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Erinnerungen an grausige Kapitel hannoverscher Justizgeschichte: Matthias Blazek recherchierte in alten Quellen

  • Die Gerichtslaube am Alten Rathaus. Hier wurde der Stab über die Verurteilten gesprochen. Hinrichtungen erfolgten anschließend entweder nebenan auf dem Altstädter Markt oder draußen vor den Stadttoren auf dem Steintorfelde.
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Für rechtsgeschichtlich Interessierte und für Heimatkundler gleichermaßen spannend zu lesen: Der Historiker Matthias Blazek – übrigens auch MyHeimat-Autor – hat die Kriminaljustiz in und um Hannover vom Mittelalter bis 1866 erforscht und in seinem neuen Buch eine umfangreiche Quellensammlung zusammengetragen. Blazek wertete in den Archiven Arbeiten hannoverscher Chronisten sowie Berichte alter Zeitungen aus und gibt einen detailreichen Überblick über das historische Geschehen rund um die öffentliche „peinliche Halsgerichtsbarkeit“, also der Bestrafung an Leib und Leben.

Die Quellenlage ist unterschiedlich. Manchmal wurden grausige Details überliefert. So berichtete Heinrich Bünting über die Exekution zweier Raubmörder im Jahre 1571. Bünting war Prediger in der Calenberger Schlosskapelle und Augenzeuge der Hinrichtung von Manoah und Simon aus Schwerin. In der Herberge „Zum weißen Roß“ in Springe ermordeten die beiden Übeltäter die Wirtin und ihre zwei Kinder. Die Täter waren jüdischen Glaubens, Bünting bekam den Auftrag, sie vor ihrem Tod zum Christentum zu bekehren. Nur bei einem der beiden, dem 22jährigen Simon, gelang dies dem Geistlichen. Simon wurde trotzdem auf besonders grausame Art und Weise vom Leben zum Tode befördert. Auf den Weg zur Hinrichtungsstätte vor der Veste Calenberg wurde er mit glühenden Zangen gezwickt, dann zerstieß der Scharfrichter mit einem Rade die Arm- und Beinknochen, schnitt ihm danach den Bauch auf und riss das Herz heraus. Anschließend wurde dem Toten der Kopf abgeschlagen und die Leiche noch gevierteilt. Sein Komplize, der sich nicht hatte bekehren lassen, sei, so berichtet Bünting, vor seinem Tod „noch viel grewlicher gemartert“ worden.

Selten liegen so ausführliche Berichte über die Strafjustiz vergangener Seiten vor. Vor allem bei Vorgängen im finsteren Mittelalter lassen sich Hinrichtungen und andere Leibesstrafen nur mittelbar aus den Lohnregistern des hannoverschen Rates ersehen. So bekam ein Scharfrichter 1480 für die Hinrichtung zweier Täter 12 Schilling,1481 für die Stäupung der „Vasel’chen“ sechs Schilling. Bei einer Stäupung wird der oder die Verurteilte am Pranger geschlagen. 1488 mussten aus der Stadtkasse 18 Schillinge für die Verköstigung der „Stockmeister“ (das waren die Büttel bzw. Wärter) gezahlt werden, als sie im Keller unter dem Alten Rathaus einen gewissen Hans Lange unter der Folter verhörten.

Der Autor dieser Buchbesprechung ist vor allem an der Geschichte der ehemaligen Dörfer Döhren und Wülfel – heute Stadtteile von Hannover – interessiert. Und auch hierzu fand sich in dem Werk von Matthias Blazek ein interessantes Detail: 1719 erschoss man bei Döhren einen Gardereiter. Grund für die Hinrichtung: Der Gardist hatte selbst zuvor einen Kameraden erschossen.

Leider ging der Wahnsinn der Hexenverfolgungen auch an Hannover nicht vorbei. An der Leine mussten wie in anderen deutschen Landen ebenfalls eine ganze Reihe unschuldiger Frauen als „Zauberinnen“ auf dem Scheiterhaufen vor den Toren der Stadt ihr Leben lassen. Matthias Blazek stieß unter anderem auf den Vorgang der „Ehefrau Strack“, die 1605 von der der Zauberei angeklagten Catharina Frierck unter der Folter als ihre „Lehrerin“ denunziert worden war. Die „Strack’sche“ hielt jedoch der Tortur stand und war nicht zu einem Geständnis zu bewegen. So kam die Obrigkeit zu dem Schluss, dass „der Teufel leibhaftig bey ihr gewesen, und ihr die Zunge gehalten, dass sie die Wahrheit nicht bekennen müssen.“ Man entschloss sich zur Wasserprobe. Die arme Frau wurde am 10 Mai 1605 des Nachts durch den Scharfrichter Meister Christoph und seine Schinderknechte mit gebunden Händen und Füßen in den Stadtgraben geworfen. Letztendlich fischte man sie nur noch tot heraus, aber die Delinquentin war nicht sofort untergegangen. Man kam überein, ihren Leichnam gleichwohl zu verbrennen. Ein Scheiterhaufen stand eh bereits bereit, weil dort Catharina Frierck in den Flammen sterben sollte.

Die Geschichte hatte allerdings ein juristisches Nachspiel. Der Rat der Stadt versäumte es, bei der Prozedur den Stadtvogt als Vertreter des Landesherrn hinzuzuziehen und handelte sich damit eine geharnischte Beanstandung ein. Doch Hannover pochte auf sein Recht zur eigenen peinlichen Halsgerichtsbarkeit und klagte gegen seinen Herzog vor dem Reichskammergericht in Speyer (neben dem Reichshofrat in Wien eines der beiden höchsten deutschen Gerichte im alten Reich). Der Prozess endete erst durch einen Vergleich 1619 mit dem neuen Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Immerhin hatte der Streit mit dem Fürsten auch sein Gutes. In der ganzen Zeit gab es keine Hexenverfolgungen in der Leinemetropole. Lieber ließ der hannoversche Rat der Zauberei verdächtige Personen laufen, als sich dem Diktum des Landesherrn zu beugen.

Vergessener Mordfall: Alle Welt kennt die berühmten Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel und seine Schwester Caroline. Die beiden Sternebeobachter hatten noch einen Bruder, den Hofmusikus Jakob Herschel. Ende Juni 1792 wurde seine Leiche im Lister Felde aufgefunden. Er war mit einer Schnur erdrosselt worden. Der Täte konnte nie ermittelt werden.

Klar, Hannovers bekanntester Räuber findet ebenfalls seinen Platz in dem Buch von Matthias Blazek. Umfangreich beschäftigt sich der Autor mit Jasper Hanebuth, dem aus Groß-Buchholz stammenden Raubmörder. Neben zahlreichen Diebstählen gestand er 19 Morde unter der Folter. Dafür wurde Hanebuth „1653, dem 4. Februarii … mit dem Rade gerechtfertiget und daraußen bey dem Galgen auf das Rad geleget.“ Nach dem Schauspiel ließen es sich die Vertreter der Obrigkeit gut gehen. Wie heißt es in einem alten Bericht: „Nach der Exekution wurden einem löblichen alten Herkommen gemäß Bürgermeister, Gerichtsherren und Magister im Rathskeller auf Stadtunkosten bewirthet.“

Das Buch von Matthias Blazek, „Ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte – Hexenprozesse, Galgenberge, Hinrichtungen, Kriminaljustiz in Hannover vom Mittelalter bis 1866“, ist für 29,90 Euro im ibidem Verlag (ISBN 978-3-8382-1517-4) erschienen.

  • Die Gerichtslaube am Alten Rathaus. Hier wurde der Stab über die Verurteilten gesprochen. Hinrichtungen erfolgten anschließend entweder nebenan auf dem Altstädter Markt oder draußen vor den Stadttoren auf dem Steintorfelde.
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  • Jaspers Bruder: Der Grabstein des Hinrich Hanebuth (gestorben 1661) befindet sich an der Bothfelder Kirche.
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  • Der Neidkopf am Alten Rathaus sollte das Unheil und Böse abwehren. Unter ihm tagte das städtische Gericht.
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