Gedenken an Romano Guardini auf Burg Rothenfels

Romano Guardini, wie ihn die Jugend auf der Burg Rothenfels erlebte | Foto: Burg Rothenfels
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Am 1. Oktober 2018 jährt sich zum 50. mal der Todestag des Lebens-, Religions- und Kulturphilosophen Romano Michele Antonio Maria Guardini. Aus diesem Anlass werden auf Burg Rothenfels am Main Gedenkveranstaltungen durchgeführt. Zu der ersten Gedenktagung lud der Quickborn Arbeitskreis vom 9. bis 11. März 2018 auf die Burg ein. Referentin war die Religionsphilosophin und Guardini-Expertin Frau Professor Dr. Dr. h.c. Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz. Sie hielt zwei eindrucksvolle Vorträge: 1. Spuren eines Lebens. Guardini, auch von einer unbekannten Seite, 2. Der neue Anfang. Zu einem Grundmotiv Guardinis.

Die jetzigen Ausführungen lehnen sich an den ersten Vortrag und eigene Forschungen zu Romano Guardini an. Guardini wurde am 17. Februar 1885 als ältester von vier Söhnen des Romano Tulio Guardini und seiner Ehefrau Paola Maria, geb. Bernardinelli, in Verona/ Italien geboren. 1886 siedelte die Familie nach Mainz um, wo der Vater als Teilhaber einer italienischen Importfirma eine Niederlassung eröffnete. 1911 nahm Romano Guardini die deutsche Staatsbürgerschaft an. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters 1019 kehrte die Familie nach Italien zurück, Romano aber blieb in Deutschland. Seine Erziehung hat Guardini selbst als streng, autoritativ und liebevoll zugleich geschildert.

In Mainz besuchte Guardini ab 1894 das Humanistische Gymnasium, wo er 1903 die Reifeprüfung ablegte. Danach folgte ein mühseliger und ihn psychisch schwer belastender Berufsfindungsprozess. Zunächst schrieb sich Guardini für das Chemiestudium an der Universität Tübingen ein, dann erfolgte von 1904 bis 1906 das Studium der Nationalökonomie an den Universitäten München und Berlin. Nach innerem Ringen entschloss er sich gegen den Wunsch der Mutter zum Studium der katholischen Theologie, das er von 1906 bis 1908 an den Universitäten Freiburg i. Br. und Tübingen absolvierte. Die Studienjahre in Tübingen trugen zu Guardinis geistiger Weite und Offenheit bei. Inspirierend waren für ihn Besuche im Kloster Beuron, einer Erzabtei des Benediktinerordens. Einschränkender erlebte er die Zeit von 1908 bis 1910 im Priesterseminar in Mainz. Am 28. Mai 1910 empfing er die Priesterweihe im Mainzer Dom.

1910 trat Guardini seine erste Kaplansstelle in Heppenheim/Bergstraße an, weitere folgten in Darmstadt, Worms und Mainz. Im Herbst 1912 wurde er auf eigenen Wunsch zum Weiterstudium an der Universität Freiburg i. Br. freigestellt. 1915 promovierte er zum Dr. theol. mit einer Arbeit über Bonaventura. 1922 habilitierte er sich mit einer weiteren Forschungsarbeit über Bonaventura an der Universität Bonn. Nach dem Abschluß der Promotion 1915 hatte er gleichzeitig mit der Kaplanstätigkeit in verschiedenen Mainzer Pfarreien die Leitung der Juventus, einer Gruppe junger Gymnasiasten übertragen bekommen. Die Jugendarbeit sollte für ihn genauso entscheidend und prägend werden wie das akademische Wirken. Über diese Juventusgruppe kam Guardini in Verbindung mit der katholischen Jugendbewegung, der er in den 20er Jahren Orientierung und Profil geben sollte. Die Jugendarbeit bei Juventus regte Guardini zu seinem ersten Besuch auf Burg Rothenfels an Ostern 1920 an. Die Begegnung mit dem 1909 gegründeten Quickborn, dem katholischen Wandervogel, wurde für beide von weitreichender Bedeutung. Aus der Jugendarbeit jener Jahre erwuchsen die Schriften "Aus einem Jugendreich" (1919), "Neue Jugend und katholischer Geist" (1920) und "Briefe über Selbstbildung (1921), die sich mit dem neuen Lebensgefühl und Themen wie Autonomie der Jugend, Autorität und Ganzheitlichkeit des Menschen auseinandersetzten. Die katholische Jugendbewegung war eng verbunden mit einem Aufbruch der Theologie, der kirchlichen Erneuerung und der Liturgiebewegung, deren engagierter Sprecher und Förderer Guardini wurde. Wegweisend war seine Schrift "Vom  Geist der Liturgie" (1918).

Nach seiner Habilitation 1922 war Guardini bis zum Wintersemester 1922/23 Privatdozent für Systematische Theologie an der Universität Bonn. Seine öffentliche Wirksamkeit begann mit der Übernahme des neu geschaffenen Lehrstuhls für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung an der Universität Berlin, formell an der theologischen Fakultät der Universität Breslau, da weder die evangelisch-theologische noch die philosophische Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin zur Anbindung des neuen Lehrstuhls bereit waren. Guardini verstand es, durch seine einfühlsame Art und seinen kulturellen Weitblick die Voreingenommenheiten des laizistischen Berlins gegen einen katholischen Lehrstuhlinhaber aufzubrechen. Aufgrund seiner existentiellen Denkweise gewann er Hörer aus allen Fakultäten. Im Rahmen seiner gleichzeitigen Seelsorgeaufgaben feierte Guardini die Eucharistie einige Jahre mit den Fürsorgestudentinnen der Sozialen Frauenschule des Katholischen Frauenbundes Deutschlands (KDF) in Berlin-Charlottenburg. Ferner hielt er Vorlseungen an der von Alice Salomon mitbegründeten Deutschen Akademie für Soziale und Pädagogische Frauenarbeit, die der Höherqualifizierung von Frauen für leitende Berufe in der Sozialen Arbeit, der Krankenpflege, der Hauswirtschaft und des Unterrichts an Berufsschulen diente. 

1924 wurde Guardini Mitherausgeber der auf Burg Rothenfels redigierten Zeitschrift "Schildgenossen", die in ihrem kulturellen Einfluss auf die Intelligenz dem "Hochland" von Carl Muth vergleichbar wurde. Unter seiner geistigen Führung weitete sich die Jugendbewegung von Burg Rothenfels zur Kulturbewegung. Die dortigen "Werkwochen" prägten einen neuen Stil der Jugend- und Erwachsenenbildung, wie er später an Volkshochschulen sowie Katholischen und Evangelischen  Akademien aufgegriffen und fortgesetzt wurde. So wuchs Guardini in die Aufgaben der Burg- und Bundesleitung hinein, die er 1927 übernahm und bis 1939 ausübte. Burg Rothenfels wurde immer mehr zu einer Kraft, die da Leben des christlichen Deutschlands mitformte (Gerl 1985, S. 214). Guardini hielt die Burg für verschiedene Kreise offen, wobei die Tagungen ein hohes intellektuelles und künstlerisches Niveau hatten.

1939 wurden Guardini durch das nationalsozialistische Regime beide Aufgabenbereiche entzogen: Ende Januar teilte ihm das Kultusministerium die Aufhebung seines Lehrstuhls mit, Anfang August wurde die Burg Rothenfels beschlagnahmt.

Die nächsten Jahre verbrachte Guardini sehr zurückgezogen mit schriftstellerischen Arbeiten, seit 1943 bei seinem Freund Josef Weiger in Mooshausen im Allgäu, den er im Winter 1906 in einem Tübinger Hörsaal kennengelernt hatte.

1945 begann Guardinis zweite Phase öffentlicher Wirksamkeit. Der württembergische Kultusminister übertrug ihm eine Professur "ad personam" für Religionsphilosophie und christliche Weltanschauung an der Universität Tübingen. 1948 sprach ihm die Philosophische Fakultät der Universität München einen gleich orientierten Lehrstuhl zu. Guardini war frei in der Wahl seiner Vorlesungsthemen. Er hielt, wie Jahre zuvor, Vorlesungen über Platon, Pascal, Hölderlin, Dante und Augustinus, ferner über "Grundfragen der Ethik" und "Grundzüge einer Theorie der religiösen Existenz". 1962 wurde er mit 77 Jahren emeritiert. Sein Alter wurde belastet durch eine schmerzhafte Krankheit: eine Trigeminusneuralgie.

Guardini hat wie kaum ein anderer Philosoph und Theologe des 20. Jahrhunderts Anregungen und Hilfen zur Bewältigung existentieller Lebensfragen aus dem christlichen Menschen- und Gottesbild aufgezeigt. Als Interpret der Werke von Pascal, Augustinus, Hölderlin, Rilke und Sokrates hat er bis heute kulturschöpferische Spuren in den Geisteswissenschaften hinterlassen. Guardinis Ansehen in Deutschland und darüber hinaus in Europa fand in zahlreichen Ehrungen Ausdruck. 1952 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, 1954 den Ehrendoktor für Philosophie der Universität Freiburg, 1962 den "Erasmus-Preis" für außerordentliche Verdienste um die europäische Kultur und 1965 das Bundesverdienstkreuz mit Stern. Für die Weltkirche gewinnt er Glaubensansporn und weltweite Bedeutung durch die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses 2016.

Literatur:
Binkowski, Johannes: Jugend als Wegbereiter. Der Quickborn von 1909-1945. Stuttgart 1981.
Biser, Eugen: Interpretation und Veränderung. Werk und Wirkung Romano Guardinis. Paderborn 1979.
Gerl, Hanna-Barbara: Romano Guardini 1885-1968. Leben und Werk. 2. Aufl. Mainz 1985.
Gerl-Falkowitz, Hanna-Barbara: "...dass in eine Zeit, die so ohne Boden ist, ein Mann gestellt wird wie Guardini...". In: Die Tagespost. 23. Juli 2016, S. 13.
Hermanns, Manfred: Guardini, Romano Michele Antonio Maria - Lebens-, Religions- und Kulturphilosoph und wegweisender Pädagoge. In: Maier, Hugo (Hrsg.), Who is who der Sozialen Arbeit. Freiburg i. Br. 1998, S. 219-222.
Mauss, Kirsten: Die Bedeutung Romano Guardinis für die Sozialpädagogik und Sozialarbeit. In: Breuer, Karl Hugo (Hrsg.), Jahrbuch für Jugendsozialarbeit. Bd. XIII. Köln 1992, S. 235-279.
Schilson, Arno: Perspektiven theologischer Erneuerung. Studien zum Werk Romano Guardinis. Düsseldorf 1986.
Schuster, Hermann Josef (Hrsg.): Guardini Weiterdenken. Berlin 1993.
   

Bürgerreporter:in:

Manfred Hermanns aus Hamburg

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