarecht – gegenüber dem deutschen Gesetz höherrangig. Aber die DSGVO lässt in ihrem Artikel 85 selbst zu, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten Ausnahmen von den strengen Regeln der Verordnung erlassen. Und so wird von vielen Juristen – und auch Datenschützern – die Ansicht vertreten, dass mit § 23 KUG eben bereits so eine Ausnahme erlaubt wurde.
Die hannoverschen Verwaltungsrichter erkennen die Vorschriften des KUG indes nur als zulässige Ausnahmeregelung an, wenn es sich um journalistische, wissenschaftliche, oder künstlerische Veröffentlichungen handelt. Journalismus sei der Bericht auf der Fanpage aber auf keinen Fall, meinten sie. Der SPD-Ortsverein habe nur den Erfolg der eigenen Arbeit darstellen wollen. Selbstdarstellung sei indes jedoch kein journalistischer Zweck.
Dieses Ergebnis ist meines Erachtens bereits durchaus problematisch. Aber lassen wir es erst einmal so stehen. Schließlich vertreten eine ganze Reihe gewichtiger Stimmen in der Rechtswissenschaft die Auffassung, dass § 23 KUG auch außerhalb der eben beschriebenen Zwecke als Ausnahme von den Verboten des DSGVO eingreift.
Ob die Richter der 10. Kammer dies ebenfalls so sehen oder nicht, lässt das Urteil offen. Nach Ansicht Gerichts kommt es darauf nicht an, weil ihrer Meinung nach der sozialdemokratische Ortsverein auch gegen die Regelungen des Kunsturhebergesetzes verstoßen hat. Sie berufen sich auf Absatz 2 des § 23 KUG. Da steht nämlich, dass sich die Befugnis zur ungenehmigten Veröffentlichung nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung erstreckt, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. „Die abgebildeten Personen haben“, so konstatiert das Gericht, „ein erhebliches Interesse daran, dass kein Foto, auf denen sie individuell erkennbar sind, auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlicht wird“. Begründet wird dies mit den unkalkulierbaren Risiken einer Veröffentlichung von Fotos auf facebook“ und dem Vorwurf an die Genossen vom Deisterrand, dass sie mit der Veröffentlichung eine „möglicherweise nicht bestehende Zustimmung der abgebildeten Personen zu der politischen Tätigkeit … suggerieren“.
Kommentar:
Nachvollziehbar ist natürlich der Wunsch, nicht unbedingt mit seinem Gesicht auf der facebook-Seite einer bestimmten Partei zu erscheinen. Zumal, worauf die Richter zu Recht hinweisen, die Weiterverbreitung eines dort geposteten Fotos kaum kontrollierbar sein dürfte.
Das ist die eine Seite der Medaille. Aber es gibt auch noch eine andere Seite. Und das ist die Freiheit der Berichterstattung und deren Schutz vor staatlichen Eingriffen.
Klar. Politische Parteien sind das eine, Journalisten das andere. Doch was ist ein Journalist? Diese Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Und deshalb auch nicht klar definiert. Derjenige, der über Geschehnisse für die Öffentlichkeit berichtet, ist journalistisch tätig, sei er nun Mitglied einer Partei oder nicht. Ob er ein guter oder schlechter Journalist ist, ob er objektiv und unabhängig berichtet oder parteiisch ist, ist eine andere Frage. Darüber hat der Staat nicht zu entscheiden.
Poltische Parteien und Journalismus sind zudem keine Gegensätze. Zwar ist die hohe Zeit der Parteizeitungen (die in der Weimarer Republik vorherrschend waren) längst vorbei. Doch es gibt immer noch die Parteipresse. Gepostet hatte ja nicht der Ortsverein als solcher, sondern ein dahinterstehender Mensch, der durchaus als Parteijournalist tätig sein kann.
Wäre eine Veröffentlichung etwa im „Vorwärts“ (das ist eine Zeitung der SPD) rechtens gewesen, im Internet jedoch nicht? Zugegeben, eine Berichterstattung im Netz hat mit dem wortwörtlichen Begriff der „Presse“ nicht viel zu tun. Denn im Bereich der elektronischen Medien werden keine Buchstaben mittels Druckerschwärze mehr auf Zeitungspapier „gepresst“. Doch die Pressefreiheit schützt nicht nur die gedruckte Berichterstattung.
Oder geht es um „facebook“ an sich? Auch hier ist Vorsicht anzuraten, wenn der Staat letztendlich entscheidet, was "gute, ernsthafte" journalistische Medien und was "schlechte" Medien sind. Und überhaupt: viele große Medienverlage unterhalten eigene facebook-Seiten, posten hier auch Artikel (bzw. Teile davon) und Fotos. Ist dies ebenfalls nicht in Ordnung (weil facebook) oder befindet sich hier alles im grünen Bereich (weil es „guter“ Journalismus ist)?
Zu guter Letzt geht es – wenn man den Argumentationsstrang der Verwaltungsrichter folgt – auch um die Frage, was unter einem „berechtigten Interesse“ im Sinn des § 23 Abs. 2 KUG zu verstehen ist. Lässt sich so ein berechtigtes Interesse bereits deshalb bejahen, weil es sich um „Parteijournalismus“ und dann noch auf „facebook“ handelt? Auch hier entscheidet letztendlich die Behörde bzw. das Gericht, was „guter“ Journalismus in „guten“ Medien und was „schlechte“ Berichterstattung in „schlechten“ Medien ist. Das kann ganz schnell auch mal in Richtung Zensur gehen.
Überhaupt: Wie wurde eigentlich das berechtigte Interesse des abgebildetenEhepaars festgestellt? Die beiden waren schließlich an diesem Rechtsstreit nicht beteiligt. Reicht allein schon die Beschwerde bei den Datenschützern aus? Und: Wer zu einer öffentlichen Parteiveranstaltung geht, auf der (insbesondere für die Presse) fotografiert wird, muss derjenige nicht damit rechnen, dass Bilder auch auf Internetseiten der Partei auftauchen? Wie wird eigentlich allein durch die Verwendung eines Fotos von dieser Veranstaltung suggeriert, dass alle abgebildeten Personen auch die Auffassung der Partei unterstützen? Allein aus der Teilnahme an einer öffentlichen Informationsveranstaltung lässt sich so etwas eigentlich nur mit vielen Verrenkungen konstruieren.
Trotz des damit verbundenen finanziellen Risikos ist zu hoffen, dass der Kläger den Gang zum Oberverwaltungsgericht in Lüneburg wagt und die Zulassung der Berufung beantragt. Die aufgeworfenen Fragen sind so gewichtig, dass sich eine obergerichtliche Rechtsprechung dazu äußern sollte.
Mehr zum Thema Fotorecht?
Hier findet sich eine Linkliste zu weiteren Folgen aus der Serie Fotorecht
Eine (höchst)obergerichtliche Rechtsprechung dazu ist m.E. dringenst notwendig...
Verwaltungsgerichte..........?!?!?!?
Gruß Wolfgang