Fotografie und Recht: Kein Anspruch auf Nacktfotos im Opernhaus
Ein Fotojournalist kann nicht verlangen, bei Opernpremieren mit allgemeinem Fotografierverbot trotzdem als „Presse“ eigene Bilder aufnehmen zu dürfen. Das hat jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in einem aktuellen Urteil vom 13. März 2013 entschieden
(Az.: 5 A 1293/11). Die Oberverwaltungsrichter in Münster bestätigten damit in der Sache im Wesentlichen die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln.
Das OVG Münster musste sich vor allem mit dem in allen Bundesländern in den Landespressegesetzen geregelten Informationsanspruch der Medien sowie der Presse- und Informationsfreiheit des Grundgesetzes (in Artikel 5 zu finden) auseinandersetzen. Auch „myheimatler“ sind journalistisch und ggf. fotojournalistisch tätig, nur eben nicht hauptberuflich, sondern quasi ehrenamtlich. Auf die Grundrechte in Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz können wir uns als „Bürgerreporter“ grundsätzlich aber ebenfalls berufen. Deshalb ist die Frage, was darf ein Reporter, was darf er nicht, auch für uns interessant. Meine Beitragsreihe zum Thema Fotografie und Recht soll deshalb hier um diesen fotojournalistischen Aspekt ergänzt werden.
Die Verwaltungsgerichte konnten von unserem Fotoreporter angerufen werden, weil das Opernhaus, in dem er gerne fotografieren wollte, eine kommunale Einrichtung und damit Bestandteil der Behörde „Stadt“ war und natürlich noch ist. In diesem Opernhaus herrscht ein generelles Fotografierverbot. Die Bühne bot auch keine besonderen „Pressetermine mit Fotografier-Proben“, hatte aber eine eigene Pressestelle. An Bildern interessierte Medien konnten hier vom Opernhaus angebotene und ausgewählte Fotos für ihre Berichterstattung erhalten.
Das aber genügte dem Kläger nicht. Der Fotojournalist wollte gerne eigenes Bildmaterial verwenden. Er war der Meinung, es sollten schon selbstgefertigte Aufnahmen sein, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Er - und seine Zeitung - müssten sich nicht darauf verweisen lassen, nur vom Opernhaus ausgewählte Fotos kaufen zu dürfen. Hier sollte zur Erläuterung vielleicht noch erwähnt werden, dass es um die Berichterstattung in einer Boulevard-Zeitung ging und in dem Opernstück Szenen vorkamen, in denen die Darsteller - Schauspieler und Statisten - nackt auftraten. Offenbar bestand für die Zeitung gerade ein Interesse daran, solche Nacktbilder zu veröffentlichen.
Nun hat die in vielen Fällen doch noch sehr konservativ geprägte Justiz vielleicht nicht immer bereits ein ausreichend unbefangenes Verhältnis zur Nacktheit erreicht. Auch ist dem Pressefotografen und seiner Redaktion beizupflichten, dass Nacktaufnahmen für sich genommen nicht per se bereits in jedem Fall die Intimsphäre des Abgebildeten verletzen. Darauf kam es für die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts letztendlich aber auch gar nicht an. „Aufhänger“ war vielmehr die Frage, ob der Auskunftsanspruch nach dem Landespresserecht und die grundgesetzlich verbürgte Informationsfreiheit eine öffentliche Verwaltung (und das Opernhaus ist ja hier Teil einer Behörde) zwingen, Fotografen eine Fotografiererlaubnis zu erteilen, wenn diese eine Bildberichterstattung planen. „Nein“ sagte nun das OVG Münster.
Die obersten Verwaltungsrichter von Nordrhein-Westfalen schauten zuerst in das einschlägige Presserecht. „Seinem Gegenstand nach bezieht sich der einfach-gesetzlich eingeräumte presserechtliche Auskunftsanspruch auf die Mitteilung konkreter Tatsachen, die sich im amtlichen Raum manifestiert haben, bezogen auf einen bestimmten Sachverhalt“, heißt es in dem Urteil und weiter: „Der Anspruch vermittelt hingegen nach dem klaren Gesetzeswortlaut kein Recht darauf, dass sich Journalisten nicht allgemein zugängliche Informationen der Auskunftsverpflichteten selbst verschaffen. Eine bestimmte Form der Auskunftserteilung können sie nicht verlangen. Vielmehr steht die Art und Weise der Auskunftserteilung im Ermessen der Behörde.“ Deswegen ist zwar nach Ansicht des Gerichts die Beklagte als Trägerin der Oper grundsätzlich zur Auskunftserteilung verpflichtet, weil sie mit dem Opernangebot eine kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnimmt. Aber derartige Auskünfte erteilte die Oper im Namen der beklagten Stadt ja auch. Ermessensfehlerfrei konnte sie deshalb unter Hinweis auf ihr Hausrecht ein generelles Fotografierverbot aussprechen und den Kläger nur auf ihr Auskunftsangebot verweisen.
Das Oberverwaltungsgericht: „Die Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit verlangt nur, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dieser Spielraum wird gewahrt, wenn sich die auskunftsverpflichtete Behörde bei Beantwortung eines konkreten Auskunftsbegehrens auf Informationen beschränkt, die für das erkennbare Berichtsinteresse wesentlich sind. Eine Ermessensreduzierung dahingehend, Fotojournalisten einen Informationszugang gerade in der Form zu gewähren, bei Opernpremieren oder Fotoproben eigene Aufnahmen zu gestatten, lässt sich dem presserechtlichen Auskunftsanspruch auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Pressefreiheit danach nicht entnehmen.“ Natürlich wird unter Juristen alles Mögliche vertreten und so findet sich in der veröffentlichten rechtswissenschaftlichen Literatur tatsächlich auch die Meinung, Theaterfotografen hätten ein unbedingtes Recht zum Fotografieren. Dieser Ansicht tritt das OVG Münster entgegen, im Gesetz gäbe es dafür keine Grundlage.
Auch auf die Regelungen im Grundgesetz konnte sich unser Fotoreporter letztendlich nicht mit Erfolg berufen. „Opernaufführungen sind nicht auf Grund vergleichbarer zwingender rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit in dem Sinne bestimmt, dass währenddessen Fotoaufnahmen gestattet werden müssten. Es handelt sich dabei um Informationsquellen, die ihrer Bestimmung nach grundsätzlich der Allgemeinheit in Gestalt der jeweiligen Saalöffentlichkeit offen stehen. Hieraus folgt nicht das Recht, anlässlich einer Aufführung Fotoaufnahmen fertigen zu dürfen. Dementsprechend kann der Veranstalter die allgemeine Zugänglichkeit zulässigerweise einschränken, ohne die Bestimmung der Informationsquelle zu beeinträchtigen oder zu begrenzen. Dies kann etwa durch ein Eintrittsgeld oder dadurch geschehen, dass Fotoaufnahmen während der Aufführungen generell nicht gestattet werden bzw. einem Einwilligungsvorbehalt unterliegen. Sofern dies erfolgt, ist bereits der grundrechtliche Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht betroffen.“, schreiben die Richter in ihrem Urteil.
Zum Schluss kommt die Entscheidung dann doch noch darauf zu sprechen, dass die Schauspieler bei der Aufführung teilweise ohne Kleidung auftraten. Ihre Mitwirkung an der Aufführung vor einer Saalöffentlichkeit bedeute noch nicht, dass sie auch nackt in einer Boulevardzeitung mit hoher Auflage abgebildet sein wollen. Auf die berechtigten Interessen der Schauspieler durfte die Stadt beim Erlass des Fotografierverbotes deshalb ebenfalls Rücksicht zu nehmen.
Danke und wieder etwas schlauer !