Wie geht es weiter mit der Seelsorge?
In wenigen Jahren, sagt Dr. Franz Schregle, wird es in keinem Dorf im Unterallgäu mehr einen Pfarrer geben. Nur noch die zentralen Orte wie z. B. Mindelheim, Kirchheim, Bad Wörishofen, Pfaffenhausen oder Türkheim können auf einen Seelsorger bauen. Worte, die Sprengkraft haben.
Der Referent für Gemeindeentwicklung der Diözesanregion Memmingen - Unterallgäu (wohnhaft in Gutenzell im Kreis Biberach) sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Im Jahr 2025 werden in der Diözese Augsburg nur noch 200 leitende Pfarrer wirken, schätzt er. Heute sind es 500, und die haben schon alle Hände voll zu tun, um ihrer Aufgabe in den Pfarreiengemeinschaften einigermaßen gerecht zu werden.
„Es bricht etwas grundlegend um“, sagt Dr. Schregle. Wer vertritt die Kirche vor Ort? Wer ist das Gesicht der Kirche in den Dörfern? Das sind die Fragen, die ihn umtreiben. Schregle beschleicht ohnehin das Gefühl, dass sich die Kirche aus vielen Bereichen bereits zurückgezogen hat. Auch auf den Dörfern ist es keineswegs so, dass alle noch eine enge Bindung zur Kirche pflegen, auch wenn es im Unterallgäu noch relativ gut aussehe. In manchen Dörfern will Schregle eine gewisse „kirchliche Kuscheligkeit“ festgestellt haben. Routine herrsche vor. Wie aber sehen die Sozialkontakte im Ort aus? Werden Migranten eingebunden? Wie leben die Menschen, was bewegt die Menschen?
Es sind unbequeme Fragen, die der Referent stellt. Dr. Schregle erzählt von Neubaugebieten, in denen Menschen zwar ihren persönlichen Traum
verwirklicht haben, die aber keine Verbindung zum Dorf und zur Gemeinschaft pflegen. Die Lebensweise vieler auf dem Land habe sich dramatisch verändert. Der nahe gelegene Flughafen in Memmingen, die Autobahnen, das schnelle Internet - all diese Möglichkeiten verführten dazu, der Gemeinschaft auf dem Dorf den Rücken zu kehren. „Hier entstehen Folgen, die wir noch gar nicht abschätzen können“, meint Dr. Schregle.
Der Wochenendflug nach Paris für eine Frau mit kleinen Kindern könne auf Dauer keine Perspektive sein. Ältere Menschen ohne Kontakt auf dem Dorf - auch das könne kein guter Weg sein.
In dem Ort, wo er wohnt (Gutenzell bei Ochsenhausen im Kreis Biberach), kennt Dr. Schregle drei gebrechliche Damen. Weil es dort keine Struktur gibt, damit sie im Dorf bleiben können, werden sie das Dorf verlassen und in einem Heim untergebracht werden müssen. Dass er das nicht für sehr menschlich hält, daran lässt der Referent keinen Zweifel.
Was aber lässt sich tun? Die Antwort klingt einfach: Die Kräfte bündeln, sich zugleich anderen öffnen, auf andere zugehen, Menschen neu für ihren Ort motivieren. Die Kirche will vor allem auf die Kommune zugehen. Deshalb sei Prof. Lothar Zettler für die Dorferneuerung sehr angetan gewesen.
Das ist die Kernidee eines Modellprojekts, das im Herbst in fünf Gemeinden im Unterallgäu anlaufen soll. „Netzwerk Kommune - Kirche - Gesellschaft“ ist das ehrgeizige Vorhaben überschrieben, das drei Jahre lang laufen soll. Die Erkenntnisse sollen im Idealfall positiv auf ganz Bayern ausstrahlen.
Der Auftakt allerdings war etwas holprig, wie Dr. Schregle einräumt. Das Landwirtschaftsministerium habe auf sofortigen Beginn gedrängt. Es steuert die Hälfte der 202000 Euro Gesamtkosten bei. Deshalb sei nicht überall ausreichend informiert worden, was Ziel dieses Modellvorhabens ist. Die andere Hälfte hat sich der Verein „Soziale Gemeinden im Unterallgäu“ von der Diözese (20000), dem Landkreis (25000) , den Gemeinden (51000) und den evangelischen Kirchengemeinden (5000) gesichert. Weil die Diözese Dr. Schregle für das Projekt freistellt, beläuft sich der kirchliche Anteil faktisch auf 100000 Euro.
Dem Verein steht Hans Mayer vor, früherer Landvolkreferent. Ferner gehören der Vorstandschaft Eberhard Westhauser für die evangelische Kirche, Benedikt Jäger und Martha Hänsler an. Auch Altlandrat Dr. Hermann Haisch engagiert sich für die Sache.
Fünf Räume sollen untersucht werden: Mindelheim und seine Ortsteile mit Apfeltrach, Bad Grönenbach, Bad Wörishofen, Ettringen mit Markt Wald und Ottobeuren mit Böhen und Hawangen. Einzelne Zustimmungen fehlen noch. Diese, hofft Dr. Schregle, liegen bis Mitte Oktober vor.
Für den Herbst ist eine gemeinsame Auftaktveranstaltung geplant, schreibt die Augsburger Allgemeine. Es soll per Fragebogen abgefragt werden, wie das Miteinander der Generationen in dem jeweiligen Ort funktioniert.