Spaziergang in die Kindheit
"Der Döhrener Jammer ist eine historische Arbeitersiedlung im hannoverschen Stadtteil Döhren. Sie entstand ab 1869 für die Arbeiter der im Vorjahr gegründeten Döhrener Wollwäscherei und -kämmerei (Döhrener Wolle) und wurde in mehreren Abschnitten bis 1927 erweitert. Die Siedlung gilt als herausragendes Beispiel für die Wohn- und Lebensbedingungen während der Industrialisierung Hannovers“, so heißt es auf der Wikipedia-Enzyklopädie im Internet.
In dieser Siedlung in Döhren verbrachte ich meine Kindheit, an die ich gern zurück denke. Zunächst in der Allerstraße, später dann in der Rheinstraße wohnte ich bei meinen Eltern. Großeltern, Tanten und Onkel lebten ebenfalls dort. Spielkameraden im selben Altersbereich gab es damals genug. Zusammen mit den Nachbarskindern Achim, Jürgen, Dieter, Peter und Anderen konnten wir schwerpunktmäßig in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts in dem Bereich, zu der auch die Emsstraße, Werrastraße und Weserstraße zählten, Fußballspielen, mit Fahrrad oder Tretroller fahren, oder einfach durch die Gegend stromern. Der Autoverkehr war damals noch überschaubar. Der Nachbarschaftsgedanke war gut ausgeprägt, die Eltern kannten sich ja zumeist über denselben Arbeitgeber.
An einem sonnigen Apriltag dieses Jahres nutzte ich die Gelegenheit, in der „alten Heimat“ noch einmal einen Spaziergang zu unternehmen. Gepflegt und ordentlich war es, mit schönen kleinen Vorgärten, so der Eindruck. Die Häuser waren ab 1981 an Privatinteressenten veräußert und sukzessive saniert worden. Irgendwie war es wie damals in der Kindheit, jedoch erschien es heute irgendwie kleiner als in der kindlichen Erinnerung. Die Hausnummern wurden teilweise geändert, und die Straßenbeläge wurden zwischenzeitlich erneuert - seinerzeit spielten wir auf Schotter oder Sand, unsere Kleidungsstücke sahen damals auch oftmals entsprechend aus. Aber es war eine lebenswerte Umgebung, in der Kinder toben und sich wohlfühlen konnten. Auch andere ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner von damals sprechen heute noch gut über diese Zeit. Ach ja, damals fuhr auch noch die "Wolle-Bahn" entlang der Siedlung bis zum Werksgeländ, immer ein Ereignis für uns.
Mit einigen heutigen Anwohnerinnen und Anwohnern bin ich bei meinem Spaziergang ins Gespräch gekommen, freundliche Menschen, die interessiert waren, als ich ihnen von meiner Kindheit auf dem Döhrener Jammer erzählte und die heute auch gern dort wohnen.
In der Siedlung waren von Anfang an Arbeiter der Döhrener Wollwäscherei untergebracht. Zur Namensgebung noch einmal die Ausführungen der Enzyklopädie: "Im Volksmund Döhrener Jammer resultiert vermutlich daraus, dass die Arbeiter schlecht bezahlt wurden. Sie wurden aus dem Eichsfeld angeworben und waren überwiegend katholisch, fast schon ein Affront im evangelischen Döhren.“ Dieses „letzte erhaltene lokale Zeugnis für diese Form des Arbeitersiedlungsbaus im norddeutschen Raum steht als Gesamtensemble heute unter Denkmalschutz.“ Sicher werde ich in dieser sehenswerten Siedlung gelegentlich weitere Spaziergänge unternehmen, auch um manche Erinnerungen aus der Kindheit noch einmal gedanklich Revue passieren zu lassen.