Gletscher
Wie lange wird es den Aletschgletscher noch geben?
Mit 22 Kilometern Länge und einer Fläche von fast 80 Quadratkilometern ist der Aletschgletscher der größte Eisstrom der Alpen. Am Konkordiaplatz, wo Aletschfirn, Jungfraufirn und Ewigschneefeld zusammenfließen und er damit seinen Anfang nimmt, misst er eine Dicke von 800 Metern. Und er bewegt sich in seinen schnellsten Bereichen bis zu 60 Zentimeter am Tag. Das alles ist für alpine Verhältnisse ein gewaltiges Eisgebilde, wenn auch er im weltweiten Vergleich eher zu den kleineren Gletschern gehört. Wer ihn aber betrachtet, z. B. vom 3000 Meter hohen Eggishorn, ihn sogar betritt oder an ihm entlangwandert, der wird davon beeindruckt sein. Und nicht umsonst gehört dieses besondere Gebiet zum Weltnaturerbe der UNESCO.
Aber der Schein des ewigen Eises trügt. Ein langsames, stetiges Abschmelzen seit der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren ist zwar natürlich. Doch seit etwa 1850 hat er, wie die meisten Alpengletscher auch, durch den menschengemachten Klimawandel rund ein Drittel seiner Masse verloren. Immerhin sind noch 10 Milliarden Tonnen Eis übriggeblieben. Doch seit einigen Jahren schreitet die Gletscherschmelze viel schneller voran als bisher angenommen. Wir kennen das ja vom exponentiellen Wachstum der Corona-Zahlen. Je mehr das Eis abschmilzt, desto noch schneller schreitet der Eisverlust voran. Ein Teufelskreis. Seit Beginn des neuen Jahrtausends verliert der Gletscher pro Jahr mehr als fünf Meter an Höhe, Tendenz steigend und zwei Prozent seiner Masse. Man kann sich leicht ausrechnen, wann der Aletsch zum Großteil verschwunden sein wird.
Dieses Schmelzen des Eises wird für den Alpenurlauber in Zukunft zu trostlosen Anblicken führen. Wo sich vorher glänzender Firn zeigte, werden graue Schotterhänge und brüchiger Fels immer mehr zunehmen. Aber es geht nicht nur um ein optisch herrliches Bergpanorama, sondern es gibt noch diverse andere Probleme. So z. B. bei der Wasserversorgung. Wenn auch jetzt gewaltige Wasserströme in die Täler von Rhone und Rhein strömen, so werden sie in naher Zukunft fast versiegen. Und durch das Auftauen des Permafrostbodens werden Bergflanken unsicherer. Das gefrorene Eis kann sie nicht mehr halten. Sie werden abrutschen, und an vielen Orten kann man solche Abgänge schon heute in der Landschaft sehen und muss sie oft hoch umsteigen. Hütten müssen verlegt werden, da der Abgrund immer näher an sie heranrückt, viele Wanderwege können wegen der Steinschlaggefahr nicht mehr betreten werden, verschiedenste Bergtouren sind überhaupt nicht mehr möglich. Und wer häufiger bei Bergtouren in den Alpen unterwegs ist, der sieht Felsabbrüche, manchmal die einer ganzen Wand oder mächtige Eislawinen, die von den Hängegletschern abbrechen mit eigenen Augen und hört das dröhnende Donnern, das sie auslösen.
Das alles betrifft natürlich nicht nur die Alpen, sondern ist ein weltweites Phänomen der Klimaerwärmung. War der Klimawandel für uns vor ein paar Jahrzehnten noch etwas Abstraktes, das in der Zukunft lag, so sind wir nun mittendrin. Die Klimakatastrophe hat uns längst erreicht. In den letzten Jahrzehnten haben sich Naturkatastrophen verdreifacht. Dabei wird es aber nicht bleiben. Wenn wir nicht wirklich viel verändern, wird es schon für die nächsten Generationen dramatisch werden. Während es im Aartal und anderswo Hochwasser gibt und während in Ostdeutschland die riesigen, ungeschützten ehemaligen Feldflächen der DDR teilweise versanden, die an manchen Tagen Autobahnen unbefahrbar machen, so können wir in den Alpen den Klimanotstand jederzeit beobachten. Und das sollte uns nicht nur zu denken geben, sondern uns auch handeln lassen. Nicht nur die Politik und die Wirtschaft, sondern auch jeden einzelnen von uns. Auch wenn man im Kleinen nur wenig bewirken kann, so macht das in der Masse der Menschen doch viel aus.
Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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