Plitvice in Kroatien – das Land des fallenden Wassers und der türkisen Seen
Wasser. Im Wasser ist das Leben auf der Erde entstanden. Es ist unser wichtigstes Lebenselixier. Ohne diesen Zaubertrank könnten wir keine drei Tage überleben. Wir waschen uns damit, wir schwimmen darin und wir mögen den Anblick, egal ob in Bächen, Flüssen, Teichen, Seen oder dem unendlich scheinenden Meer, und unser eigener Körper besteht sogar zu 70 Prozent aus Wasser. Egal wie auch immer. Wir lieben es, wir können nicht ohne, und nicht selten bewundern wir es. So auch in einer ganz besonderen Landschaft in Kroatien.
Natürlich ist es der Nationalpark der Plitvicer Seen, in dem sich eine einzigartige Natur entwickelt hat. Viele kennen sie aus eigener Anschauung, andere vielleicht aus den Karl May Filmen der sechziger Jahre. 16 größere Seen liegen kaskadenartig übereinander, so dass das Wasser von einem zum nächsten dazu gezwungen ist, diesen im freien Fall oder zumindest über Stufen zu erreichen. Und in diesen Zwischenbereichen der Kaskaden, die die Seen miteinander verbinden, baut die Natur durch das Kalkgestein der Gegend Travertin-Barrieren auf, die sich im Laufe von Myriaden von Jahren verändern, wachsen und immer höher werden. So beträgt der Höhenunterschied vom obersten See bis zum Grund der unteren Schlucht immerhin 160 Meter. Das ist nicht wenig, und gerade dadurch entsteht der Reiz dieser besonderen Landschaft.
Aber es ist nicht nur das, sondern es sind auch die Wasserfälle zum Ende der Seen, die durch den Fluss Potok Plitvice entstehen. Der obere hat eine Fallhöhe von fast 80 Metern, der untere von um die 60 Meter. Und man hat Winnetou vor seinem geistigen Auge, wie er mit seinen blauschwarzen Haaren und den edlen Gesichtszügen dekorativ vor diesem eindrucksvollen Hintergrund steht. Auch ist es gerade der erste der Seen, der Kaluderovac See, der an die Verfilmungen erinnert. Er diente dem Film „Der Schatz im Silbersee“, einem der erfolgreichsten deutschen Nachkriegsfilme, als Kulisse.
Während die vier unteren Seen durch ihre senkrechten Felswände wildromantisch wirken, werden die oberen von einer stillen Schönheit geprägt. Umgeben werden sie von urwaldartigen Buchenwäldern, in denen Bären, Wölfe, Luchse, Wildkatzen, Fischotter, Adler und Geier leben. Doch diese Tiere bekommt man normalerweise nicht zu Gesicht, dürfen doch die Wege um die Seenplatte herum nicht verlassen werden. Und das ist gut so, denn so können die Tiere ungestört in dieser unberührten Wildnis leben.
Anders ist es hingegen an den Seen. Da Plitvice eine der großen Touristenattraktionen Kroatiens ist, wird der Nationalpark dementsprechend viel besucht. Allein an unserem Tag waren es 10.000 Menschen. Wir wollten uns besonders schlau anstellen und gleich in der Frühe zur Eröffnung des Parks zur Stelle sein. Aber das hat, wie wir erfahren mussten, einen Nachteil, auch wenn dann erst wenige Menschen unterwegs sind. Da die Sonne noch tief steht, werden die Seen von ihr nur zur Hälfte beleuchtet, so dass deren schöne türkise Farbe auch nur zur Hälfte zu sehen ist. Also besser, man reiht sich in die Menschenschlange ein und beginnt den Besuch im Hochsommer erst gegen neun Uhr. Wir haben es am Folgetag nachgeholt.
Und noch etwas mussten wir nach unserem ersten Besuch vor 40 Jahren, bei dem es diese Menschenmassen noch nicht gab, erfahren, wodurch wir etwas enttäuscht wurden. Nachdem wir auch in diesem Jahr wieder einen extrem trockenen Sommer haben, waren die sonst großartigen Wasserfälle nur dünne Rinnsale. Zudem war die untere Schlucht mit einer riesigen Grotte und Höhle nicht mehr zugänglich, ebenso wie ein Aussichtspunkt über den großen Wasserfällen, von dem man den schönsten Blick auf den „Silbersee“ hatte. Aber natürlich haben wir Verständnis dafür, muss doch diese sensible Natur besonders geschützt werden. Und das wird sie auch, trotz der vielen Menschen, da die Wege nicht verlassen werden. Zum Teil würde das auch gar nicht gehen, da sie auf schmalen Holzstegen über den sumpfigen Untergrund geführt werden.
Man kann die neun Kilometer lange Seenplatte in zwei Etappen erkunden und die unteren und die oberen Seen jeweils an einem Tag umwandern. Wir haben uns jedoch für die Gesamttour entschieden, die rund 20 Kilometer lang ist, haben wir doch von morgens bis abends alle Zeit der Welt. Badesachen hatten wir vorsichtshalber mitgenommen. Doch, wie wir es schon vermutet hatten, ist wie damals das Baden im Jezero Kozjak, dem größten See, nicht mehr erlaubt. Aber auch wenn man bei den besonders schönen Stellen in der Natur manchmal im Stau steht, so gibt es doch auch ruhigere. Und über den großen See fahren fast alle Touristen mit dem Boot, so dass man an seinen sich windenden Ufern nur auf wenige Wanderer trifft. Auch zum Abend hin wird es deutlich ruhiger, sind doch die meisten Touristen am späteren Nachmittag wieder verschwunden. Erst dann konnten wir diese wunderbare Natur so richtig genießen.
Und dabei ist immer wieder Staunen angesagt. Über die türkis leuchtende Farbe des Wassers. Die an manchen tieferen Stellen der kleinen Gewässer zwischen den Kaskaden eine mystisch dunkelgrüne Färbung annimmt. Haben dort unten Nixen und Nymphen ihr Reich? Man freut sich an den größeren und kleineren Wasserfällen. Überall in den urwaldartigen Bereichen zwischen den Seen sucht sich das kühle, klare Nass seinen Weg. Es sprudelt, es plätschert, es spritzt, es rinnt. Unter der glasklaren Oberfläche ziehen Fischschwärme vorbei. Bäume sind vom Ufer ins Wasser gestürzt. Sie sind von einer silbrigen Kalkschicht überzogen, versteinern scheinbar. Überall bunte Libellen. Und dann die Weite der großen Seen die von dichtbewaldeten Berghängen umgeben sind. Das alles und noch viel mehr ist atemberaubend schön. Man staunt und wundert sich darüber, wozu die Natur fähig ist, was für großartige Landschaften sie erschaffen kann. Und auch wenn an diesem Ort viele Menschen unterwegs sind, so ist es doch gelungen, sie auf engen Wegen und Holzstegen so zu kanalisieren, dass die Gewässer selbst und die umgebenden Urwälder bestens geschützt werden. In Plitvice wird gezeigt, wie es gehen kann. Wie auch Mensch und Natur sich arrangieren können. Und das sollte eigentlich weltweit selbstverständlich sein.
Das ist eine unglaublich schöne Landschaft.