Wenn der Gigger zum Aufstehen kräht

Ferien auf dem Bauernhof: Da braucht man keine künstliche Animation.
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Auf den Spuren bäuerlicher Kultur in Südtirol

Südtirol ist ein ganz eigenes Land. Am Namen leicht zu erkennen, war es einmal ein Teil Tirols. Widrige Politik – lang ist`s her - schlug es zu Italien, was es aber für Besucher von heute reizvoll macht: Man versteht die deutsche Sprache und mischt österreichische mit italienischer Küche. Ein Urlaubsland par excellence also. Südlich des Brenners gelegen, bietet die autonome Provinz zwischen Etsch und Eisack fast alles: mediterrane Vegetation, Obstplantagen und sanfte Rebhügel vor der Kulisse der bizarren Felstürme der Dolomiten und der Hochgebirgsgletscher, an die 120 Burgen und Schlösser, schönste Bauern- und Weinmuseen sowie das Archäologische Museum in Bozen, wo die 5.300 Jahre alte Gletschermumie „Ötzi“ vom Hauslabjoch Besuchermagnet war und ist.

Etwa 2.000 Höfe des von Land- und Viehwirtschaft geprägten Bauernlands sind mit gastlichen Komfortzimmern ausgestattet. Urlauber sind gern gesehene Helfer – aber Vorsicht! Beim Ausmisten kann man leicht in den Wasserstrahl der Kuh geraten – oder in Schlimmeres.

„Kaum mehr vorstellbar die Zeiten, als wir die Wolle unserer Schafe weggeworfen haben.“ Die Traudl vom Wegleithof in St. Pankraz erklärt Gästen gern die Wollverarbeitung, vom Kardieren übers Spinnen und Weben bis zum Färben. In Bottichen hält sie die natürlichen Farben bereit: Fenchel, Zwiebel- und grüne Nussschale, Lärchenflechte, Malve und Färberdistel.

Im Ultental, einem der ursprünglichsten Täler, das sich vom Apfelanbaugebiet um Lana bei Meran über St. Pankraz und St. Walburg bis zur Ortlergruppe mit dem 3.779 Meter hohen Cevedale zieht, kräht noch der „Gigger“ zum Aufstehen. Auf dem Knappenhof geht die Schweiggl Priska einer alten Handarbeit nach. Man darf zusehen, wie sie kardierte Wolle mit Seife und heißem Wasser „verfilzen“ lässt und – kaum zu glauben – einen Filzpantoffel zaubert, zu kaufen im „Ultner Baurnlodn“.

Ähnlich ist es mit der von Männern ausgeübten Federkielstickerei, die im Sarntal nördlich von Bozen Tradition hat. Bestickt werden Trachtengürtel und Kraxen (Hosenträger), Brillenetuis sowie Geld- und Handtaschen. Gebraucht werden Leder, 1,45 Meter lange Pfauenfedern, ein Schustermesser und diverse Ahlen. Mit der Ahle wird ein Loch ins Leder gestochen und der aus der Pfauenfeder ausgelöste Mittelteil, der „Faden“, mit der Glanzseite nach außen durchgeschoben. So entstehen dank Plattstich schönste Muster. Manch einer presst nasse Lindenblätter auf das feuchte Leder, so dass der Abdruck erhalten bleibt.

Ob Puster-, Eisack-, Tauferer Ahrntal oder Gsiesertal mit malerisch vor Schneegipfeln stehenden Holzhäusern, Heustadeln und Kapellen, das bäuerliche Handwerk wird weiter gereicht. „So haben wir das von den Eltern gelernt“, sagt Dora vom Schenkenhof in St. Magdalena im Gsiesertal, wenn sie die heißen Brotfladen, gebacken mit Koriander, Anis und Brotklee, aus dem 200 Jahre alten Backofen holt und nass abbürstet. „Dadurch bekommen sie Glanz und sehen schöner aus.“ Nur einmal im Jahr wird Brot gebacken, ein Festtag: „Das legen wir auf den Dachboden. Da wird es hart, aber es schmeckt das ganze Jahr.“

In den Buschenschänken munden Schöpsernes (Lamm), Knödel und Krautsalat ebenso wie Speck und Kaminwurzen, das ist die geräucherte Hartwurst, Pasta, Saltimbocca und Tiramisù, und immer passt ein süffiger Vernatsch, ein Lagrein, Gewürztraminer oder einer Marke Eigenbau. Sommers wie winters heißen die Bauern Gäste willkommen, denn Südtirol ist das Wanderdorado schlechthin, ob in schwindelnden Höhen oder entlang der Waale im Vinschgau, jener künstlichen Bachläufe zur Bewässerung der Felder, mit den im Gleichklang tönenden Waalschellen.

Wenn Spargel und frische Kräuter sprießen, blühende Apfelgärten ganze Täler in Blütenmeere tauchen, dann ist auf Südtirols Urlaubsbauernhöfen jede Menge los. Sechs Milliarden Äpfel, so viele wie es Menschen auf der Welt gibt, werden jedes Jahr in Südtirol geerntet. Noch viel mehr Blüten tauchen das Land im April in eine weiße und rosa Welt. Auf einem der 400 „Roter Hahn“-Obsthöfe können Urlauber nicht nur wohnen, sondern echte Landkultur erleben, erschnuppern und sogar probieren, schließlich gibt es hofeigene Produkte auf jedem „Roter Hahn“-Hof.

Auf dem Radweg durchs Eisacktal oder im Etschtal geben nach jeder Kurve die Apfelbäume neue Panoramen frei, auf trutzige Burgen, romantische Dörfer oder auf die kleinste Stadt Südtirols, das mittelalterliche Glurns mit seiner Stadtmauer und den Laubengängen.

150 Kilometer Radwege durch die abwechslungsreiche Landschaft machen das Radfahren im Vinschgau zum Erlebnis, immer talwärts der Etsch entlang, auf den Spuren der legendären Römerstraße Via Claudia Augusta. Viele Ferienbauernhöfe liegen direkt an der historischen Route und bieten sich somit ideal als Unterkunft für Radurlauber an. Der Weg zurück ist ebenso gemütlich – an Bord der Vinschger Bahn.

Bürgerreporter:in:

Elke Backert aus Hamburg

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