25 Jahre Mauerfall, 24 Jahre Wiedervereinigung – Der Tag der Deutschen Einheit in Hannover
Jedes Jahr wieder am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, denken wir an die Geschehnisse zurück, die sich jetzt vor immerhin schon einem Vierteljahrhundert in der DDR ereigneten. Und da wundert man sich dann doch, dass das schon so lange her ist, hat man doch alles noch ganz deutlich vor Augen. So, als sei es erst vor wenigen Jahren geschehen.
Eigentlich hätte der 9. November der Feiertag werden müssen, war doch an diesem Tag der Mauerfall. In der Nacht der Nächte geschah so Unglaubliches, dass man es auch heute noch wie ein Wunder betrachtet. Doch dieser Tag der Wende war für einen Feiertag ungeeignet, hatte sich doch an diesem Datum, wenn auch 51 Jahre zuvor, am 9. November 1938, die Reichkristallnacht ereignet, die Pogrome gegen die Juden. So wurde dann der 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit erklärt, der Tag, an dem die beiden zuvor doch so unterschiedlichen Länder Punkt Mitternacht am Berliner Reichstag zu einem Land verschmolzen. Es wuchs zusammen, was zusammen gehört, so wie es auch vor dem Zweiten Weltkrieg gewesen war.
Und auch wenn die Wiedervereinigung für die ehemaligen DDR-Bürger alles andere als einfach war und es viele Probleme gab, die es zu lösen galt, was eben seine Zeit brauchte, so ist doch die Deutsche Einheit auf einem sehr guten Weg. Heute, nach einem Vierteljahrhundert, sind die größten Probleme gelöst. Auch wenn noch nicht alles ganz rund läuft, so haben wir doch nun ein einziges Deutschland. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind fast vollkommen verschwunden, und sie werden in Zukunft völlig verschwinden. Das ist für alle Beteiligten ein gutes Gefühl, für die Bürger der neuen und der alten Bundesländer.
Für die jungen Menschen unseres Landes ist der 3. Oktober ein zusätzlicher schöner freier Tag. Für sie, von denen die meisten nur wenig über die Diktatur der DDR und den Kalten Krieg wissen, ist ein einziges Deutschland Normalität. Auch wenn wir Älteren uns inzwischen längst an ein wiedervereintes Deutschland gewöhnt haben, so waren es doch damals für uns zwei völlig unterschiedliche deutsche Staaten, die Normalität waren. Und deswegen können wohl nur wir, die wir das alles selber miterlebt haben, diesen Feiertag so richtig würdigen.
Natürlich denke ich in erster Linie an den 9. November 1989 zurück, den Tag des Mauerfalls, an dem wohl fast alle Deutsche vor dem Bildschirm die Ereignisse ungläubig und fassungslos mitverfolgten. Allen voran wie Günter Schabowski bei der Pressekonferenz in seinen Papieren wühlte und den Satz zurecht stotterte, dass seines Wissens eine Ausreise ab sofort möglich sei. Und dann natürlich die uns allen bekannten Jubelbilder, die so unter die Haut gingen.
Aber auch an den 3. Oktober 1990 muss ich denken. Damals war ich mit meiner Familie zur Wiedervereinigungsfeier in Salzwedel in der ehemaligen DDR. Die Euphorie der aufregenden Tage des Wendjahres zuvor war längst verflogen. Es war eine stille Feier ohne Jubel, ohne Freudenrufe, ohne Tränen. Und viele Menschen in Ostdeutschland wussten nicht so genau, ob sie sich nun freuen sollten, oder auch nicht. Nun konnten sie zwar nach Italien und Österreich in den Urlaub fahren. Sie konnten laut das sagen, was sie sagen wollten. Und sie hatten ein für sie erschlagend großes Warenangebot. Doch wie würde die Zukunft werden? Das abgesicherte Leben war vorbei. Würden sie ihren Arbeitsplatz behalten, oder würden sie ihn verlieren? Und wie würden sie sich in der neuen Welt zurechtfinden? Die Gefühle waren gemischt.
Doch in der Nacht zuvor um Mitternacht hatten wir doch die eine oder andere Träne weggedrückt als wir vor dem Fernseher saßen und der Vereinigungsfeier am Reichstag in Berlin zuschauten. Als die gemeinsame deutsche Fahne hochgezogen wurde, für die neuen Bundesbürger nun ohne Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Und als das nun gemeinsame Deutschlandlied gesungen wurde, was für sie ebenfalls gewöhnungsbedürftig war. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ statt „Auferstanden aus Ruinen“.
25 und 24 Jahre sind nun diese aufwühlenden und aufregenden Ereignisse her, die sich uns so tief ins Gehirn eingebrannt haben. Und nun gibt es jedes Jahr zum 3. Oktober wieder eine Feier. Und wieder ist sie eher still, so wie vor 24 Jahren auch, aber doch auch fröhlich.
In diesem besonderen Jahr hat sie in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover stattgefunden, wechselt sie doch jedes Jahr in ein anderes Bundesland über. Und es war an diesem Tag Kaiserwetter, wie es schöner an einem Oktobertag kaum sein kann. So langsam bunt werdendes Laub auf den Bäumen, und ein tiefblauer Himmel darüber. Und dazu viele Menschen auf den Beinen. Hunderttausende waren es. Und es wurde ihnen so einiges geboten. Rund um das Neue Rathaus war eine Informations- und Partymeile aufgebaut. Weiter verlief sie am Maschsee, am Nordufer bis zum Stadion hin und am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer. Überall waren Zelte und Stände aufgebaut. Bundestag und Bundesrat präsentierten sich ebenso wie die 16 Bundesländer. Und noch viel mehr gab es an Wissenswertem und Interessantem zu erfahren. Natürlich brauchte man schon ein wenig Geduld, um sich durch die Festmeile zu schieben. Aber an einem solchen Tag hat man sie.
Und am Abend gab es dann noch eine Licht- und Lasershow, bei der in knappen, aber prägnanten Worten die Geschehnisse des Kalten Krieges, der Wendezeit und der Zeit danach bis heute behandelt und auf Wasserwänden, durch Fontänen erzeugt, in Bildern gezeigt wurde. Allerdings bekamen davon nicht alle Besucher des dichtgedrängten Festes etwas mit, waren sie doch zu weit entfernt. Und so mancher fragte sich, wann denn nun das große Höhenfeuerwerk, das man vom Maschsee gewohnt ist, beginnen würde. Deswegen gab es viele enttäuschte Gesichter. Doch wenn man richtig stand, am Nordufer unter den Palmen, dann war es eine eindrucksvolle, grandiose Show, wie man sie bis dahin noch nie gesehen hatte.
Der offizielle Teil der Feier fand jedoch an anderen Orten statt. Zunächst ein Gedenkgottesdienst in der Marktkirche, gehalten von Landesbischof Ralf Meister. Im Anschluss konnte man, wenn man denn Glück hatte und an der richtigen Stelle war, einen Blick auf unsere Staatsoberhäupter erhaschen. Bundespräsident Joachim Gauck mit Ehefrau, Bundeskanzlerin Angela Merkel in pinkem Hosenanzug, in dem sie einen flotten Eindruck machte, Ministerpräsident Stephan Weil und Oberbürgermeister Stefan Schostok traten an das wartende Volk heran, winkten den Menschen fröhlich zu und schüttelten Hände.
Danach ging es für die Politprominenz zur Stadthalle hinüber, wo der eigentliche Festakt stattfand. Und niemand hätte passender für eine solche Feier sein können als gerade Gauck und Merkel, die ja beide in der DDR gelebt und den Unrechtstaat selber erlebt und erfahren haben. Doch der wirkliche Star der Veranstaltung war jemand anderes. Das waren die Stimmen der einst aufbegehrenden Bürger der DDR, die so Unglaubliches auf friedliche Weise erreicht haben. Ihnen gilt die Hochachtung aller Deutschen.
Und dann durfte auch noch Klaus Meine, der einst mit den Skorpions auch in Moskau vor Gorbatschow aufgetreten war, seine Wendehymne "Wind of Change" singen. Ohne den früheren sowjetischen Staatschef wäre das alles nicht möglich gewesen. Er wird für immer seinen Platz in der deutschen Geschichtsschreibung haben.
Ministerpräsiden Stephan Weil kann mit diesem Tag zufrieden sein, denn Niedersachsen hat eine würdige Gedenkfeier in Szene gesetzt.
Siehe auch:
Erinnerungen an die DDR - Aus der Sicht eines Westlers
Festung Brocken - Ein Berg einst unbesteigbarer als der Mount Everest