Eine Wiese in Hamburg

Morgens um 7 Uhr fuhr der LKW vor.
Aus einem geparkten Kleinbus kamen acht Männer in blauer Arbeitskleidung heraus,
unterhielten sich kurz mit dem LKW-Fahrer und begannen, die Metallgitter abzuladen.

Bevor sie mit dem Aufstellen der Zäune beginnen konnten, wurden sie von einer Gruppe aus der angrenzenden Reihenhaus-Siedlung umstellt. Junge Männer, Rentner, Frauen mit Kindern, ungefähr zwanzig Personen, versuchten sie an der Arbeit zu hindern.
Einige trugen Transparente. "Finger weg von unserer Wiese!"
"Flüchtlinge ja, aber nicht auf unserem letzten Grün!"
Zwei Jungen hielten gemeinsam ein beklebtes Pappschild mit bemalten Toren und einem Fußball in die Höhe: "Wir wollen unseren Bolzplatz behalten!"

Ein braun gebrannter, glatzköpfiger Mann von vielleicht dreißig Jahren hielt einen fletschenden Bullterrier mit einem Kopf, der eher einem Schwein glich, an der kurzen Leine.

Ein Mann im Rentenalter sagte zu den Arbeitern: "Das ist illegal, was Sie hier machen! Wir haben es vor einer Woche aus der Zeitung erfahren. Die Behörden haben uns nicht informiert!"

Einer der Arbeiter fühlte sich angesprochen: "Das können wir nicht beurteilen! Unsere Firma hat den Auftrag bekommen. Bitte, behindern Sie uns nicht an der Ausführung! Wir sind froh, dass wir Arbeit haben!"

"Ja, das wird bald vorbei sein!", nahm ein anderer Protestler den Ball auf. "Sie sägen sich selbst den Ast ab, auf dem Sie sitzen! Wir werden bald von Flüchtlingen überschwemmt werden. Ihr Chef wird sich freuen! Die Asylanten fordern keinen Mindestlohn!"

Inzwischen hatte ein Behördensprecher die Diskutanten erreicht. Man war auf Proteste vorbereitet. Er hatte bisher in seinem Auto gewartet und die Lage beobachtet. Er stellte sich vor und begann: "Zuerst möchte ich mich im Namen meiner Behörde entschuldigen! Wir hatten leider keine Zeit, Sie zu informieren, geschweige denn eine Bürgerversammlung anzuberaumen. Sie lesen und hören ja selbst: Jeden Tag kommen ungefähr einhundert Flüchtlinge nach Hamburg."

Da niemand antwortete, sagte er zu den Arbeitern: "Lassen Sie sich nicht aufhalten!
Zäunen Sie die Wiese, wie angeordnet, ein!"
Jetzt meldete sich der Mann mit dem Hund: "Du Sesselpuper hast hier gar nichts anzuordnen! Mach das in Harvestehude, wo die Reichen geschont werden!"

"Mit Ihnen diskutiere ich nicht!", erwiderte der Behördenmitarbeiter bestimmt.
"Das ist unter meinem Niveau! Aber für all die Anderen: Wir versuchen, die Flüchtlinge in allen Stadtteilen gleichmäßig unterzubringen, unabhängig vom Milieu!"

Eine Frau mit einem etwa zwölfjährigen Sohn kam heran und ging auf einen Transparent-Träger zu: "Schämen Sie sich nicht, diese verkotete Hundewiese zu verteidigen?! Meine Großeltern sind aus Ostpreußen geflüchtet und im ausgebomten Hamburg aufgenommen worden! Mein Sohn hat schon Spielzeug aussortiert und freut sich auf das Lächeln der Flüchtlingskinder!"

"Nun ist aber genug!", schrie der Hundehalter. "Wenn die Arbeiter nicht sofort aufhören, hetze ich den Hund auf sie!"

"Das ist Nötigung!" entgegnete der Behördenmann ruhig, holte sein Handy heraus und sagte: "Ich rufe jetzt die Polizei!"

"Ronny, du bist jetzt zu weit gegangen!" sagte der Rentner, der zuerst mit den Arbeitern gesprochen hatte. "Komm, wir ziehen uns zurück!" Die Gruppe machte sich wortlos auf den Heimweg. Nur Ronny, der Hundehalter setzte sich widerstrebend in Bewegung und rief im Weggehen: "Ich habe viele gleichgesinnte Freunde! Stellt ruhig Zelte oder Container auf unsere Wiese! Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt!"

Bürgerreporter:in:

Martin Ripp aus Hamburg

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