Fotorecht: Dürfen fremde Fotos einfach eingescannt werden?
Vor dieser Frage hat so manch Einer schon gestanden: Man wurde fotografiert und erhält die Bilder zum Anschauen. Darf man sich nun ohne Einverständnis des Fotografen einfach davon Kopien machen? Oder sie zum Eigengebrauch einscannen und die Bilddateien speichern? Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in letzter Instanz einen Streit über dieses Problem zu entscheiden.
Mit diesem Bericht soll die Serie über das Fotorecht erneut mit einer aktuellen Entscheidung ergänzt werden. Diesmal geht es um ein Urteil des BGH vom 19. April 2014 (Az. I ZR 35/13). Der Fall: Die Klägerin fotografierte den späteren Beklagten und dessen Nachbarin. Die fertigen Werke druckte die Fotografin dann aus und überlies diese Bilder der besagten Nachbarin „zur Ansicht“. Die Nachbarin gab die ausgedruckten Fotos aber an den Beklagten weiter, der die Bilder, auf denen er abgebildet war, einscannte und auf seinem Computer abspeicherte.
Unsere Porträtkünstlerin (die das irgendwie mitbekommen haben muss) sah darin eine unerlaubte Vervielfältigung ihrer Fotoarbeiten und einen Eingriff in ihr Urheberpersönlichkeitsrecht. Sie verlangte vom Beklagten, es zukünftig zu unterlassen, von ihr geschaffene und ihm gezeigte Werke zu vervielfältigen. Darüber hinaus beantragt sie, den Beklagten zu verurteilen, die Besichtigung seines Computers durch einen Sachverständigen zuzulassen, Schadensersatz zu zahlen und Abmahnkosten zu erstatten. Die Porträtfotografin verlor den Prozess in allen drei Instanzen.
Der BGH: „Der Beklagte hat durch das Einscannen der Ausdrucke und Abspeichern der Dateien zwar in das ausschließliche Recht der Klägerin aus § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG zur Vervielfältigung ihrer urheberrechtlich geschützten Fotoarbeiten eingegriffen. Dieser Eingriff ist jedoch von der Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG gedeckt.“ Mit anderen Worten: Der Beklagte hat wohl das Urheberrecht der Fotografin mit seiner Aktion verletzt, im Rahmen des Privatgebrauchs war das aber auch erlaubt.
Nach der Vorschrift § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG sind nämlich einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern die Vervielfältigungen weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen und zur Vervielfältigung keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.
Dieser Paragraph war natürlich auch dem Rechtsanwalt der klagenden Fotokünstlerin bekannt. Er meinte jedoch, die Regelung sei im Lichte des Grundrechts der Kunstfreiheit einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur die Vervielfältigung bereits veröffentlichter Werke erlaube. Dieser Rechtsansicht schlossen sich die angerufenen Richter aber nicht an.
„Eine solche Auslegung (wie durch die Klägerin vertreten, Anm. des Verf.) ist weder im Blick auf entsprechende Einschränkungen anderer Schrankenregelungen noch im Blick auf das Grundrecht der Kunstfreiheit geboten“, sagte der BGH.
Zwar knüpften andere Einschränken des Urheberrechts daran an, dass ein Werk bereits veröffentlicht worden ist, nicht jedoch der besagte § 53 Abs.1 UrhG. Die Einschränkungen aus anderen Vorschriften können nach dem Urteil auch nicht „in analoger Anwendung“ in den Paragraphen 53 hineingelesen werden, es fehle an einer Regelungslücke und die Interessenlage sei nicht vergleichbar, heißt es im Urteil.
Allerdings meinten die Richter des BGH durchaus: „Soweit die Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG die Vervielfältigung unveröffentlichter Werkentwürfe der Klägerin durch den Beklagten zulässt, greift sie in das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ein.“ Denn die Werkentwürfe der Klägerin, so der Senat in seiner Entscheidung weiter, stellen Kunstwerke dar, nämlich freie schöpferische Gestaltungen, in denen Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache, hier der bildenden Kunst in Form der Porträtkunst, zur Anschauung gebracht werden.
Die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit ist durchaus im Streit zwischen zwei Bürgern untereinander zu beachten. Obwohl sich die Kunstfreiheit in erster Linie gegen den Staat richtet, ist das Grundrecht nämlich zugleich eine objektive Entscheidung für die Freiheit der Kunst, die auch im Verhältnis von Privaten zueinander zu berücksichtigen ist, schreiben die Richter in ihr Urteil. Die obersten Ziviljuristen in Karlsruhe bejahten durchaus auch einen Eingriff in die Kunstfreiheit der Klägerin: „Die Vervielfältigung der unveröffentlichten Werkentwürfe ... greift ... in den "Werkbereich" der Kunstfreiheit ein. Die Klägerin fühlt sich nach ihrer Darstellung durch die Vervielfältigung unveröffentlichter Werkentwürfe in ihrem Schaffen und insbesondere in der Vollendung der Werkentwürfe blockiert. Die Vervielfältigung wirkt sich damit mittelbar auf die künstlerische Tätigkeit der Klägerin aus.“ Gleichwohl hat die Klägerin letztendlich den Prozess verloren, denn, so die BGH-Richter weiter, der Eingriff in das Grundrecht der Kunstfreiheit der Klägerin war gerechtfertigt.
Das Urteil: „Die Schrankenregelungen des Urheberrechtsgesetzes sind bereits das Ergebnis einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Abwägung zwischen dem Interesse des Urhebers an einer möglichst umfassenden und uneingeschränkten Ausschließlichkeitsbefugnis und den Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst unbeschränkten Zugang und einer möglichst umfassenden Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks. ... Nach diesen Maßstäben führt die Abwägung der im Streitfall betroffenen Interessen zu dem Ergebnis, dass das durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschützte Interesse des Beklagten an einer Anfertigung einzelner Vervielfältigungen der Bildnisarbeiten zum privaten Gebrauch das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse der Klägerin an einer nur mit ihrer Einwilligung zulässigen Vervielfältigung unveröffentlichter Werkentwürfe überwiegt.“
Lach-da geht es mir so wie Andreas ;-)