Demo am Hamburger Fischmarkt - Was am 6. Juli wirklich geschah - Chronik eines Angriffs
Gut 10 Wochen ist es her, dass am Hamburger Fischmarkt eine Straßenschlacht tobte, deren Urheber bis heute nicht eindeutig feststehen. Polizei gegen Vermummte oder umgekehrt? Für viele unabhängige Beobachter ist das bislang nicht so klar und es bedarf weiterer Aufarbeitung, um sich auch diesem düsteren Kapitel Hamburger Protest-Geschichte zu widmen.
Ein Bericht von Max Bryan
Viel wurde über den 6. Juli schon geschrieben, analysiert, debattiert und vor allem denunziert. Ein ganzes politisches Lager geriet in Verruf mit den Krawallen zu sympathisieren, die Krawallos gar "eingeladen" zu haben und trotz Sondersitzung des Innenausschusses Mitte Juli konnten die wirklich wichtigen Fragen nicht geklärt werden. Nämlich wie es überhaupt dazu kam, dass die Lage im "Kessel" am Hamburger Fischmarkt so eskalierte UND warum es diesen Kessel überhaupt gab.
6. Juli - 15.30 Uhr. Ich stehe vor einem noch leeren Platz am Hamburger Fischmarkt. Leute sind hier kaum zu sehen. "Wenn nicht bald ein paar Leute noch kommen, wir das der Flop des Jahres" - dachte ich mir noch so und unterschätzte die Masse derer, die im Laufe der nächsten 2 Stunden hier noch einsickern sollten. Beeindruckendes Szenario einer Teilnehmer-Mobilisierung.
Zwei Ecken weiter steht Michael Martin, ein Co-Organisator der "Welcome to Hell"-Demo, warum dieser Veranstaltungs-Name, wollte ich von ihm wissen, klingt der nicht ein wenig martialisch?
"Welcome To Hell"
"Welcome to hell" stehe für "Vieles" und "ein kluger Außenstehender mache sich erstmal Gedanken was der Name denn überhaupt soll", so Martin. "Bezieht er sich auf die Staatsgäste die anreisen oder auf die eigene Lebenssituation und den globalen Zustand in der Welt, genau das sei gewollt gewesen, die Leute zum nachdenken anzuregen, obschon das Plakat zur Veranstaltung natürlich auch eine brennende Stadt zeige.
Doch auch das lässt sich umdeuten - in die "Hölle auf Erden" - die der Kapitalismus für ganz viele Menschen auf der Welt eben auch ist. "Für ganz viele Menschen auf der Welt sind die herrschenden Verhältnisse einfach auch die Hölle auf Erden", sagte Michael Martin im Interview und man wolle den Aufenthalt der Staatsgäste hier in Hamburg so "ungemütlich" wie nur irgend möglich gestalten, um der Systemkritik auch Ausdruck zu verleihen, respektive wahrgenommen zu werden.
Wie stark die Wahrnehmung der Ereignisse an diesem Tag noch werden würde, ließ sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal erahnen.
Das Sterben im Mittelmeer
Zunächst aber dominierten die friedlichen Töne der Veranstaltung das Geschehen, wie der Auftritt zweier Redner, sehr moderat, sehr auf den Punkt, gefolgt von einem Auftritt der "Goldenen Zitronen".
Es ging um das Sterben im Mittelmeer. Fast täglich ertrinken Menschen in dem Meer zwischen Afrika und Bosporus und die "Goldenen Zitronen" haben einen elektrisierenden Song dazu gemacht.
Aus dem Text:
"Wenn ich ein Turnschuh wär
Ja für eine Fahrt an's Mittelmeer (2x),
geb ich meine letzten Mittel her (2x),
und es zieht mich weil ich dringend muss, dringend muss, dringend muss
immer über den Bosporus, Bosporus, Bosporus."
... und am Ende:
"Über euer scheiß Mittelmeer käm ich, wenn ich ein Turnschuh wär.
Oder als Flachbild-Scheiß – ich hätte wenigstens ein' Preis.
Es gäb' für uns kein Halten mehr, wir kämen immer nur schneller her.
Ich seh die Waren zieh'n, ohne zu flieh'n gehen sie an Land...
...gehen sie an Land – als Verheißungslieferant, (Vorführ)Meinungspraktikant,
Rückweisungsversand, Abwicklungsgarant.
Komm gib mir deine Hand, denn heute feiern wir!"
"Wenn ich ein Turnschuh wär"
Die 1984 als "Fun-Punkband" gegründete Band "Die goldenen Zitronen" schreibt gesellschaftskritische Texte und verbindet sie mit einem ziemlich unikaten Crossover-Stil, eine mitreißende Mischung aus Punk und Hip Hop. Sie gelten als Vorläufer der "Hamburger Schule", einer losen Musikbewegung, die Ende der 1980er-Jahre entstand und in den Traditionen der Neuen Deutschen Welle wurzelt. Die Texte der "Goldenen Zitronen" haben überwiegend politischen Bezug.
17 Uhr. Der Platz am Hamburger Fischmarkt füllt sich allmählich unter den satten Beats der Punk-Band auf der Bühne. Neben dran Schilder-Maler bei der Arbeit. "Hass ist Crass" steht auf einem der Schilder und ganz schön viel Liebe für so hartgesagte Jungs (und Mädels).
In der Mitte des Platzes auf einem der Stein-Poller dort, steht Demo-Leiter Andreas Blechschmidt mit suchendem Blick und einem Handy am Ohr.
Verabredet war er mit dem NDR - irgendwie schien man sich aber nicht gefunden zu haben und ob er mir schnell ein Interview zwischendrin mit geben würde, fragte ich ihn. Blechschmidt lächelte und vertröstete mich auf später - nach dem NDR-Interview.
Andreas Blechschmidt
Hätte er lieber mal mich zuerst rangelassen, denn der Mann vom NDR "grillte" Blechschmidt ordentlich, von wegen er würde sich von Gewalt nicht hinreichend distanzieren und wie die Demo heute denn so verlaufen solle - ob Blechschmidt mit Ausschreitungen rechne.
"Natürlich NICHT", erklärte Blechschmidt und als ich dann endlich ran durfte, kam ich auch gleich zum Punkt. Ob Blechschmidt Parallelen sehe zu den Ereignissen des 21. Dezembers 2013, wo eine Demo mit ähnlichen Vorzeichen schon einmal schlimm eskalierte und natürlich hoffe er, dass heute alles anders wird.
"Wir haben mit der Polizei klare Absprachen getroffen, wie wir hier nach 19 Uhr aufbrechen werden" und Blechschmidt gehe im Moment davon aus, dass es "keine Wiederholung des unseeligen Szenarios vom Dezember 2013 gebe". Sein Wort in Gottes Ohr, am Ende kam es anders.
Blechschmidt zu der Hetze gegen ihn: "Ich sehe darin den Versuch (...) den Protest gegen den G20 zu kriminalisieren dafür zu sorgen, dass Menschen das Gefühl haben, dass man sich mit den Veranstaltern der Proteste nicht gemein machen darf bis hin zum wegbleiben von der Demo. Ich halte das für einen Versuch der Spaltung der Protestbewegung. Dem sind wir sehr deutlich entgegengetreten und haben gesagt, dass wir diese Versuche als untauglich zurückweisen und wenn ich mich hier umschaue, habe ich schon das Gefühl, dass dieser Versuch offensichtlich nicht aufgegangen ist und stattdessen alle Menschen verstanden haben, was hier passiert". Blechschmidt verspreche sich von der Demo "ein wichtiges, großes wie auch notwendiges Zeichen gegen diese menschenverachtende Politik des G20 zu setzen"- Zitat Ende.
"Klare Kante" - für oder gegen Gewalt?
Ob er für oder gegen Gewalt sei, wollte ich von ihm zum Schluß dann noch wissen und da könne er sogar "mehr als Klare Kante geben". So verstehe sich Blechschmidt als Teil einer Protestbewegung, die "seit über 40 Jahren ganz deutlich sagt, wir distanzieren uns nicht im Grundsatz von militanten Aktionsformen und auch nicht von bewussten Regelübertretungen."
Das sei in der Geschichte der Protestbewegung ein Mittel der 68-iger Studentenbewegung gewesen. Das war auch ein politisches Mittel der Anti-AKW Bewegung der 70iger Jahre - mit dem Ziel des Ausstiegs aus der Atomkraft - da herrscht mittlerweile Regierungskonsens.
Es sei auch die militante Hausbesetzer-Szene der 80iger Jahre gewesen, die viel Gutes errungen hat. So habe die Hamburg Wochenzeitung DIE ZEIT erst letztens diese Bewegung mit dem Hinweis geadelt, dass einer überhitzten Stadtteilpolitik damals auch ein wichtiger Riegel vorgeschoben wurde. "In diesem politischen Kontext distanziere ich mich NICHT von politischer Gewalt", so Blechschmidt.
Gleichwohl aber sage er auch ganz klar, dass es in der politischen, autonomen Bewegung kein Konsens dafür gäbe, Menschen mit Vorsatz an ihrer Physis zu schädigen, "das sage ich auch in Hinblick auf die Behauptung des Polizeipräsidenten vom vorgestrigen Dienstag, der behauptet hat, es gäbe hier Pläne, Beamte mit Bitumen zu präparieren, um sie danach zu brennenden menschlichen Fackeln zu machen". Das seien "Gewalt-Fantasien, die nicht den politischen Inhalten der Autonomen Bewegung entsprechen, sondern offenbar eher den Gedankenwelten eines Polizeipräsidenten", erklärt Blechschmidt im Interview.
In weiser Voraussicht
Interessant ist auch das, was sein Co-Organisator Michael Martin zuvor im Interview sagte. Zitat: "Meine Befürchtungen sind, dass der Auflagenbescheid für die Demo, wo es keinerlei Beschränkungen hinsichtlich Vermummung und Ähnliches gab, dass der einfach nur ausgestellt worden war, um nachher das Ganze auf der Straße auszutragen und dass uns ein massives Polizeiaufgebot aufhalten wird und jede Kleinigkeit nutzen wird, um entsprechende Konflikte zu schüren" - exakt so war es nachher auch gekommen.
Gegen höllische Verhältnisse in der Welt
Es ist schon einigermaßen interessant, wie Leute doch missverstanden werden, wenn man nicht genau zuhört. Klar könnte man in erster Betrachtung des Titels "Welcome to hell" das schlimmste vermuten.
Die ganze Stadt brenne, man wünsche sich den Moloch, den Abriß der Stadt, was auch immer - doch bei näherem Hinsehen wird die wahre Bedeutung des Anliegens schnell klar.
Es gehe um die höllischen Verhältnisse in der Welt - um die Krisen und Konflikte und weil auf diesem Gipfel genau die Leute sitzen, "die nicht an Lösungen interessiert sind, weil sie selbst das Problem sind" - meinte Co-Organisator Michael Martin zuvor im Interview und da hat er recht. Schließlich trafen sich am Tag darauf Erdogan, Putin und Trump, die ja nun wirklich die Demokratie nicht erfunden haben - das kann man durchaus als "höllische Verhältnisse" werten und mal schauen, wie die Demo dann noch weiterging.
Klobürste & Chor
Ein im Vorfeld auftretender Megafon-Chor jedenfalls machte einen super friedlichen Eindruck. Gefahr ging von denen keine aus und schön anzuhören war´s auch.
Auch so manche Klobürste verirrte sich auf die Veranstaltung. Sie ist ja eher ein Relikt aus alten 2013-ener Zeiten, als das Gefahrengebiet u.a. aufgrund gefährlicher, mitgeführter Gegenstände wie Klobürsten und Ähnliches ausgerufen wurde. Ein Dauerbrenner in Szene-Kreisen.
"G20-Mafia"
... stand auf einem der Protestschilder des Tages. Man wolle auch andere Gesellschaftsentwürfe mit einbringen. Weil mit denen, die verhandelt werden, einerseits neoliberale Globalisierung, andererseits Protektionismus, Nationalismus, da gebe es "keine Zukunft", so die Veranstalter.
Es war so gegen 19 Uhr, als sich unweit der Bühne an der Kreuzung zum Fischmarkt ein riesiger schwarzer Ballon formierte, der nach und nach größer wurde.
Ein Geniestreich mit Hang zur Verballhornung des viel gefürchteten "schwarzen Blocks", der hier in Gestalt eines voller Heißluft gefüllten Ballons empor stieg. Wie Phönix aus der Asche blockierte er die Straße zwischen Demonstranten und Polizei, zur Freude der Reporter, die das Treiben um die "heiße Luft" genüsslich aufsogen.
Kein Zweifel, "hier tut sich nun was", kommentierte eine Phönix-Reporterin das Geschehen. Sonnenbrand inklusive.
Heiße, schwarze Luft
Die ersten Vermummten tauchen auf. Wie aus dem Nichts und man fragt sich, wo die plötzlich so zahlreich herkommen? Sind die vom Himmel gefallen?
Nein, die meisten haben Rucksack mit Wechsel-Kleidung dabei. Aus bunt wird schwarz, das geht schneller als man denkt und erstaunlich ist auch die Einheitlichkeit des Outfits. Mützen, Jacken, Masken, alles so einheitlich wie nur irgend möglich, um keine exakte Identifizierung zuzulassen.
So werden auch individuelle Merkmale, wie Markenzeichen und Ähnliches verdeckt oder zugeklebt. Am Ende sehen alle gleich aus, kaum jemand ist hier noch vom Anderen zu unterscheiden.
Warum die Vermummung?
Warum die Damen und Herren in dieser Montur so auftreten, wollte ich wissen und dafür gäbe es "viele gute Gründe", so der Veranstalter. Denn man habe auch Gäste aus der Türkei mit vor Ort, die in ihrer Heimat drakonische Strafen erwarten, wenn sie hier erkannt werden und anschließend nach Hause kommen. "Wir haben auch Gäste aus Mexico, da gab es 2000 Morde dieses Jahr, da sind auch Journalisten umgebracht worden, die zurück gereist waren, es gibt für sehr viele Leute gute Gründe sich zu vermummen", so Michael Martin. Letzenendes wöllten die Leute auch ihr Recht auf Privatsphäre wahren - "wir rufen NICHT dazu auf, dass die Demo vermummt geht, aber ich kann es nachvollziehen wenn Leute sich selber unkenntlich machen wollen", erklärte der Rote-Flora Sprecher mir in die Kamera.
Seiner Meinung nach wurde diese Demo seit Wochen stark kriminalisiert, von wegen es seien bis zu 8000 gewaltbereite Personen angereist und man habe die Gefahrenprognosen aus politischen Gründen "aufgebauscht", um die Situation auf der Straße nacher durch Eskalation zu lösen.
Und weiter: "Viele denken, wir wollen gar nicht ankommen, wir wollen nur einen Riesen-Krawall anzetteln, aber das stimmt nicht", so Martin. Man wolle lediglich "wahrgenommen" werden und zumindest das ist den Machern der Demo am Ende auch gründlich gelungen, trotz friedlicher Worte im Vorfeld.
Tanzende Steine
Über den Köpfen der Versammlungsteilnehmer schweben riesige, silberne Würfel. Angestubst von Demonstranten tanzen sie immer wieder über die Köpfe der Versammlungsteilnehmer hinweg. "Diese Bilder gehen um die Welt", begeistert sich ein Passant mit Worten.
Auch der luftbefüllte schwarze Block hatte sein augenscheinliches Endmaß nun erreicht und wurde im Prinzip einer Kuchen-Garnierung mit Farbe noch verhübscht.
Die Schrift war nun auch vollständig zu lesen und auf dem Block stand: "Lieber Militanz ich als G20 - Black Block" - ein Pessimist, wer dabei Schlechtes denkt.
Bis dahin aber überwogen noch die Seifenblasen und alles war friedlich. Wie Glasperlen schwebten sie über die Reihen der sich formierenden Gruppen hinweg. War das die Ruhe vor dem Sturm?
Vorbei bevor es begann
Ich wechselte den Standort. Rechtzeitig, wie sich später herausstellen sollte und genau die richtige Position. Es war jene Brücke 100 Meter den Fischmarkt rauf, von der aus man die Situation ganz gut überblicken konnte.
Dort angekommen zeigte sich die erste Blockade - nicht aus Reihen der Autonomen, sondern in Form einer massiven Polizei-Sperre - ein Bollwerk aus Metall - die Straße war dicht. 4 Wasserwerfer und mehrere Panzerfahrzeuge versperrten den Weg auf der Demo-Route. "Warum?" - raunte es durch die Menge.
Polizei blockierte die Straße
An dieser Stelle kamen mir erstmals Zweifel, ob man die Demo je habe laufen lassen wollen. Die Barrikade aus Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen war einfach zu massiv, als dass man sie hätte schnell mal vom Himmel fallen lassen können. Das muss schon lange vorher so geplant gewesen sein, zumal bislang alles friedlich war - die Straße aber dennoch so massiv gleich zu Beginn zugestellt war. Und zwar mit allem, was die Hamburger Polizei an Gerät so aufzubieten hatte.
Es folgten 3 Durchsagen im Abstand von einigen Minuten. Die Vermummung sei abzulegen, sonst ginge es nicht weiter. Das alte Lied also. Die Einen sind vermummt und die Anderen stört das. In dem Fall die Polizei, die versucht diese "Straftat" zu ahnden. Vermummung ist eben auch Rechtsbruch und ein beliebtes Argument Demos aufzustoppen, wie dort einmal mehr geschehen.
Genau wie 2013
Schon im Dezember 2013 kam dieses Szenario zum tragen, als die damalige Demo anlässlich des Bleiberechts der "Roten Flora" keine 50 Meter weit lief und genauso früh aufgestoppt wurde wie an diesem Tag im Juli 2017. Auch 2013 wurde Vermummung zum Anlass genommen, gegen die Spitze der Demo vorzugehen.
Anders als damals jedoch, blieb der schwarze Block diesmal eine sehr lange Zeit diszipliniert. Nicht ein Böller war zu hören und auch kein Bengalo zu sehen. Alles total friedlich und man hatte den Eindruck, als würde die Polizei nur darauf warten, dass irgendwer die erste Flasche wirft, um die Demo hierüber platt zu machen, sprich aufzulösen.
Doch es passierte nichts. Über eine halbe Stunde lang blieben die Vermummten brav in der Reihe stehen und warteten darauf, dass die Polizei die Straße freigibt, was leider nicht passierte.
Die Sekunde "X"
Von der Brücke aus kaum bis gar nicht zu sehen, war das Geschehen hinter dem Lautsprecher-Wagen mit der Aufschrift: "We are fucking angry". Dort nahm die Eskalation der Ereignisse ihren Ursprung, nachdem sich eine Polizeikette mitten in die Menge schob - ein riskanter, weil provokanter Versuch, den sogenannten "schwarzen Block" vom Rest der Demo zu trennen. Das dies nicht gut gehen würde, war abzusehen.
https://www.youtube.com/watch?v=sF12Fsfn2ao&t=0m25s
Eskalation gewollt?
Dem Einsatzleiter muss klar gewesen sein, dass wenn er Derartiges tut, die Lage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eskaliert, weil kein Autonomer sich das bieten lässt, so unerwünscht die Reihen der Demo zu durchbrechen, respektive die Leute vom Rest der Demo abtrennen zu wollen. Dann war klar, dass dies von den Autonomen nicht widerstandslos hingenommen wird und und so flogen auch die ersten Gegenstände, Klobürsten und Fahnenstangen sind zu sehen - Flaschen oder gar Steine zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Frage an dieser Stelle bleibt daher, ob man die Demo nicht einfach hätte laufen lassen können - seitlich begleiten - wie von Blechschmidt ja auch gefordert - wäre das nicht schlauer gewesen? Wo war denn die deeskalierenden Strategie der Polizei? Und war eine Solche denn überhaupt gewollt?
Ungebetene Gäste
Stellen Sie sich vor, Sie feiern Geburtstag und haben Ihre Lieblingsfreunde eingeladen. Plötzlich taucht eine Horde schwarz gekleideter Personen mit Helm und Schlagstöcken auf und mischt sich unter ihre fröhliche Runde. Frage: Was tun Sie? Schenken Sie einen Kaffee mehr aus oder fühlen Sie sich angegriffen, kriminalisiert und provoziert zu rufen: "Haut ab"? Unschwer zu sagen, wie willkommen diese Damen und Herren im Vollschutz-Anzug auf dieser Demo waren und so muss sich auch niemand wundern, wenn der Unmut in Reihen der Versammlungsteilnehmer wuchs, die zwar vermummt, aber bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gewalt ausgeübt hatten.
Beweis-Video
Das Video eines Youtubers zeigt exakt den Moment, als die Polizei damit begann den Kopf der Demo vom Rest der Versammlungsteilnehmer zu trennen und man sieht auch, dass es KEINEN GRUND GAB DIES ZU TUN. Gewalt ging von den Versammlungsteilnehmern zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus - im Gegenteil.
https://www.youtube.com/watch?v=cI4zdX_2I0k&t=0m23s
"Wir fordern die Polizei auf, sich zurück zu ziehen" und "Leute, bleibt ruhig" - appellierte der Lautsprecherwagen immer wieder auch an die eigenen Leute.
Doch die Polizei dachte nicht daran Selbiges zu tun und stellte sich provokativ mitten rein.
"Haut ab, haut ab, haut ab" - rufen die Demonstranten. Kurz darauf prügeln Polizisten gegen die erste Reihe der Demonstranten, die sich mit einem im Video gut sichtbaren roten Banner zu schützen versuchen.
Der Lautsprecherwagen wiederum: "Leute bleibt ruhig, lasst Euch von der Polizei nicht provozieren" doch alles das half nichts. Im Bild hinten rechts sieht man, wie roter Rauch aufsteigt - eine Reaktion auf den Angriff der Polizei - die Eskalation ist nicht mehr aufzuhalten.
https://www.youtube.com/watch?v=cI4zdX_2I0k&t=1m41s
Demo angegriffen
Der 1. Angriff ging somit eindeutig von der Polizei aus. Sie waren es, die der Demo misstrauten, die unterstellten, dass die Demo nie und nimmer friedlich bis zu Ende laufen würde und die Vermummung zum Anlass nahmen, sich unters teilnehmende Volk zu mischen, mitten rein quasi, das konnte nur schief gehen. Im Grunde ein ungeschriebenes Gesetz - dass es so kam, wie es kommen musste.
Kritik: Dass die Leute vermummt auftauchen würden, war beiden Seiten von vornherein klar. Das ist seit Jahren so und gehört zur Protest-Folklore der Versammlungsteilnehmer mit dazu. Es muss einem Hartmut Dudde also klar gewesen sein, dass die Leute ihre Masken nicht auf seinen Befehl hin ablegen würden und die Frage ist, ob er dafür einen Plan hatte, wie er dann vorgehen will - und vor allem WIE UND WO er den Versuch unternimmt, die Vermummten vom Rest der Demo zu trennen.
"Kessel"-Manieren rechtswidrig
Dass Dudde sich dafür den denkbar schlechtesten Ort aussuchte, sollte sich wenige Minuten später zeigen. Dann nämlich, als Menschen in Panik versuchten aus dem Kessel, den die Polizei hier geschaffen hatte, zu entfliehen. Und zwar über die Flutschutzmauer rechts der Straße - von der Brücke aus links gesehen. Es war so gegen 20 Uhr, als die Lage auch vor dem Lautsprecherwagen dann urplötzlich eskalierte.
Was ich selbst als Augenzeuge von der Brücke aus sehen konnte, war ein bunter Rauch, der nahe der Flutschutzmauer aufstieg, begleitet von Pfiffen und Buh-Rufen, die offenbar der Polizei galten, weil die nun auch durch Anwendung körperlicher Gewalt ihren Plan umzusetzen versuchte, die Demospitze vom Rest der Demo zu trennen.
1 Minute 35 Sekunden nach Beginn der Eskalation
Und meine Kamera lief "ONE TAKE" durch.
Chronik eines Angriffs
Immer mehr Menschen fliehen wie in Panik über die hohe Flutschutzmauer - wie eine Herde Vieh - das verzweifelt versucht dem Schlachter zu entkommen - so wirkte es - in Betrachtung der Bilder aus der Ferne. Die Verzweiflung derer, die versuchten dem Kessel zu entkommen, war unbeschreiblich greifbar.
"We are fucking angry"
Vom Sprecher des Lautsprecher-Wagens mit der Aufschrift: "We are fucking angry" (zu dtsch: "wir sind ganz schön wütend", hagelte es Kritik an Scholz, Grote und der Polizeiführung vor Ort, die diesen Bildern zu Folge gezielt die Demo angriffen und dabei auch Leute prügelten, die sich lediglich hinter einem Banner versteckten, wie diese Aufnahmen beweisen.
Auch ich habe schon viel gesehen, aber in Betrachtung dessen, was sich mit diesen Bildern offenbarte, war ich entsetzt darüber, wie gezielt man diese Demo ins Verderben trieb. Auch mehrere unabhängige Beobachter kamen zu dem Schluss, dass man scheinbar nie vor hatte, diese Demo laufen zu lassen, sondern es gezielt auf eine Eskalation ankommen ließ.
Kein halten mehr
Erste Gegenstände fliegen auf die Reihen der Polizei. Besonders von denen, die es geschafft hatten die Flutschutzmauer zu erklimmen und über Selbige hinweg zu steigen. Nun befanden sich die Polizisten in einer unterlegenen Position, konnten von oben her mit allem beworfen werden, was wütende Vermummte in die Hände bekamen.
Bei 2m51s in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=cI4zdX_2I0k&t=2m51s sieht man den ersten Gegenstand fliegen und das Video belegt, dass ERST NACH DIESER ATTACKE DER POLIZEI AUF DIE DEMO die Lage eskalierte, sprich Gegenstände auf die Beamten flogen - nicht vorher, wie das im Innenausschuss am 19.7. propagiert wurde.
Sekunden später - von der Balustrade aus fliegen erste Flaschen auf die Beamten.
"Wo kein Feind, da keine Steine", habe ich vor 4 Jahren schon geschrieben, damals, als es in der Schanze in ähnlicher Weise eskalierte und mal ganz ehrlich, wenn diese Polizisten sich da nicht zwischen die Demonstranten gedrängt hätten, sie nicht versucht hätten den Kopf der Demo vom Rest der Demo zu trennen, hätten diese Flaschenwerfer hier rechts im Bild auch keinen Anlaß gehabt, mit Flaschen zu werfen, denn wo kein Feind, da keine Flaschen - das ist eigentlich logisch, oder nicht?
"Dudde hat uns verheizt", gab ein Beamter später zu Protokoll und klar waren die Versammlungsteilnehmer wütend, wenn man ihre Demo auf diese Weise schreddert, sie keine 100 Meter in die Stadt lässt, aus Furcht, es könnte anderswo "knallen", die Argumente der Polizei sind hinreichend bekannt.
Zeugen nicht erwünscht
2:28 nach Beginn der Eskalation auf der anderen Seite. Die Polizei versucht die Brücke zu räumen. "Alle runter von der Brücke", ruft ein Polizist aus der Ferne den auf der Brücke stehenden Journalisten zu. Offenbar wollte man keine Zeugen haben. Zu peinlich vielleicht, was die Polizei sich hier leistet und dilettantisch obendrein. Denn auch Dudde hätte klar sein müssen, dass diese Vorgänge nicht unbeobachtet bleiben. Die ganze Brücke stand voller Presse aus aller Welt und jeder von ihnen konnte sehen, was die Polizei da treibt.
Fakt ist - die Demo wurde angegriffen BEVOR ETWAS PASSIERT WAR. In der Pressekonferenz am 9. Juli zeigte man dennoch nur diejenigen Bilder von mitten drin, wo Flaschen und Steine auf die Beamten bereits flogen - zeigte aber nicht, wie die Eskalation begann, dabei ist das ganz entscheidend für die Verantwortung derer, die diese Bilder vor den Augen der Weltöffentlichkeit produzierten.
Reizgas: Mitten im Aufsager musste auch ich husten. Das beisende Aerosol setzt sich tief in die Lungen und schmerzt beim einatmen. Im Grunde waren wir mitten drin und konnte nichts gegen diesen Angriff tun, außer das Ausmaß der Dinge zu dokumentieren.
Pfefferspray gegen wehrlose Flüchtende
Auf einem der Bilder - die es auch als Video gibt - sieht man eindeutig, wie Polizisten Pfefferspray gegen Leute einsetzen, die einfach nur fliehen wollten. Die raus wollten aus dem Kessel - doch das ging nicht. Weder nach vorne noch nach hinten - keine Entkommen. Es war die perfekte Falle und die schnappte nun zu. Fliehen konnte man nur über die cirka 2 Meter hohe Flutschutzmauer und das taten viele Menschen nun auch! Dass dabei niemand zu Tode kam, ist reines Glück!
Auf den Bildern sieht man eindeutig, dass keine Gefahr von diesen Menschen ausging. Sie versteckten sich lediglich, hinter einem Protestbanner und dennoch wurden sie mit roher Gewalt von der Polizei drangsaliert. Gut sichtbar, wie ein offenbar prügel-freudiger Polizist von seinem Kollegen zurück gezogen wird und dieser Vorfall war KEIN EINZELFALL!
67 mal Reizgas verschossen
Während der Proteste beim G20-Gipfel haben Polizeieinheiten in 67 Fällen Reizgas verschossen und sich damit ANGEBLICH "über eine Vorgabe des Hamburger Einsatzführers Hartmut Dudde hinweggesetzt", berichtet Spiegel-Online unter Berufung auf eine Antwort des Senats zur Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane Schneider.
So hätten "auswärtige Kräfte" ANGEBLICH EIGENMÄCHTIG und ohne Rücksprache mit Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde gehandelt und das umstrittene Gas eingesetzt, obwohl Hartmud Dudde angeblich sämtliche Einsatzleiter aus anderen Bundesländern angehalten habe, nicht mit Reizstoffen gegen Demonstranten vorzugehen. Die Waffen seien zwar rechtlich erlaubt, "würden in Hamburg aber grundsätzlich nicht verwendet", habe die Polizei im Vorfeld des Gipfels offiziell mitgeteilt, so das Magazin.
Kurz darauf widersprach Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer diesem Bericht, wonach die Beamten sich nun angeblich doch nicht über den Befehl von Dudde hinwegsetzten, sondern der Einsatz "rechtlich abgedeckt" war. Ein Optimist, wer da nicht an "Affentheater" denkt. Warum diese Uneinigkeit?
Glaubwürdigkeit in Gefahr
Christiane Schneider, Vize-Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft hat dazu eine klare Meinung: "Die Polizei hat die Vorgabe von Gesamteinleiter Dude - kein Abschuss von Reizgas - ignoriert, weil sie nicht ernst gemeint war", will heißen, keiner nimmt Dudde ernst, wenn er sagt, dass kein Reizgas eingesetzt werden soll, eben weil Jeder weiß, dass Dudde genau das Gegenteil meint - so die Einschätzung von Schneider. Frage: Ist der Hamburger Polizei-Apparat schon derart verkommen, dass man nicht mal mehr einer einfachen Anweisung des obersten Einsatzleiters Folge leistet? Und wenn ja, sollte Dudde nicht spätestens jetzt abtreten, wenn sein Wort kein Gewicht mehr hat? So oder so - in beiden Fällen hat Dudde versagt und ein Untersuchungsausschuss sollte speziell seine Rolle in diesem Unterfangen mal klären.
So wie jeder Steinewerfer verfolgt und verurteilt wird, sollten auch Beamte, die sich daneben benehmen verfolgt und verurteilt werden.
Wahre Chronologie
2:43 nach Beginn der Eskalation. Eine rote Fahne und eine Klobürste fliegt Richung prügelnde Polizei.
3:02 Die Wasserwerfer rücken vor. Die Demo wird aufgelöst.
3:22 Ein erster Böller ist zu hören.
3:25 Erste Pyro von der Brücke aus zu sehen.
3:45 Sirenen, Chaos, Panik.
4:02 Sprech-Chöre: "Ganz Hamburg hasst die Polizei"
5:15 Wasserwerfer-Einsatz gegen Menschen auf der Flutschutzmauer
6:35 Ein scheinbar durch eigenes Pfefferspray verletzter Polizist wird gestützt.
Kurz darauf war die Straße komplett geräumt und es war das selbe Szenario wie immer. Die Demo wurde aufgestoppt wegen Vermummung. Die Unruhe wächst und die Lage eskaliert. Hier durch Überklettern einer Flutschutzmauer. Die Polizei schießt mit Pfefferspray und Reizgas hinterher - den fliehenden Menschen noch in den Rücken, erst danach flog der erste Böller. Kurz darauf auch Bengalos, Flaschen, Steine und alles was die wütenden Versammlungsteilnehmer in die Finger bekamen.
Frage: Wären diese Bilder zu verhindern gewesen? Die Antwort muss lauten "JA", wenn die Polizei die Demo 100 Meter weiter hinten aufgestoppt hätte. Dort, wo es Fluchtmöglichkeiten nach links und rechts gegeben hätte. Doch das war offenbar nicht gewollt. Man wollte den perfekten Kessel, das hat Dudde am 19. Juli gegenüber dem Innenausschuss sogar zugegeben.
War alles so gewollt?
Zitat aus dem Wortprotokoll der 1. Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft vom 19. Juli: "Also, das Problem ist für uns ja gewesen, dass der Marschweg für uns verhältnismäßig kurz war bis in den Bereich Reeperbahn" und man habe wieder einmal "Quelleninfos" gehabt, die besagten, dass auf Höhe Reeperbahn die Vermummten losschlagen wollten. "Das heißt, wir hatten gar nicht viele taktische Varianten. Weil, wenn Sie die Helgoländer Allee nehmen mit rechts und links Grünanlagen, ist für uns sehr schlecht", erklärte Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde gegenüber dem Innenausschuss am 19. Juli.
Und weiter: "Von daher schien – und das war auch mit Herrn Großmann abgesprochen – die Flutschutzmauer sehr wohl ein geeigneter Ort, weil generell erst einmal davon auszugehen war, dass man da gar nicht so schnell hochkommt, dass man von oben Hilfe kriegt und von unten sich mit Räuberleitern und massiven (…) Polizeikräfte dafür sorgt, dass sie hier nicht mehr zwischen den Aufzug und die Flutschutzmauer kamen. Das war mehr als ärgerlich, weil, das Ziel war ja gerade, die Gruppe dort aufzuhalten. Das war aber eine Erfahrung, die – ja – den Kollegen Großmann und mich dann auch ein wenig überrascht hat. Aber eigentlich war die Örtlichkeit polizeitaktisch gut, weil, wie gesagt, wir hatten zumindest eine gerade Begrenzung, an der auch nicht viel Schäden verursacht werden konnten. Jeden Meter weiter, das hat Herr Großmann auch schon gesagt, (...) hätte man mit einer starken seitlichen Begleitung auf den Aufzug einwirken müssen. Und das ist für uns immer schwieriger, als wenn wir bauliche Gegebenheiten nehmen. Und deshalb erschien die Flutschutzmauer in der Grundaufstellung gut" - Zitat Ende.
Fatale Aussage von Hartmut Dudde
Diese Erklärung ist für Hartmut Dudde deshalb fatal, weil sie offenbart, dass dieser Ort GEZIELT ausgewählt wurde - um die Demospitze vom Rest der Demo zu trennen. Und genau darin liegt das Problem.
DENN: Jede kleine Kneipe braucht einen Notausgang nach vorne und hinten raus. Das ist GESETZ! Hier in Deutschland ist alles penibel geregelt und so mancher Kneipenwirt hat seine Mühe eine offizielle Konzession zu erlangen, nur weil der Einbau einer Fluchttür im Keller nicht immer funktioniert. Doch geht es um Menschenleben, um Leute die eingekesselt von der Polizei in Panik geraten könnten und daraufhin versuchen zu fliehen, gibt es nur diesen einen Weg über eine 2 Meter hohe Mauer? Das kann´s ja wohl nicht sein, oder?
Möglichkeit schwere Verletzungen in Kauf genommen
Dieses unbesonnene Handeln der Polizeiführung verursachte zahlreiche Verletzungen bei denen, die dem Kessel entfliehen wollten und irgendwer sollte dafür Verantwortung übernehmen und sich nicht mit peinlichen Possen herausreden. Es kann nicht angehen, dass Hartmut Dudde diesen Ort gezielt ausgewählt hat und mit dem Ergebnis dessen, was wir sahen, dann auch noch durchkommt. Diese Taktik gehört bestraft und sei es nur, dass dieser Mann nie wieder ein Kommando über ein Ereignis dieser Größenordnung bekommt. Wenn doch schon zugegeben wurde, dass man gezielt diesen Ort auswählte, der keinerlei Fluchtmöglichkeiten zuließ und man damit auch billigend in Kauf nahm, dass es im Fall einer Massenpanik auch Verletzte und Tote geben könnte.
Das Beispiel Duisburg (Love Parade 2010 mit vielen Toten) sollte eigentlich Mahnmal genug sein, um eine derartige Taktik von vornherein zu verurteilen. Dudde wandte sie dennoch an, besseren Wissens wie so etwas ausgehen könnte und genau das gehört gerichtlich bewertet und im Zweifel auch bestraft.
Wer in Kauf nimmt, dass Menschen durch seine eigens fabrizierte Polizei-Taktik verletzt oder zu Tode kommen könnten, ist seines Amtes nicht länger würdig und gehört bestraft, respektive aus dem Amt entfernt. Da sollten auch mal personelle Konsequenzen gezogen werden.
Initiative bietet detaillierte Aufarbeitung
Auch der Initiativkreis gegen Polizeigewalt Berlin (IKGPG) geht hart ins Gericht mit Hartmut Dudde, nennt ihn gar einen "LÜGNER", denn auch dieser Kreis könne belegen, dass VOR DIESEM ANGRIFF keinerlei gewalttätige Handlungen von Versammlungsteilnehmern ausgingen. Dudde hatte ja behauptet, die Polizisten seien vor der Eskalation angegriffen worden und die Polizei hätte nur deshalb die Straße räumen müssen. Zahlreiche Videos aber belegen, dass es keine Angriffe auf Polizisten gab, bevor die erste Einheit sich zwischen die Demonstranten schob, um den Kopf der Demo "abzutrennen".
https://www.youtube.com/watch?v=cI4zdX_2I0k&t=8m35s
Der IKGPG glaubt deshalb, dass dieser Polizeieinsatz einzig und allein bezweckte, "möglichst viele Menschen aus dem vorderen Bereich der Demonstration zu verletzen, zu traumatisieren und einzuschüchtern", so der Bericht der Initiative.
Man habe die Demonstranten regelrecht die Mauer "hinauf geprügelt" und man glaube, dass die Polizei durch die Wahl des Ortes eine große Zahl von Verletzten - wenn nicht sogar Toten bewusst in Kauf genommen hat.
Eskalation mit Ansage?
Zumindest die Lautsprecher-Durchsage vor 20 Uhr - wo alles noch ruhig war und viele der zuvor noch Vermummten ihre Vermummung weisungsgemäß auch abgelegt hatten, lässt vermuten, dass die Polizei gezielt die Schlacht im Kessel auch suchte. Denn warum sonst sollte man eine Ansage machen, die eigentlich erst dann kommt, wenn das Chaos schon ausgebrochen ist?
Zitat Lautsprecher-Durchsage von 19:20 Uhr: "Es erfolgt eine Durchsage der Polizei. In den vorderen Reihen der Polizei ist die Vermummung abzulegen"
Und nur 1 Minute später - um 19:21 Uhr folgte die Durchsage: "An die unbeteiligten Personen in der Hafenstrasse. Entfernen Sie sich aus dem Einsatzbereich der Polizei, sonst können auch Sie von polizeilichen Maßnahmen betroffen sein, es ist jetzt 19:21 Uhr"
Aha, das ist nun aber wirklich interessant. Denn zu diesem Zeitpunkt - um 19:21 Uhr war absolut noch nichts passiert. Kein Böller, kein Bengalo, keine Flasche und auch nicht einziger Stein flog irgendwo hin. Außer Vermummung war nichts passiert und TROTZDEM forderte die Polizei JETZT SCHON dazu auf, sich aus dem Einsatzbereich der Polizei zu entfernen. Das tut sie sonst nur, wenn der Einsatz schon begonnen hat - sprich - die Schlacht schon im Gange ist, weshalb die Frage auch hier erlaubt sein muss, ob diese Eskalation seitens der Polizei gezielt gesucht wurde, sie gar vielleicht schon im "Drehbuch" dieses Tages stand?
Gewalt nach Drehbuch?
Das wird selbstredend keiner der hohen Herren zugeben, dass man die Schlacht gezielt gesucht hatte. Fraglich bleibt dennoch, ob prügeln und Einsatz von Reizgas überhaupt eine angemessene Reaktion ist auf Leute, die außer Vermummung bislang nichts getan hatten?
Auch ich habe diese Durchsage gehört und konnte kaum glauben, was ich da hörte. Ich war schon auf vielen Demos und kann bestätigen, dass so eine Durchsage erst dann kommt, wenn das Kind schon im Brunnen liegt, sprich, wenn die Demo sich in der Auflösung befindet. Das war zu diesem Zeitpunkt (19:21 Uhr) aber noch gar nicht geschehen und damit auch ein klares Indiz dafür, dass dieser Einsatz nach Drehbuch ablief - dass von vornherein ein Szenario festgelegt war, wonach die Autonomen erst einzukesseln und anschließend "gegen die Wand zu drücken" seien - um den Rest der Demo vorbeilaufen zu lassen. Dass dieses Vorhaben scheitern MUSSTE, war so klar wie nur irgendwas. Denn dass vermummte Autonome sich NICHT widerstandslos gegen eine "Mauer drücken" lassen, muss auch Dudde klar gewesen sein, der dieses Teilnehmer-Klientel seit Jahren kennt. Er muss also gewusst haben, dass wenn er so etwas tut, es zu einer Schlacht mit hohen Verlusten kommt, auch in den eigenen Reihen. Eben weil es keine Fluchtmöglichkeiten gab und niemand diesem Kessel entkommen konnte. Nicht mal die eigenen Leute!
Der perfekte Kessel
Warum Dudde sich dennoch diesen gefährlichen Ort für seinen Zugriff aussuchte, sagt viel über das grundlegende Einsatz-Gebaren dieses Mannes aus. Kritiker halten diese Form der Konfrontationspolitik für nicht länger tragbar.
Ein Blick auf die im Anhang befindliche Grafik zeigt, wie die Fronten am 6. Juli verteilt waren. Links das massive Polizeiaufgebot umgeben von bequemen Auslauf-Zonen nach links und rechts hin.
Davor aber - dort wo die Demospitze sich befand, waren links und rechts keinerlei Fluchtmöglichkeiten gegeben. Wer raus wollte aus dem Kessel, konnte sich nur in "Luft auflösen" oder eben über diese 2 Meter hohe Flutschutzmauer klettern. Viele taten das auch.
Die Polizei hätte die Demo auch 100 Meter weiter hinten aufstoppen können, dort wo links und rechts keine hohen Mauern sind und die Leute körperlich unversehrt aus der Demo hätten ausscheiden können. Aber diese Möglichkeit wurde seitens der Polizeiführung von Beginn an verhindert. Offenbar wollte man die Schlacht in diesem Graben, in diesem Kessel, umgeben von hohen Mauern, wo keiner mehr entkommen konnte.
Keine Fluchtmöglichkeiten
Dudde hat - wie bereits erwähnt - ganz klar zugegeben, diesen Ort bewusst gewählt zu haben, eben WEIL es keine Fluchtmöglichkeiten gab - weder nach vorne, nach hinten oder zu den Seiten hin. Man habe in der Flutschutzmauer "sehr wohl ein geeigneten Ort gesehen", exakt das waren seine Worte - "weil generell erst einmal davon auszugehen war, dass man da gar nicht so schnell hochkommt" (auf die Mauer) und schon dieser Satz überführt die perfide Taktik des Gesamteinsatzleiters Dudde, die einzig und allein darauf ausgelegt war, die Demonstranten im Kessel zu stellen und sich notfalls mit ihnen auch zu prügeln, falls die sich nicht stellen lassen.
Dass diese Leute sich erfahrungsgemäß nicht stellen lassen, ist bekannt. Also hat man bewusst diese "Schlacht" in diesem Kessel auch in Kauf genommen und damit nicht nur das Leben der Demonstranten, sondern auch das Leben der im Einsatz befindlichen Beamten riskiert. In Betrachtung des Verhaltens vom Tag darauf - dem 7. Juli - ist das übrigens ein bemerkenswerter Vorgang.
Aggressor nach Belieben?
In einem Interview mit Alsterradio am 19. Juli sagte Polizeipräsident Meyer zu den Ausschreitungen in der Schanze vom Abend des 7. Juli - Zitat: "Wir kennen das ja aus alten Einsätzen, Schanzenfest, 1. Mai, wo wir auch schon mal versucht haben auf unterschiedlichste Weise zu agieren - dass man hier versucht hat mit Zurückhaltung zu agieren, weil die Erfahrung ist, wenn man schon um 18:30 Uhr rein wäre, wäre man vielleicht auch als Aggressor bezeichnet worden."
Und diese Taktik hätten die Damen und Herren der Polizei sich am 6. Juli mal zur Herzen nehmen sollen, von wegen "nicht als Aggressor aufzutreten", dann wären die Bilder des 6. Juli der Welt vielleicht erspart geblieben und man hätte stattdessen vielleicht eine völlig friedliche Demo erlebt, die bis zu Ende durchgelaufen wäre. Doch das werden wir nie rausfinden, weil diese Polizeiführung diese Möglichkeit schon im Keime erstickt - kein Fuß breit diesen Autonomen, das ist die Gangart und sie spricht die Sprache der Gewalt.
Unverantwortliche Aktion:
Zusatzinhalt abrufen Video
Um dieses Element anzusehen, öffnen Sie diesen Beitrag bitte auf unserer Webseite.
Zur WebseiteAm 6. Juli jedenfalls trat die Polizei sehr wohl als Aggressor auf, indem sie versuchte den schwarzen Block - der zu diesem Zeitpunkt außer Vermummung nichts getan hatte - vom Rest der Demo zu trennen und es war klar, dass dies nicht ohne Reibung geschehen könne. Sich dann hinzustellen und zu sagen, man wolle nicht als "Aggressor" auftreten ist schon ziemlich bedenklich - und im Grunde auch beschämend. Denn in der Schanze am 7. Juli hätte man "diese Helden" (wie Scholz sie nachher bezeichnete) gebraucht, um den wahren Mob von der Straße zu holen, aber dort hielt man sich feige zurück.
Verkehrte Welt, könnte man dazu auch sagen.
Nur gegen die Schwachen?
In dem einen Fall (Schanze) fürchtete man sich reinzugehen, weil die bösen Jungs auf den Dächern waren - eine schwierige Lage - und da kneift man. In einer einfachen Situation hingegen (6. Juli Fischmarkt), wo es gegen Demonstranten ging, die bislang NICHTS GETAN HATTEN, außer vermummt zu sein, durchbricht die Polizei provokant die Reihen derer, die nur mitlaufen wollten und versuchte den "Kopf" eben dieser Leute vom Rest der Demo zu trennen. Frage: War das aggressiv seitens der Polizei? Ja, war es. Und war das ein eskalierendes Verhalten seitens der Polizei? Ja, auch das. Und tritt die Polizei in leichten, überschaubaren Situationen gerne als Aggressor auf - in schwierigen, unüberschaubaren Situationen aber nicht? "Ja" - auch diese Frage muss man bejahen, wenn man objektiv die Geschehnisse jener Tage betrachtet.
Hier bitte schauen: -->
Zusatzinhalt abrufen Video
Um dieses Element anzusehen, öffnen Sie diesen Beitrag bitte auf unserer Webseite.
Zur Webseite(Treibjagd gegen bunt gekleidete Demonstranten)
Man wird das Gefühl nicht los, dass Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde sich gezielt nur diejenigen Situationen heraus pickt, die er bequem kontrollieren kann und tritt dort dann sehr wohl auch als Aggressor auf - geht aggressiv gegen eine Demo vor, von der bislang keine Gewalt ausging. Die Bilder belegen das. Die Polizei schiebt sich in die Menge - erst dann eskaliert die Situation und so "mutig" hätte Dudde am 7. Juli mal sein sollen, als die wirklich harten Jungs auf der Straße waren, aber da wartete er lieber auf´s SEK und sah zu, wie ein ganzes Viertel zu Bruch ging. Auch das muss weiter aufgearbeitet werden.
"Kraftmeierei"
Hätte die Polizei nicht versucht, die Demospitze vom Rest der Demo zu trennen, wäre die ganze Demo möglicherweise friedlich geblieben. Wir werden das nie erfahren, weil dieses Experiment nicht sein durfte. Weil Dudde eine Null Toleranz Linie fährt und den kleinsten Anlass (wie Vermummung) hernimmt, um eine ganze Demo zu verbieten, weiß auch dieser Herr zu berichten.
Zusatzinhalt abrufen Video
Um dieses Element anzusehen, öffnen Sie diesen Beitrag bitte auf unserer Webseite.
Zur WebseiteSchill lässt grüßen
Der ehemalige Polizist und heutige Ruheständler Thomas Wüppesahl wurde dieser Tage gefragt, ob es einen Plan gab, die Demo am 6. Juli nicht laufen zu lassen?
Wüppesahl erklärt - Zitat: "Das ist wie am 21. Dezember 2013 - diese Demonstration wird NIE laufen - weil diese Kraftmeierei der Hamburger Polizei seit SCHILL das nicht mehr zuläßt. Ein Führungskopf wie Dudde kann und will nicht anders, als die harte Linie zu fahren" - Zitat Ende.
Video hier anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=jGFvY9oWzU0&t=2m20s
Und weiter: "Dudde hat die Pflicht mit den Ressourcen effizient und sinnvoll umzugehen und dazu gehört auch rechtsstaatlich sauber. Diesem Anspruch ist Hartmut Dudde in mehreren dutzend Einzelvorgängen nicht gerecht geworden" und gehört seiner Meinung nach deshalb auch per sofort abgesetzt. Dudde dürfe "nie wieder" ein Kommando dieser Art führen, so der ehemalige Beamte.
https://www.youtube.com/watch?v=jGFvY9oWzU0&t=11m05s
Parallelen zu 2013
Auch am 21.12.2013 hat man mit Vorwänden den Kopf der Versammlung zerschlagen. https://de.wikipedia.org/wiki/Demonstrationen_in_H...
Das gleiche fand nun am 6. Juli am Hamburger Fischmarkt statt. "Dazu diente auch die Komplettgenehmigung der Versammlung ohne jede Auflage", meint Wüppesahl. Das sei für Fachleute absolut klar gewesen, dass eine etwaige Vermummung nicht hingenommen wird, wie so ja auch geschehen. https://www.youtube.com/watch?v=tbtm-DlibBI&t=5m46...
Und obwohl einige der Vermummten sich "entmummt" hatten, reichte das nicht aus, um Dudde zufrieden zu stellen. Daraufhin "jagte man die eine Berliner Hundertschaft rein, um die Vermummten von dem Rest der Versammlung abzutrennen" und das sei "das kleine 1x1 der Facheinsatzlehre, dass Jeder weiß, dass dies nicht funktioniert, ohne das friedliche Versammlungsteilnehmer erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Das weiß man schon seit den 60iger Jahren", erklärte Wüppesahl im Interview, weshalb das Eingreifen am 6. Juli auch "krass rechtswidrig" war. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wurde einfach völlig missachtet, so Wüppesahl im Interview Ende Juli.
Ziel der Eskalation?
Stellt sich natürlich die Frage, WARUM Dudde eine so harte Linie fährt. Wüppesahl hat auch dafür eine interessante Erklärung.
Schon damals - nach dem Dezember 2013 - konstruierte man zur Legitimation des auch damals schief gelaufenen Einsatzes die Geschichte vom Überfall auf die Davidwache, wonach aus der Pressestelle der Hamburger Polizei "in Serie Lügentatbestände den Medien verkauft wurden", berichtet Wüppesahl. "Also falscher Tatort, falscher Handlungsablauf und viele andere Sachen", das sei leider Standard geworden, dass seitens der Journalisten diese Dinge nicht mehr vernünftig hinterfragt werden, weil es in Hamburg in kaum einem Medium noch richtige Polizeireporter gibt. D.h. die Journalisten sind noch stärker abhängig davon, dass die staatlichen Instanzen die Wahrheit sagen, und genau das sei ein "großes Problem", erklärt Wüppesahl.
https://www.youtube.com/watch?v=tbtm-DlibBI&t=9m24...
Zweck der Posse um die Davidwache war damals übrigens die Ausrufung eines Gefahrengebietes gewesen, dass eben mal 80.000 Menschen betraf. Das hatte den Effekt, dass Olaf Scholz aus seinem Sonder-Etat 10 Mio. Euro der Polizei spendierte für schnellere Beförderungen und zusätzliche Sachausstattung - man könne auch sagen "Aufrüstung".
Das gleiche erleben wir jetzt. Schon im Vorfeld hat die Polizei so viel Sonderausstattung bekommen, "wie sie sich das in ihren kühnsten Träumen nicht hätte besser wünschen können" - so Wüppesahl.
Treibjagd
Indes lief die Demo weiter. Die versprengten Gruppen, die über die Flutschutzmauer fliehen konnten, begaben sich erst in die Seitenstraßen links vom Fischmarkt und sammelten sich dann schließlich am Ausgangsort der Demo erneut, dort wo der Aufzug ursprünglich mal begann. Dort sichtbar werden ziemlich unschöne Bilder einer regelrechten Treibjagd gegen kleine Gruppen Versammlungsteilnehmer. Darunter sehr viele bunt gekleidete Personen, von denen absolut keine Gewalt ausging, wie diese Aufnahmen belegen:
https://www.youtube.com/watch?v=sF12Fsfn2ao&t=9m33s
Im Zuge dieses Vormarsches der Polizei wurde ein eindeutig unvermummter Mann von der Polizei verprügelt.
https://www.youtube.com/watch?v=sF12Fsfn2ao&t=10m00s
Zwei Ecken weiter - unweit der Szenerie - ein ganz ähnliches Bild:
https://www.youtube.com/watch?v=ewNZIzw6mKE&t=4m24s
Polizisten stürmen auf Befehl hin auf eine Gruppe Demonstranten und prügelt grundlos auf sie ein.
Auch dieses Vorgehen der Einsatzkräfte gehört untersucht. Gewalt ging von diesen Menschen nämlich keine aus. Einziger Aggressor war wieder mal die Polizei selbst, wie diese Aufnahmen belegen.
Der Mann hinter der Kamera, der dieses Video gemacht hat, kommnentierte diesen Moment mit folgenden Worten: "Die Polizei stürmt die Demo - so was Krankes habe ich auch noch nicht gesehen".
Quelle: AbendblattTV - https://www.youtube.com/watch?v=sF12Fsfn2ao&t=12m50s
Schaut man das Video ein paar Minuten länger, sieht man auch die obligatorischen Steine- und Flaschenwerfer - ABER: Man darf nicht vergessen, wie die Schlacht mal begann, nämlich mit einer gewaltsamen Auflösung der Demo 100 Meter weiter vorne und das nur, weil die Leute vermummt waren. Der Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen schrieb dazu: "Es ist falsch, das harmlosere Vergehen zu ahnden, das schlimmere aber nicht". Der Kollege bezog sich dabei auf einen Vorfall im thüringischen Themar, wo eine Horde Rechsradikaler auf einem Konzert ungestört den Hitlergruß zeigen konnten und die Polizei weder einschritt noch unterband.
https://magazin.spiegel.de/SP/2017/30/152270397/index.html?utm_source=spon&utm_campaign=centerpage
Was dort in Themar passierte, war laut Schilderung der Beobachter um Klassen schlimmer, als sich in Hamburg nur vermummt in die Reihen eines schwarzen Blocks zu stellen und darauf zu warten, dass die Demo losläuft. Ich kann auch verstehen, dass diese Vermummung nicht für Jedermann "schick" ist, aber sie ist in keinem Fall schlimmer als das, was bei Nazi-Aufläufen regelmäßig von der Polizei geduldet wird und wer glaubt, vermummte Linke in einem solchen Block stellen und angreifen zu können, ohne dass die sich wehren (mit Steinen und Flaschen), hat die Dynamik solcher Exzesse weder verstanden noch durchdrungen.
Augenzeuge berichtet
Auch Andreas Gerhold, Abgeordneter der PIRATEN im Bezirk Hamburg-Mitte war am 6. Juli vor Ort und berichtet Folgendes: "Meiner Meinung nach ist das ganz klar ein rechtswidriger Polizeieinsatz gewesen, ich konnte das recht gut beobachten. Es gibt jede Menge Livestreams - Live Video Dokumentationen - anhand derer man die Situation sehr gut nachvollziehen kann und ich habe schon mit Leuten - die an verschiedenen Stellen Augenzeuge waren - die Situation rekonstruiert - was wann zu welchem Zeitpunkt passiert ist und man muss sagen, die Polizei ist da sehr unmittelbar reingegangen mit dem Ziel den Kopf der Demo abzutrennen. Das ist dann aber gründlich schief gegangen. Es waren Leute dort plötzlich in Lebensgefahr. Es gab Situation auf Treppen - wo Leute die Treppen runtergefallen sind - andere sind hinterher gestürmt und es gab dort Situationen, wo Menschen auf scheinbar niedrige Mauern geklettert sind - die auf der anderen Seite aber 3 Meter runter gehen. Es hätte da so viel mehr passieren können, dass Menschen zu Schaden oder gar zu Tode kommen, das war ein absolut unverantwortlicher Einsatz" - berichtet Gerhold.
Die Demo sei für "militante Einsätze" auch nicht vorgesehen gewesen, ergänzt der Parlamentarier. "Der Frontblock war sehr diszipliniert - keine Provokation - keine Gewalt - da flog überhaupt nichts - nicht ein Böller - gar nichts - die waren super diszipliniert und auch die Aufforderung, dass dem nicht nachgekommen sei - sich zu entmummen - stimmt nicht. Viele sind der Aufforderung nachgekommen. Einzelne auch nicht. Aber jeder kann sich die Videos anschauen und man wird sehen, wie wenig wirklich Vermummte da sind."
Zwar habe man Sonnenbrillen und Kapuzen aufgehabt, aber die seien nicht strafbar. Alles bis Unterlippe sei erlaubt und nur sehr Wenige hatten überhaupt noch Tücher vor dem Mund oder gar Skimasken auf und im übrigen vermumme sich "auch die Polizei und auch da geschehen Straftaten, deren Täter nicht mal ermittelbar sind", weshalb Gerhold auch eine Kennzeichnungspflicht fordere, damit die Identifizierbarkeit der Beamten gegeben sei. Es müsse auch da niemand sein Gesicht zeigen, aber man muss rückschließen können, welcher Beamte was gemacht hat - anhand seiner Nummer auf der Jacke.
Auffällig in dem Zusammenhang ist, dass in dem Einsatz wie hier geschildert - wo am Boden liegende Demonstranten noch getreten wurden - die Beamten KEINE NUMMER trugen. Nur das Wappen auf der Jacke am Arm zeigte, dass sie zur Hamburger Polizei gehören.
Demonstranten gaben nicht auf
Möglicherweise hat die Hamburger Polizei aber auch den unbändigen Willen der friedlichen Versammlungsteilnehmer unterschätzt. Dem Willen zur Fortsetzung der Demo konnten die Prügelattacken der Polizei nämlich nichts anhaben. Mit beeindruckender Wucht schlugen den prügelnden Beamten Gesänge wie "Hoch - d i e - Internationale" entgegen und die Polizei wich daraufhin tatsächlich zurück. Einer der wenigen Gänsehaut-Momente jener Tage.
https://www.youtube.com/watch?v=sF12Fsfn2ao&t=10m00s
Straße zurück erobert
Auch ich stehe nach ein paar Metern wieder da, wo ich losgelaufen war. Inmitten von Demonstranten die per Sitzblockade den Wasserwerfer behinderten oder mit Samba-Trommeln den friedlichen Neustart der Demo forderten.
Eine andere Dame versuchte sich im Flötenspiel den Beamten zu nähern - deeskalierend auf sie einzuwirken. Half aber nichts. Auch diese Sitzblockade wurde gewaltsam aufgelöst. Einen wirklichen Anlass gab es dafür aber nicht.
"Flöten" gegen Gewalt
"Wir sind friedlich, was seid ihr", singt eine Gruppe Sitzblockierer, ein Appell, der ungehört bleibt. Trotz des an dieser Stelle friedlichen Protestes griff die Polizei hart durch.
Auf den Bildern deutlich zu sehen, wie ein Beamter einen am Boden liegenden, unvermummten Teilnehmer einer Sitzblockade erst mit Füßen tritt und anschließend per möglicherweise nicht ganz legalem Polizeigriff zum aufstehen zwingt.
"Ihr solltet Euch schämen", ruft eine junge Frau energisch den Beamten entgegen.
Und immer wieder sind auch Sprech-Chöre zu hören, wie auch einzelne Stimmen aus der Menge heraus. Eine Dame mit auffälligem Lippenstift ruft: "BRD Bullenstaat - wir haben dich zum kotzen satt". Ich erwähne das deshalb, weil für gewöhnlich hin angenommen wird, dass solche Sätze nur von schwarz gekleideten Vermummten kommen, doch das ist bei Weitem nicht der Fall. Auch völlig normale Bürger haben diese Eskalationspolitik der Hamburger Polizeiführung offenbar schlicht und ergreifend satt.
"Haut ab"
Auch ich komme nicht umhin mich von der Stimmung vor Ort anstecken zu lassen und bin jetzt mit drin, im Chor der Menschen, die ihren Unmut frei herausschreien: "Haut ab, haut ab, haut ab", heißt es immer wieder und dann passiert es, die Polizei zieht sich tatsächlich zurück. Die Straße ist zurück erobert, die Demo lief weiter.
Bunt ist Trumpf - Dusche für den Frieden
So gegen 20.30 Uhr war die Demo dann wieder auf ihrer alten, ursprünglichen Route und ich lief ein paar Meter mit. Vereinzelt kam es noch zu Aufstoppungen, obwohl nicht ein einziger Vermummter unter den Teilnehmern war. Als suche die Polizei immer noch Streit, das Gefühl hatte ich in diesem Moment.
"Liebe ist stärker als Hass"
In Anbetracht so manchner Nazi-Aufmärsche ist es in der Tat auffällig, dass linke Demonstranten augenscheinlich stärker bekämpft werden als Vertreter rechtsgerichteter Proteste. Auch das sollte man gezielt mal auswerten und in Relation setzen.
Ein Fazit
Am Ende lief die Demo noch bis Millerntor und später in den Nachrichten hörte ich von den Gewalt-Exzessen überall in der Stadt, die Polizei hatte mit der Zerschlagung dieser Demo somit überhaupt nichts erreicht. Nur den Unmut derer gefördert, die ohnehin nicht gut zu sprechen sind auf Dudde & Co.
Wenn es also das Ziel war, Übel vom Rest der Stadt abzuwehren und man deshalb versuchte den Kopf der Demo vom Rest der Versammlung zu trennen, so ist das gründlich misslungen.
UND: Ein vermummter Linksautonomer ist möglicherweise noch wütender als zuvor, wenn sein Grundrecht auf Versammlungsteilnahme beschnitten wird und das nur, weil er vermummt war? Vielleicht eine gute Gelegenheit, das Vermummungsgesetz grundlegend mal zu überarbeiten. Es ist bei Weitem nicht mehr zeitgemäß.
Thema Vermummung
Ein Landespolitiker forderte unlängst das Vermummungsverbot einfach abzuschaffen. Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, könnte aber die Lösung des Problems sein. Denn Fakt ist, es gibt diese Menschengruppen, sie existieren und sind - nebenbei bemerkt - auch ein Produkt dieser Gesellschaft. Ginge es gerechter in der Welt zu, würde es diese Protestler gar nicht geben, weil alle zufrieden leben könnten, doch davon sind wir weit entfernt.
Aus diesem Grunde sollte man die Existenz dieser Gruppen vielleicht auch mal hinnehmen und lernen mit ihnen umzugehen. Die Strategie vom 6. Juli jedenfalls war´s nicht, die produzierte nur Bilder, die am Ende die ganze Welt empörten - und wie man sieht - monatelange Debatten auslösen. Sei es im Sonderausschuss oder im geforderten "PUA" - das alles hätte man sich sparen können, wenn auch die Hamburger Polizeiführung mal dazu lernen würde und deeskalierende Konzepte entwickelt, die das Papier dann auch wert sind.
Gesetz nicht mehr zeitgemäß
Vielleicht hätte man die Demo einfach laufen lassen sollen und schauen was passiert. WENN was passiert, kann man ja immer noch eingreifen. Präventiv gegen eine Demo vorzugehen, nur weil man GLAUBT, das etwas passieren KÖNNTE, ist weder rechtsstaatlich noch redlich und nicht Jeder, der sich vermummt, will auch Straftaten begehen. Es gibt tausend andere Gründe, sein Gesicht unkenntlich zu machen, denn schließlich filmt die Polizei auch und wer will schon gerne Teil eines Polizeivideos sein? Solche Videos werden gerne auch mal mit Geheimdiensten geteilt, wo dann Profile erstellt werden, wer mit wem wo gesehen wurde, das möchte man selbstverständlich nicht, da gilt auch für Autonome der Schutz der Privatssphäre "und mal ganz grundsätzlich - nicht nur Autonome sollten sich vermummen dürfen, auch ganz normale Leute sollten das Recht haben unkenntlich zu demonstrieren", fordert Andreas Gerhold von den "Piraten". Weil "warum soll mein Chef zum Besipiel im Fernsehen erkennen, dass ich auf einer Schwulen-Demo demonstriere oder für Gewerkschaftsrechte eintrete?" - fragt Gerhold. Die Angst vor Repression seitens Arbeitgeber oder Gesellschaft sei durchaus berechtigt und somit gehöre das Vermummungsverbot aus diesem Grunde auch abgeschafft, fordert Gerhold im Interview am 8. Juli diesen Jahres.
Und was die "Anderen" angeht, wer vorhat, Autos anzuzünden und Scheiben einzuwerfen, der tut das ohnehin - auch NACH DER DEMO und in kleinen Gruppen überall in der Stadt verteilt (wie so ja auch geschehen).
Im Zweifel tun diese Leute das dann auch mit wesentlich mehr Wut im Bauch als vor der gewaltsamen Auflösung ihrer Demo und schon brennen ein paar Autos mehr, nur weil man sauer darauf ist, dass die Hamburger Polizei die Demo nicht laufen ließ. Erreicht haben die "Ordnungshüter" damit jedenfalls nichts. Nur noch mehr Wut und Unmut in den Köpfen derer, die das staatliche Gewaltmonopol ohnehin schon verneinen.
Rezepte gegen Gewalt
Vielleicht sollte die Polizei auch mal anfangen Freunde zu suchen. Wer nett und freundlich ist, hat auch keine Feinde (einfach gedacht).
Und auch, wenn es ein Stück weit komplizierter ist, bleibt doch festzustellen, dass Veränderung immer beide Seiten braucht.
Ein echter, aufrichtiger Beitrag zur Deeskalation auch seitens der Polizei wäre ein guter Anfang, um Bilder wie die vom 6. Juli künftig zu vermeiden.
Deshalb: Hoffen wir mal auf bessere Zeiten und einen klügeren Umgang mit Menschen, die ihren Protest nur auf die Straße tragen wollen.
P E A C E (y)
www.maxbryan.de
> "War alles so gewollt?"
Aber klar doch... von den Rot- und Bunthemden, die durch die Straßen marschierten und Remmidemmi machten, um Einsätze zu provozieren und sich als Opfer darstellen zu können...
Arme Radikale...