Wohin geht myheimat? Gedanken über die Zukunft des Internetportals
Myheimatler kommen ja ab und zu auch untereinander ins Gespräch. Und manchmal unterhält man sich - das liegt irgendwie nahe - neben vielen anderen Punkten über myheimat. Das Thema ist damit klar abgegrenzt, der Inhalt der hier skizierten Diskussion indes eher trübsinnig. „Myheimat ist nicht mehr das, was es mal war“, lautete das Fazit meines Gesprächspartners. Bekanntlich war früher ja sowieso alles einmal besser, sogar die Zukunft war - frei nach Karl Valentin – früher einmal besser gewesen. Besteht mithin kein Grund zur Beunruhigung?
Sein Sohn, so fuhr mein Freund indes mit einem Seufzer fort, habe myheimat inzwischen als „Facebook für Ältere“ klassifiziert. Wundern tue das ihn nicht, klagte er, wenn überwiegend tierische und pflanzliche Lieblinge in allen Lebenslagen und Blickwinkeln gepostet werden. Bello oder Mize von oben, von der Seite, schräg von unten, von der anderen Seite, aber trotz vieler Fotos keine Bildgeschichte erzählt. Und überhaupt: Die Qualität der Beiträge auf myheimat sei allgemein gesunken, die Leserzahlen seien zurückgegangen. Zudem kenne er eine Reihe einst aktiver Myheimatler, die sich ärgerlich zurückgezogen haben und nur noch im Rahmen der User-Zahlen ein „Kartei-Leichen-Dasein“ führten.
Starke Worte. Doch treffen sie zu? Hat myheimat in unserer schnelllebigen Gegenwart seine Hoch-Zeit tatsächlich schon überschritten?
Zumindest hinsichtlich der Leserzahlen musste ich meinem Freund im Großen und Ganzen beipflichten. Es dauert - im Gegensatz zu vergangenen Tagen - jetzt schon etwas, bis bei von mir neueingestellten Berichten die Zahl der ersten 100 Leser überschritten wird. Manchmal verharrt die angezeigte Interessentenmenge sogar konsequent trotz guten Zuredens oder bösen Beschimpfens im zweistelligen Bereich und will und will einfach nicht ansteigen (ich hoffe inbrünstig, dass die verminderte Leserzahl nicht auf eine nach Ansicht der Leser verminderte Qualität meiner Artikel oder auf zu vielen Tierbildern und Blumenfotos zurückzuführen ist). Und dass bislang aktive Myheimatler frustriert aufhören und keine neuen Beiträge mehr verfassen, kann ich gut nachfühlen. Auch ich hatte mir schon einmal fest vorgenommen, die Mitarbeit einzustellen. Leser meiner Beiträge erinnern sich: Auslöser war das Löschen von (wie man mir von dritter Seite bestätigte - recht harmloser) Fotos. In jeder Boulevardzeitung oder Zeitschrift findet man aufreizendere Bilder. Und wenn über fotografische Themen berichtet wird, gehört der Motivbereich Akt dazu. Was ich aber nicht bedacht hatte: Myheimat steht unter der Fuchtel von Google. Und da scheint irgendeinem prüden US-amerikanischen Oberzensor beim Anblick der Fotos die Hose im Schnitt bereits doch zu sehr angespannt und eng geworden zu sein – mit den beschriebenen Folgen. Ganz habe ich meinen Frust noch nicht abgelegt, ich schreibe nicht mehr so viel über Fotografie und heimatgeschichtliche Themen wie früher.
Zurück zum eigentlichen Thema. Die Idee, die hinter der myheimat-Plattform steht, ist es nämlich wert, mit Leben gefüllt zu werden. Der Journalismus wird damit ein Stück weit demokratischer. Bürger berichten für Bürger direkt vor Ort. Die polemische Frage, ob ich angesichts meiner Begeisterung für die Myheimat- Idee mich dann auch zukünftig statt von einem ausgebildeten Arzt von einem Bürger-Heiler behandeln lassen wolle oder mich in ein Flugzeug setze, an dem ein Bürger-Pilot den Steuerknüppel in der Hand hält, geht an der Sache vorbei. Natürlich nicht, habe ich damals geantwortet. Aber man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Bei einem Arzt oder Pilot ist eine gute Ausbildung für den Beruf nicht zu verachten. Um aber eine Geschichte zu erzählen, die andere Menschen interessiert, nahe geht, erfreut oder weiter hilft, braucht man zwar etwas Begabung, aber nicht unbedingt ein Studium des Journalismus oder eine abgeschlossene Volontärsausbildung. Bürgerreporter sollen den professionellen Journalismus ja nicht ersetzen, sondern um weitere Aspekte und Nuancen ergänzen. Bürgerreporter geben Einblicke, die so von einem berufsmäßigen Zeitungsmenschen, der von Termin zu Termin hetzt, nicht vermittelt werden können und bilden auch ein Stück weit eine für die demokratische Meinungsbildung wichtige Gegenöffentlichkeit. Im Idealfall gehen Hobby- und Berufsreporter also Hand in Hand, bereichern gegenseitig die bunte Welt der Berichterstattung. Und wenn alles optimal läuft werden Artikel von Bürgerreportern dadurch geadelt, dass die professionellen Mitstreiter ab und zu gute Beiträge auch auf den Zeitungsseiten veröffentlichen. Internet und papierloses Zeitalter zum Trotz: den eigenen Text oder das eigene Foto gedruckt zu sehen, das hat heute immer noch etwas. Das wird von den Subjekten unserer Berichterstattung übrigens zumeist ebenso gesehen. Als im hannoverschen Wochenblatt und „Hallo Sonntag“ noch myheimat-Artikel abgedruckt wurden, sprachen mich des öfteren Vereinsvertreter an, ob ich nicht über dieses oder jenes Ereignis ihres Vereinslebens etwas schreiben könne. Seit es keine Veröffentlichungen mehr gibt, wurde das Forum „myheimat“ für diese Vereine uninteressant. Das ist nachvollziehbar. Nach wie vor werden über Printmedien im lokalen Raum mehr Leser erreicht. Allein in meinem Stadtteil Döhren kennt jeder die HAZ und NP, den „Maschseeboten“ (eine Stadtteil-Zeitung) oder das „Hallo Wochenblatt“. Aber wenn man myheimat erwähnt - dann folgt ein Achselzucken, ein verständnisloser Blick oder die Frage: „was ist das denn?“ Seit myheimat nicht mehr gedruckt wird, existiert das Nachrichtenportal für viele einfach nicht mehr.
Dies zeigt, wie wichtig eine Anbindung von myheimat an die jeweiligen Printmedien vor Ort ist. Und da liegt im hannöverschen Raum leider jetzt vieles im Argen. Dabei ist Hannover mit einer der aktivsten Regionen auf Myheimat im Bundesgebiet. Dieses Potential ungenutzt zu lassen, halte ich für einen Fehler des den hannoverschen Markt beherrschenden lokalen Medienkonzerns.
Sicherlich, obwohl Madsack sich als Anteilseigner bei myheimat verabschiedet hat, tauchen die HAZ und die Madsack-Heimatzeitungen immer noch als Medienpartner von myheimat auf. Wer auf den Homepage der HAZ und der Neuen Presse intensiv sucht, findet mit etwas Glück auch den etwas versteckten Link auf die myheimat-Seiten. Im gedruckten Bereich aber herrscht heute leider allzu oft nur noch Funkstille.
Begonnen hat der Rückzug von myheimat im Stadtgebiet von Hannover. Hier hatten sich die kostenlosen Anzeigenblätter „Hallo Wochenblatt“ und „Hallo Sonntag“ ursprünglich der myheimat-Idee angenommen und zunächst durch den Abdruck guter Artikel in den Blättern gefördert. Dann ging der Verlag einen Schritt weiter, kreierte ein monatlich erscheinendes „Myheimat-Magazin“ als lokale Beilage zu dem Anzeigenblatt. Weil die eigentlich gute Idee aber schlecht umgesetzt wurde, begann der Abstieg von myheimat. Das neue Magazin wurde nicht von den Redakteuren gemacht, sondern von einer extra eingestellten Kraft. Es gab, so war zu hören, wohl keine Absprache zwischen den Lokalausgaben des Wochenblattes und den Verantwortlichen für das Myheimat- Magazin. In diesem Myheimat-Magazin wurden stadtteil-bezogen ausschließlich Myheimat-Beiträge abgedruckt. Man war also abhängig davon, was aktive Myheimatler im Stadtteil schrieben (oder eben nicht schrieben) und musste ins Blatt nehmen, was halt so kam. Dann wurde das Magazin als Beilage ins letzten Buch der Zeitung hineingelegt, dort, wo sich auch haufenweise Werbeprospekte befanden. Der Effekt: die Leser entfernten mit einem Griff die Reklame aus der Zeitung, ohne überhaupt so merken, dass damit auch ein redaktioneller Teil ungelesen ins Altpapier wanderte. Wenn ich damals in einem Gespräch sagte, es stand doch im Myheimat-Magazin, musste ich mir oft vom Gesprächspartner anhören „Das habe ich aber nicht bekommen.“ Doch, hatte er, aber es sogleich unbemerkt mit dem Werbematerial entsorgt. Es kam, wie es kommen musste. Anzeigenkunden wollten dafür kein Geld mehr ausgeben, die Myheimat-Magazine als Beilage des Wochenblattes wurden in der Stadt Hannover still und leise eingestellt.
Als in der beginnenden Neuzeit die ersten Zeitungen auf den Markt kamen, wollten die Leute - soweit sie damals überhaupt lesen konnten - über Geschehnisse fern der Heimat informiert werden. Was vor der eigenen Haustür geschah, das wusste man auch so. Heute ist es umgekehrt. Nachrichten aus aller Welt sieht und hört man bei jedem Radio- und Fernsehsender, aber die Frage, warum die Feuerwehr nun zwei Straßen weiter einen Einsatz hatte, bleibt unbeantwortet. Deshalb lesen die Menschen heute gern viel „Lokales“. Nicht von ungefähr wurde die heutige „Neue Presse“ als sie noch unter dem Titel „Neue hannoversche Presse“ wirtschaftlich ins Straucheln kam, dadurch gerettet, dass sie – dann mit den Namen „Neue Hannoversche“ - grundsätzlich die lokale Berichterstattung nach vorn und sogar auf die Titelseite brachte. Weil die Leute also Nachrichten aus ihrer heimatlichen Umgebung lesen möchten, gibt es bei den „Hallo“-Anzeigenblättern wieder eine monatliche Stadtteil-Beilage: „Hallo Döhren“, „Hallo Südstadt“, „Hallo Kirchrode“ und eine Reihe andere Titel. Diesmal ausschließlich nur mit Artikeln berufsmäßiger Schreiberlinge. Warum eigentlich? Würde sich da nicht eine gesunde Mischung aus professionellen Nachrichten und myheimat-Artikeln anbieten? Immerhin ist der Madsack-Konzern doch weiterhin offiziell noch Medienpartner von myheimat.
Im ehemaligen Landkreis Hannover hatten es die Myheimatler noch eine längere Zeit besser als die User aus der Kenrstadt. Die verschiedenen Heimatzeitungen druckten Beiträge, es gab unregelmäßig erscheinende Magazine und auch einige Ableger des Wochenblattes boten noch lange Zeit nach dem Myheimat-Ende im städtischen Wochenblatt ein Forum für bürgernahe Berichte (wenn auch ein Veröffentlichungsvermerk auf den betreffenden myheimat-Seiten nicht mehr erschien). Erst als sich im Sommer 2013 das Personalkarussell beim Wochenblatt drehte und etwa der Anzeiger für Gehrden und Ronnenberg einen neuen Redakteur bekam, war damit Schluss. Verschwunden sind daneben viele Magazin-Hefte, die mit myheimat-Beiträgen gefüllt wurden. Zum allem Überfluss wurde mir berichtet, dass in den Heimatzeitungen im ehemaligen Landkreis Hannover ebenfalls keine Myheimat-Beiträge mehr zu finden sind. „Umstrukturierungsmaßnahmen“ hieß es da zur Begründung. Der Hintergrund: Offenbar wurde wohl die Seitenzahl der einzelnen Ausgaben verringert, so dass nun weniger Platz für Beiträge zur Verfügung steht. Zudem sollen neuerdings die Seiten nicht mehr vor Ort, sondern zentral für alle Heimatzeitungen in Hannover gemacht werden. Und da habe man wohl, wie mir unter der Hand gesagt wurde, „Qualitätsansprüche“, die Amateur-Artikel per se nicht erfüllen würden.
Ob es wirklich nur die angeblich fehlende Qualität ist, die einem Abdruck von Myheimat-Artikel entgegensteht? Ode ist es vielleicht doch mehr ein professionelles Naserümpfen über Hobby-Schreiber, die sich da auf ein Gebiet wagen, für das man nur selbst vom Baum der Erkenntnis genascht hat? Steckt möglicherweise sogar ein bisschen Angst dahinter? Angst, dass die kostenlose Arbeit von Bürgerreportern vielleicht die eine oder andere Stelle eines Journalisten kosten könnte? Wer weiß. Ob aber nun Konkurrenzangst oder Standesdünkel: Ich finde, in beiden Fällen wird zu kurz gedacht. Bürgerreporter und Profi-Journalisten ergänzen sich nämlich vielmehr zum Vorteil der Leserschaft ideal. Denn die einen können leisten, was die jeweils anderen nicht können. Professionelle Schreibe hier, Hintergrundwissen und der direkte Kontakt zu den Menschen vor Ort da. Ein gesunder Mix in der Berichterstattung kann den Printmedien nur gut tun. Hoffentlich gibt es ein Umdenken in Hannover und die Region wird wieder ein „Myheimat-Land“. Damit es mit myheimat wieder aufwärts geht!
es ist ja nun eigentlich schon alles gesagt - und trotzdem gebe ich meinen Senf noch dazu.....
Der Madsackkonzern hatte sich vielleicht durch mH nur eine weitere Möglichkeit erhofft, Anzeigenkunden zu erhalten. Und wenn man dann mal (ich kann nur Hannover beurteilen) ansieht, wie viele Anzeigenblätter bzw. Medienvertreter den Groß- und Einzelhandel bearbeiten, ist es kein Wunder, wenn das ein- oder andere Medium wegen Verlust wieder eingestellt wird. Die Redakteure, die "früher" mH mit betreut haben, hatten soweit ich weiß, doppelte Arbeit bei gleicher Zeit und gleichem Geld: einerseits "ihre" Stadtteilausgabe zu betreuen und zusätzlich die Artikel in MyHeimat auszuwerten. Die sog. Medienberater - spricht Anzeigenverkäufer - mußten doch in erster Linie für "ihr" Anzeigenblatt bzw. Stadtteilausgabe Kunden ranschaffen und dann erst in zweiter Linie für die Printausgabe von Myheimat. Irgendwo biß sich da wohl die Katze in den eigenen Schwanz?
Als die Printausgaben eingestellt wurden, habe ich mich auch gefragt, was machst Du jetzt? Die Antwort für mich war: Du hast doch schon für mH geschrieben, bevor es die Printausgaben gab - also lag bei mir jedenfalls die Motivation am eigenen Schreiben und nicht am gedruckt werden, somit: weitermachen!!!