Das schönste Schloss Hannovers baute sich ein Bürgerlicher
Burgen und Schlösser in der Region Hannover - Teil 3: Die Schlösser der Stadt Hannover -
Eines der schönsten hannoverschen Schlösser baute sich ein Bürgerlicher. Von 1884 bis 1886 ließ Friedrich Willmer auf seinem Rittergut in Waldhausen eine imposante vierstöckige Villa mit 75 Zimmern errichten. "Tränenburg" wurde der schlossartige Prachtbau im Volksmund genannt, angeblich, weil das Werk nur unter den Tränen der ausgebeuteten Arbeiter zustande kam. Tränenreich war auch das Ende. Trotz lautstarken Bürgerprotestes fiel das Schloss Willmer 1971 der Fallbirne zum Opfer. Als "Fortsetzung der Kriegszerstörung mit anderen Mitteln" beurteilte damals die machtlose Denkmalpflege den Abriß, und die Hannoversche Allgemeine kommentierte: "Ausverkauf an baugeschichtlichen Musterstücken". Doch wenn auch die Bomben des Krieges und die Spitzhacke der Bauarbeiter so manches Schloß und Palais zerstörten, eine ganze Reihe dieser Prunkbauten blieb doch erhalten. Sie zählen heute zu den städtebaulichen Glanzpunkten der Landeshauptstadt. Aber der Reihe nach.
An der Posthornstraße in Linden laden zwei hübsche Torhäuser zu einem Spaziergang unter den schattigen Bäumen des Von Alten Gartens ein. Der Park, der inzwischen um ein Vielfaches kleiner ist als einst und von Straßen zerschnitten wird, umgab früher einen Herrensitz, der alten Quellen zufolge zu den vornehmsten Barockschlössern des Landes gezählt haben soll. Der zweite Welt-krieg machte mit dem Prunk jedoch kurzen Prozess. Am 25. März 1945 versank das Lindener Schloss in Schutt und Asche. Knapp 250 Jahre vorher, im Jahr 1698, ließ ein gewisser Franz Ernst von Platen inmitten seines Lustgartens ein zweistöckiges Herrenhaus aus Fachwerk erbauen. Er hatte das Grundstück von der Familie von Alten erworben. 88 Jahre lang prozessierten die von Alten um die Rückgabe es Geländes, ehe 1816 der Drost von Alten gegen Zahlung von 100 000 Reichstalern wieder Garten und Schloss sein eigen nennen durfte.
Neben den Torhäuschen, dem Park (Von-Alten-Garten) mit der Parkmauer sind nur einige wenige bauliche Überbleibsel geblieben. Schlossfreunde kommen aber im Stadtteil Herrenhausen und der Nordstadt noch auf ihre Kosten. Wenden wir uns also dem Gebiet zu, das durch die „Königlichen Gärten“ zu Weltruhm gelangt ist.
So wie das Lindener Schloss wurde auch der königliche Prachtbau von Herrenhausen ein Opfer des zweiten Weltkrieges. Der Lebenslauf dieses Schlosses mit seiner klassizistischen Fassade begann ganz bescheiden als kleiner Fachwerkbau. 1665 befahl Herzog Johann Friedrich den Abbruch eines Gebäudes auf der Burg Calenberg (heute Stadt Pattensen) und versetzte es als Lusthaus nach Herrenhausen. Damit war der Grundstein für den weltberühmten Großen Garten gelegt. Mehrmals umgebaut und erweitert, brannte das Schloss am 18. Oktober 1943 ab. Geblieben sind nur das Mittelstück der Freitreppe und das als Festsaal des Schlosses in den Jahren 1694 bis 1698 errichtete Galeriegebäude. Aber jetzt haben ja die Pläne zum Wiederaufbau und Rekonstruktion des Schlosses konkrete Formen angenommen, die Bauarbeiter sind schon angerückt und haben ihr Werk begonnen.
In seiner ganzen Schönheit hat sich dagegen das Fürstenhaus ein Stückchen weiter nördlich bis in unsere Zeit herübergerettet. 1721 zog dort die Gräfin Delitzt ein. Seit 1836 im Besitz der Welfenfami-lie, dient es vor kurzem als Herrenhausen Museum.
Während hier der feudale Prunk des Hochadels zu bewundern war, lockt im Georgengarten das Wallmodenschlösschen (Nordstadt) mit kritischer Graphik. In den Räumen dieses in dreijähriger Bauzeit 1782 fertig gestellten Herrensitzes fand das Wilhelm Busch Museum seine Unterkunft. Die Sphinxe auf der Rückseite des Museumsgebäudes stammen von einem 1800 abgebrochenen kleinen Schlös-schen namens Fantaisie.
Öffnungszeiten des Wilhelm-Busch-Museums:
Dienstag bis Sonntags: 11–18 Uhr,
Adresse: Georgengarten, 30167 Hannover, Telefon 05 11/16 99 99-11/16, Telefax 05 11/16 99 99-99
Einzelkarte 4,50 €
Familienkarte 10,- €
Ermäßigt 2,50 €
Führungen: Erwachsenengruppen: 60,- € plus Eintritt; Schulgruppen: 40,- € incl. Eintritt; Zuschlag für Kuratorenführungen: 3,- €.
Alle Ausstellungsräume sowie Garderobe und WC sind barrierefrei zugänglich.
Eng mit dem letzten Kapitel der Geschichte des Königreichs Hannover ist das Welfenschloss verbunden. 1857 wurde das Schlöschen Monbrillant der Gräfin von Platen abgerissen und an seiner Stelle der Grundstein für die neue Sommerresidenz der hannoverschen Könige gelegt. Georg V., seines Zeichens König von Hannover, sollte aber nie darin wohnen. 1866 annektierten die Preußen das Reich König Georgs (er hatte sich im deutsch-deutschen Krieg auf die Seite Österreichs gestellt), und statt eines Hofstaats zog die Technische Universität ein. Heute firmiert die Bildungseinrichtung unter den Namen Leibniz-Universität. In diesem Rahmen ist das Gebäude öffentlich zugänglich. Hinter dem universitären Schloss finden wir den vierten Garten der königlichen Gärten, den außerhalb Hannovers weitgehend unbekannten Welfengarten.
Schräg gegenüber dem Welfenschloss wieder im Georgengarten erzählen zwei sogenannte Kavaliershäuser von einem verhinderten Schlossprojekt. 1826 vom bekannten Baumeister Laves entworfen, waren sie einmal als Dienstbotenwohnung und Pferdeställe für ein neues Gartenpalais des Grafen Wangenheim gedacht. Der hatte sich aber dann doch lieber für das Wangenheimpalais am Friedrichswall entschieden.
Damit wären wir mit unserem Schloss-Rundgang nun in der Innenstadt Hannovers angekommen. Hier am Rand der damaligen Alt-stadt ist in dem kleinen Schlösschen heute ein Teil der Landesver-waltung untergebracht. Von 1852 bis 1882 diente das kleine Schlösschen sogar als königliche Wohnung, von 1883 bis 1983 war es dann das "Neue Rathaus" der Stadt Hannover. Nach Kriegsschäden 1952/53 wiederaufgebaut, ist es nun Domizil des niedersächsischen Wirtschaftsministers.
In Blickweite des Wangenheimpalais liegt die langgestreckte Front des Leineschlosses. Der Bau dieses ältesten hannoverschen Schlosses brachte einen wichtigen Einschnitt in die Geschichte der Stadt: Sie wurde Residenz der Calenberger Fürsten. In nur fünf Jahren zogen von 1637 bis 1642 die Bauleute das Leineschloss damals noch in Fachwerkbauweise für Herzog Georg von Calenberg auf dem Grundstück eines früheren Klosters in die Höhe. Den heutigen monumentalen Säulenportikus erhielt das nach dem Krieg als Landtagssitz wiederaufgebaute Schloss aber erst 1834 durch den Baumeister Laves. Im Rahmen seiner Funktion als Parlamentsgebäude ist das Leineschloss öffentlich zugänglich.
Nicht Fliegerbomben, sondern die Spitzhacken von Bauarbeitern der Nachkriegszeit zerstörten das Friederikenschlösschen auf der anderen Seite der Leine. 1817 errichtet, tagte dort nach dem zweiten Weltkrieg das Finanzgericht. Da das Schlösschen baufällig war, wurde es schließlich abgerissen, noch brauchbare Teile für den versprochenen Neuaufbau im Georgengarten zurückgelegt. Doch von einer Rekonstruktion dieses Schlosses ist heute nicht mehr die Rede. Vielleicht sollte die Bürger den hannoverschen Rat einmal an sein altes Versprechen erinnern!
Eine Mittlerrolle zwischen Schloss und bürgerlichem Wohnhaus nahmen die kleinen städtischen Adelshöfe ein. Verschwunden ist das Alte Palais an der Leinstraße 29 und das Prinzenhaus, das 1705 auf dem Stadtwall erbaut wurde. Die Zeiten überdauert haben aber das Palais des Grafen Grote in der Sophienstraße und - in der Calenberger Neustadt gelegen - der Fürstenhof in der Roten Reihe sowie das schlichte Häuschen derer von Dachenhausen in der Calenberger Straße.
Neben diesen Schlössern und Adelspalais kann Hannover noch einige ländliche Herrensitze in den eingemeindeten Stadtteilen vorweisen. Zwar forderten bei diesen Baudenkmalen ebenfalls sowohl der Krieg als auch der Bauboom späterer Jahre ihren Tribut. Bomben vernichteten das Herrenhaus des Rittergutes Burg und den Herrensitz des Gutes Kronsberg, die Bagger von Bauunternehmen richteten danach noch weitaus größere Verheerungen an.
Neben der bereits genannten Tränenburg in Waldhausen (einst auch Rittergut Döhren II genannt) und den Wettberger Edelhof fiel dem Bauboom das Herrenhaus des Rittergutes Döhren an der Wiehbergstraße zum Opfer. Wenn die vergilbten Fotos nicht täuschen hat vor allem Döhren eine kleine Kostbarkeit verloren: Sein Rittergut an der Wiehbergstraße. Der vieleckiger hohe Turm des Herrenhauses schaute weit in das Land hinaus und die weiße Fassade des Gebäudes markierte für Besucher aus dem Leinetal schon aus der Ferne ihr Ziel. Um 1880 wurde dieses kleine Schlösschen erbaut. Es ersetze einen etwas schlichter gehaltenen Vorgängerbau.
Geblieben ist den Hannoveranern aber das schmucke Herrenhaus des Ritterguts 1 von Bemerode (wohl Ende des 17. Jahrhunderts erbaut) und das in die Mitte des 18. Jahrhunderts datierte Gutshaus von Wülfel (beides Staddteile im Süden Hannovers). Mit in diese Reihe gehört außerdem der Ricklinger Edelhof (Stadtteil Ricklingen, im Südwesten der Stadt). Das Herrenhaus dürfte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf mittelalterlichen Grundmauern eines Vorgängerbaus entstanden sein.
Verlassen wir nun die Stadt Hannover und betreten das Gebiet des ehemaligen Landkreises Hannover. Den hannoverschen Stadtteilen Ricklingen, Döhren und Wülfel benachbart ist die Stadt Hemmingen. Auch hier stoßen wir auf Adelssitze. Davon mehr in der nächsten Folge.
Gliederung:
01. Einleitung / Literaturverzeichnis - 30.10.11
02. Burgen im Stadtgebiet von Hannover - 04.11.2011
03. Schlösser der Stadt Hannover – 13.11.2011
04. Burgen und Herrensitze in Hemmingen - in Vorbereitung