Ein neuer Feiertag für Norddeutschland - Wittenberg und Schloss Hartenfels in Torgau, das geistige und das politische Machtzentrum der Reformation
Am 31. Oktober 2018 können sich viele Berufstätige in den Bundesländern Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein freuen. Um zumindest süddeutschen und ostdeutschen Bundesländern näher zu kommen, wurde ein weiterer Feiertag eingeführt, der Reformationstag. Dass es nun gerade dieser Tag werden musste, war umstritten und das zu Recht. Hätte es doch auch ein Buß- und Bettag getan oder sonst irgendein anderer, vielleicht weltlicher Anlass, den man sicher gefunden hätte. Doch bei den Kontroversen im Niedersächsischen Landtag darum, kam dann, trotz der antisemitischen Einstellung Luthers, ein klares Ergebnis der Abgeordneten zustande. In meinen Augen ist es nicht gerade feinfühlig gegenüber dem jüdischen Glauben, und ich hätte mir einen anderen Feiertag gewünscht. Doch nun ist es, trotz aller Einwände, der Reformationstag geworden.
Und natürlich – auch das ist verständlich – ist gerade dieser Tag, abgesehen von Luthers feindlicher Einstellung zu den Juden, die ihn in in den letzten Jahrzehnten von seinem überhöhten Sockel herunter geholt hat, ein ganz besonderer Tag, der die europäische Welt vor einem halben Jahrtausend vollkommen verändern sollte. Mit diesem aus kirchlicher Sicht unerhörtem Vorgang wurde dem Mittelalter und einem mittelalterliches Verhalten auf vielen Gebieten kurzerhand ein Ende gesetzt. Und das von einem eher unbedeutenden Mönch, der nach einer Reise nach Rom die Laster und Missstände der Kirche und deren unmoralisches Eintreiben von Geldern durch Ablasszettel anprangerte. Immerhin 95 Thesen trug er zusammen, die er zwar nicht an die Schlosskirche von Wittenberg schlug - was wohl nach heutigem Wissen eine schöne Legende ist -, sondern sie an kirchliche Würdenträger verschickte.
Und dass in einigen Bereichen der Katholischen Kirche tatsächlich auch heute noch das Mittelalter hochgehalten wird – z. B. durch den Zölibat oder das Verbot von Pille und Kondomen -, das ist eigentlich unfassbar. Immerhin konnte sich die Kirche 1992 dazu durchringen, die Thesen Galileos Galileis anzuerkennen, ihn zu rehabilitieren. Nun stand auch für sie die Erde nicht mehr im Mittelpunkt unseres Universums. Ein Fortschritt. Es werden wohl noch andere folgen müssen, ehe die Kirche das Mittelalter wirklich hinter sich lassen kann.
Durch die Reformation, die Martin Luther auslöste, sollte sich also die Welt unserer Vorfahren vollkommen verändern. Und das nicht immer zum Guten, denn sie löste damit auch Kriege aus. So z.B. den Dreißigjährigen, der die Mitte Europas über Jahrzehnte verwüstete. Aber es wurde ein Neuanfang geschaffen. Die Welt veränderte sich, und damit auch das Weltbild der Menschen. Mit der Reformation wurde die Zeit der Aufklärung angeschoben, die nicht lange nach Luther begann. Es entstand eine neue Welt. Ob Musik, Kunst, Wissenschaft, Soziales oder Politik. Fast jeder Lebensbereich der damaligen Menschen wurde auf irgendeine Art beeinflusst und verändert. Auf vielen Gebieten begann eine rasante Entwicklung, die völlig neue Horizonte eröffnen sollte.
Und natürlich ist die Reformation wegen dieser weltbewegenden Geschehnisse ein besonderes Ereignis, das schon gewürdigt werden sollte. Aber musste es dazu herhalten, um das Kontingent der Feiertage aufzufüllen? Das zeugt nicht gerade von Sensibilität.
Wie dem auch sei. Wer den Orten der Reformation einmal nahe sein möchte, der kann diese geschichtsträchtigen Böden besuchen. Wo sie stattgefunden hat, wo der Reformator gelebt hat und wo er politische Unterstützung erhalten hat. Das ist natürlich Wittenberg, wo Luther an der Stadtkirche gepredigt hat, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte. Das ist die Wartburg, wohin er, nachdem er von der Kirche für vogelfrei erklärt wurde, in Sicherheit gebracht und dort für einige Zeit als Junker Jörg versteckt wurde. Und das ist auch Torgau mit Schloss Hartenfels, dem Regierungssitz der Sächsischen Fürsten und dem politischen Machtzentrum der Reformation.
Diese Orte, die unbedingt einen Besuch lohnen, möchte ich mit einigen Bildern vorstellen. Dort ist vor 500 Jahren Weltgeschichte geschrieben worden. Tatsächlich auch in Worten, die sich durch den von Gutenberg erfundenen Buchdruck in der ganzen westlichen Welt unaufhaltsam ausbreiteten.
Siehe auch: Auf Martin Luthers Spuren zur Wartburg
Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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