Licht und Schatten beim Christopher-Street-Day in Hamburg

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Schon früh um sechs Uhr am Samstag, des 7. August 2010 luden die Mitglieder des gemeinnützigen Vereins TransBorderLes e.V. ihre Siebensachen in einen Anhänger, um pünktlich den CSD in Hamburg erreichen zu können. Da inzwischen jeder Handgriff sitzt, war der Stand nahe der Alster am Jungfernstieg schnell aufgebaut.

Schon während der Aufbauphase kamen die ersten Gäste, um die Mitglieder des Vereins herzlich zu begrüßen und erste Gespräche zu führen.
„Diese Leute sind mir seit vielen Jahren bekannt und haben mir manch hilfreichen Tipp gegeben. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne sie wäre? Ich habe auf ihr Anraten hin eine Therapie begonnen und bin heute wesentlich stabiler als früher. Ich habe Zeiten erlebt, in denen ich mich vor Angst nicht mehr aus der Wohnung getraut habe. Das ist jetzt vorbei und ich bin Herrn van Herste und den Leuten vom Verein sehr dankbar dafür“, erklärte eine als Kind sexuell missbrauchte Lübeckerin voller Freude.

Im Laufe des Tages konnten viele Gespräche geführt werden. Die erste Vorsitzende, Frau Brigitte Winkel, und ihre Vereinsfreunde hatten mehrfach am Tag Mühe, den Ansturm zu bewältigen.
Brigitte Winkel dazu: „Leider werden Trans- und Homosexuelle in unserer Gesellschaft immer noch ausgegrenzt, gemobbt oder sogar körperlich angegangen. Von flächendeckender Akzeptanz kann noch lange nicht ausgegangen werden. Nach wie vor werden Worte wie z. B. „schwul“, „lesbisch“ oder „Transe“ als Schimpfworte benutzt, die nicht nur den so betitelten Menschen diskriminieren, sondern auch alle anderen Betroffenen.
Schon in der Grundschule sollte offen über dieses Thema gesprochen werden, um den Kindern klarzumachen, dass Homo- und Transsexualität nichts ist, über das man sich lustig macht. Der Fall „Johanna“ hat klar gezeigt, dass Kinder sehr wohl in der Lage sind, Themen solcher Art zu begreifen, wenn die Lehrer diese verständlich rüberbringen. Ein Lehrer, der selbst Vorurteile hat, sollte sich vielleicht einmal die Realität vor Augen führen und überprüfen, warum er diese mit sich selbst herum- und dann auch noch weiter trägt.
Als ich bemerkte, dass kirchennahe Leute massiv gegen Betroffene demonstrierten, musste ich doch wirklich den Kopf schütteln. Früher waren es die Hexen, heute sind es die Homo- und Transsexuellen, die als Feinbild herhalten müssen. Wenn ich so an die Aufdeckungen der letzten Monate denke, bin ich der Meinung, die sollten erstmal in ihrem eigenen Laden aufräumen, ehe sie anderen den Krieg erklären. In meinen Augen sind das nur billige Ablenkungsmanöver. Schließlich können Homo- und Transsexuelle nichts für ihre Neigungen, da diese angeboren sind, wie die Haarfarbe. Wer da nun pervers ist, liegt ja wohl ganz offen auf der Hand.
Wie Amnestie International deutlich zum Ausdruck bringt, gibt es immer noch Länder auf unserer schönen Erde, in denen Betroffene nicht nur in den Knast wandern können, sondern sogar hingerichtet werden. Es ist eine Schande hoch drei! Für Öl kann Krieg geführt werden, für die Rechte von Frauen und Homo- und Transsexuellen offenbar nicht.“

Wurden die Mitglieder des Vereins TransBorderLes e.V. früher gern hier und da belächelt, weil einige Homo- und Transsexuelle der Meinung waren, die Themen „Häusliche Gewalt gegen Frauen“ und „sexueller Missbrauch von Kindern“ hätten auf einem CSD nichts verloren, so hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Inzwischen werden am TBL-Stand gerade diese Themen am häufigsten angesprochen. Die Fragen, die gestellt werden, lauten: Wie wirkt sich sexueller Missbrauch aus? Wie kann ich meinen selbst erlebten Missbrauch verarbeiten? Wie kann ich vorbeugen?

Hans Georg van Herste, der „Erfinder“ der „Insel-Methode“ dazu:
„Jedes dritte Mädchen und jeder fünfte Junge werden sexuell missbraucht. Auch heute erntete ich mehrfach große Augen, wenn ich diese Zahlen nannte. Eine Lehrerin erklärte mir, dass sie diese Zahlen für zu hoch gegriffen halten würde. In ihren Klassen, an ihrer Schule gäbe es mit Sicherheit keine Opfer. Diese Aussage macht klar, dass die Frau in ihrer schönen, heilen Welt leben möchte. Vielleicht ist sie zu feige. Vielleicht ist sie selbst betroffen und mit einem Prinzessinnensyndrom behaftet, möchte also ihren Täter schützen. In jedem Fall ist ihre Aussage typisch für viele Menschen, die der Realität einfach nicht ins Auge sehen wollen. Denn nur weil man denkt, es würde keinen Missbrauch geben, heißt das nicht, dass das auch so stimmt. Gräbt man einmal genauer in einer Schule, in einem Verein oder in einem Dorf oder Stadtteil, stößt man mit Sicherheit auf den einen oder anderen Fall von sexuellem Kindesmissbrauch oder häuslicher Gewalt gegen Frauen.
Ich freue mich natürlich immer wieder darüber, dass es nach wie vor Personen gibt, die sich dazu bereit erklären, als „Insel“, also als erste Ansprechpartnerin in ihrem persönlichen Umfeld, zu fungieren. Manch eine Tat wäre ohne die „Insel-Methode“, ohne den unermüdlichen Einsatz der TBL-Leute nicht ans Tageslicht gekommen. Mancher Täter würde heute einfach weitermachen, da seine Übergriffe niemanden interessieren. Ein Opfer muss im Durchschnitt sieben Personen ansprechen, damit ihm geglaubt wird. Das muss geändert werden – und das tun wir. Kommt das Opfer nicht zur Hilfe, muss die Hilfe zum Opfer kommen.“

Auch der Büchertisch der Autorin Margaretha Main und ihrer Lebenspartnerin Michaela war häufig umlagert. Die beiden hatten ihre Hochzeitsfotos mitgebracht und konnten damit jede Menge Lesben erfreuen. Sätze wie: „Ich bewundere euch, dass ihr euch das getraut habt“ oder „so möchten wir auch mal heiraten“ fielen mehr als einmal an diesem sonnigen Nachmittag. Obendrein konnte manches Buch an die Frau gebracht werden, dass die elfengleiche Retha gespendet hatte, um den Verein zu unterstützen. Beide Berühmtheiten konnten in vielen Gesprächen anderen Mut machen und ernteten dabei manch dankbares Wort.
Margaretha Main:
„Ich bin gern auf dem CSD. Hier sind wir unter Gleichgesinnten und werden nicht dauernd bestaunt, wie die Affen im Zoo. Leider passiert das in der „normalen“ Öffentlichkeit immer noch hin und wieder. Und ich denke, dass das häufig nicht mit meinen Büchern zutun hat, sondern damit, dass zwei hübsche Frauen Arm in Arm und Küsschen gebend in der Welt herumlaufen und ihre Zweisamkeit, ihre Liebe nicht verstecken.
Ein älterer Mann kam einmal auf uns zu und erklärte, wir sollten uns schämen. Ich musste ihm dann leider vor Augen führen, dass ich keinen Grund zum Schämen erkennen kann. Als ich meine Mila dann hemmungslos abküsste, entfernte sich der Herr Verwünschungen ausstoßend schnellen Schrittes. Mila und ich mussten herzhaft lachen über so einen Blödsinn und ich denke, dass brachte den Mann noch mehr in Rage. Ich hoffe nur, dass nachfolgende Generationen damit etwas aufgeklärter umgehen werden.“

Erst nach vielen Gesprächsstunden und inzwischen heiseren Stimmen wurde der Stand abgebaut. Am Abend bedankte sich Hans Georg van Herste zum Ausklang dieses sehr erfolgreichen Tages bei seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihren Einsatz mit einem Essen im Biergarten des Hotels „Kluster Hof“ in Basdahl bei Bremervörde.

Veranstaltungstipps
Am 27. August wird Brigitte Winkel um 19.30 Uhr im Restaurant Dobbendeel in Bad Bederkesa das Buch „Mein Vater, der Diakon“ von Viktoria Grantz vorstellen. Ein Mädchen wird von ihrem Vater, einem Diakon, sexuell missbraucht und später an seine kirchlichen Mitarbeiter weitergereicht. Spannende Lebensgeschichte mit Happy End.
Am 24. September wird Hans Georg van Herste um 19.30 Uhr im Hotel Matthias in Gnarrenburg über seinen Weg zum Ayur Veda sprechen und für Fragen rund um alternative Heilmethoden zur Verfügung stehen.

Buchtipps

Hans Georg van Herste
Das Borderline-Syndrom
Fallbeispiele zwischen Licht und Schatten
ISBN: 9783837095593
108 Seiten
9,80 Euro

Der wahre Traum von Freiheit
Die Lebenswege zweier Transsexueller in unterschiedlichen Zeiten und Tipps rund ums Thema
ISBN: 9783839105979
100 Seiten
6,80 Euro

Ayur Veda – Der Weg zu einem langen, glücklichen und gesunden Leben
ISBN: 9783839117675
164 Seiten
14,80 Euro

Margaretha Main
Die Elfe im Garten – lustige Lausemädchengeschichten
ISBN: 9783839109670
116 Seiten
6,80 Euro

Infos
www.transborderles.de
www.margaretha-main.de
www.van-herste.de

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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