Fossilien
Die Mergelgruben bei Misburg, Anderten und Höver – Grünanlagen und -gebiete in und um Hannover

Ein typischer Anblick am südöstlichen Stadtrand Hannovers.
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  • Ein typischer Anblick am südöstlichen Stadtrand Hannovers.
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Ganz im Südosten Hannovers gibt es eine Landschaft, die den meisten Hannoveranern vermutlich gar nicht bekannt ist. In diesem Gebiet ist im Zeitalter der Ober- und Unterkreide vor etwa 70 Millionen Jahren aus den Resten von Meerestieren Kalkgestein, hier der so genannte Mergel, entstanden. Mergel ist ein fast weißes Gestein, auch aus Ton bestehend, das so weich ist, dass es sich in der Hand zerbröseln lässt. In großem Stil wird oder wurde es in Misburg, Anderten und Höver abgebaut. Für die Bauwirtschaft ist es ein wichtiger Rohstoff, der zu Zement verarbeitet wird.
Aktive Abbaugebiete gleichen kahlen, weißen Einöden. Doch so lebensfeindlich diese Gebiete auch sind, so kann man doch in ihnen zumindest Fossilien finden, die Reste einstigen Lebens. Je nach Grube und Gebiet so zum Beispiel Seeigel, Muscheln, Schnecken, Schwämme, Haifischzähne, Ammoniten oder Belemniten, die Arme tintenfischähnlicher Meerestiere, auch Donnerkeile genannt. Und mit Glück auch Pyrit, goldfarbene Kristalle, die deswegen auch Katzengold genannt werden. Mit etwas Geduld und einem geübten Blick kann die Ausbeute nach mehreren Stunden eindrucksvoll sein.
Doch so einfach ist es mit dem Suchen und Finden nicht, denn die Mergelgruben darf man normalerweise nicht betreten. Überall warnen Schilder davor, dass das Betreten strengstens verboten ist und das Lebensgefahr besteht. Doch einmal im Jahr gibt es am Entdeckertag in Höver einen „Tag der offenen Tür“. Dann kann in bestimmten Gebieten gesucht werden. Besonders spannend ist das für Kinder, aber natürlich auch für alle anderen Interessierten. Meines Wissens dürfen aber auch an anderen Tagen Fossilien gesucht werden. Die Firmen Holcim oder Heidelberg-Cement geben dazu Auskunft.

Aber zumindest von den Rändern der Mergelgruben hat man an diversen Stellen schöne Ausblicke. Und das lohnt überall. In Misburg an der Portlandstraße, wo in der Grube auch Führungen angeboten werden, gibt es sogar eine extra dafür angelegte Aussichtsplattform. Von Anderten erreicht man die dortige Grube hinter der Hindenburgschleuse über die Hägenstraße. Wenn man einen kleinen Wall erklimmt, blickt man auf eine sumpfartige Landschaft, einen türkisfarbenen See und nach rechts auf neuere Abbaugebiete. In Höver fährt man am Zementwerk vorbei die Straße hinunter, die zum Mittellandkanal führt. Eine Brücke, von der man zu beiden Seiten eindrucksvolle Ausblicke hat, führt dort in 30 Metern Höhe über die Mergelgrube hinüber. Und natürlich bilden auch die hohen Türme der Zementwerke selber markante Punkte in dieser Landschaft, die unverkennbar auf den Abbau hinweisen.

Oft ist es so, dass der Mensch Landschaften großflächig verändert. Sei es nun beim Braunkohletagebau im Westen und Osten Deutschlands. Bei der Entstehung von Bergwerkshalden im Ruhrgebiet und anderswo, beim Kiesabbau an der Leine, oder aber wie hier im Südosten Hannovers durch den Abbau des Mergelgesteins. Doch nur während der Abbauphase ähneln diese Gebiete trostlosen Mondlandschaften. Danach darf sich die Natur, unterstützt vom Menschen, auf diesen Flächen frei entfalten, und dadurch entstehen völlige neue Lebensräume. Riesige Seenlandschaften, die Wasservögeln Lebensraum bieten, bewaldete Berge in einer bis dahin flachen Landschaft und wie hier bei uns Biotope, die einen Lebensraum für ganz spezielle Pflanzenarten und zum Teil auch Tiere bieten. Und diese Gebiete bereichern die Natur und lassen Artenvielfalten entstehen, die es sonst an diesen Orten nicht geben würde. In den Mergelgebieten finden salzliebende Pflanzen einen Lebensraum, auch Arten, die auf der Roten Liste stehen. So zum Beispiel Gefärbtes Laichkraut, Einspelzige Sumpfbinse, Kleines Tausendgüldenkraut oder Salz-Bunge. Ebenso bieten die Teiche und Tümpel einen Lebensraum für Amphibien wie Kammmolche und Zauneidechsen und natürlich für viele Insektenarten, allen voran die Libelle und auch Grashüpferarten. Diese Biotope können allerdings nur erhalten bleiben, wenn das Grundwasser ständig abgepumpt wird. Ansonsten würden die Gruben innerhalb weniger Wochen volllaufen.
Natürlich haben große Eingriffe in unsere Kulturlandschaft auch immer eine Kehrseite. Es werden eben andererseits dadurch auch Landschaftsräume nicht nur verändert, sondern auch zerstört. Doch bei Anderten und in Höver sind es in erster Linie kahle Feldlandschaften, auf die man auch gut verzichten kann. Kritisch dagegen ist die Lage in Misburg, meinen doch Naturschützer, dass dem wertvollen Misburger Wald Wasser entzogen wird. Und wenn dem so wäre, dann wäre ein weiterer Abbau nicht akzeptabel.
Wie dem nun auch sei. Jedem Interessierten kann ich empfehlen, sich diese Landschaften, vielleicht bei einer Fahrradtour, mal anzuschauen. Auch ein Fernglas dabei zu haben ist nicht verkehrt, kann man doch mit etwas Glück mal Graureiher, Rehe, Wildschweine, Hasen, Eidechsen oder oben am Himmel Bussarde und Milane beobachten. Wer gern in der Natur unterwegs ist, kann in den Mergelgebieten oder auch nur von dessen Rändern aus Eindrucksvolles erleben. Und das lässt das Herz so manchen Naturliebers höher schlagen.

Siehe auch: Misburgs spannende und versteckte Natur entdecken

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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