Weltmeisterlicher Besuch in Günzburg
Wolfgang Bunz gehörte in Brasilien zum DFB-Team. In Günzburg erzählt der Physiotherapeut, wie er die Euphorie nach dem WM-Sieg buchstäblich mit Händen greifen konnte.
Philipp Lahm, Thomas Müller und Manuel Neuer gehörten zu seinen Stammpatienten. Bei Wolfgang Bunz sind sie regelmäßig auf der Behandlungsliege. Der 57-Jährige ist Physiotherapeut. Er gehörte in Brasilien zum DFB-Team und wurde Weltmeister. Während seiner 16-jährigen Tätigkeit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat er es mit seiner Behandlung bisweilen erst möglich gemacht, dass der eine oder andere Nationalspieler ein wichtiges Spiel bestreiten konnte. Das würde Bunz aber nie so behaupten. Der bescheidene Ulmer stattete vor kurzem der Berufsfachschule für Physiotherapie am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg einen Besuch ab. Dabei stand er seinen angehenden Physio-Kollegen Rede und Antwort. Die etwa 40 Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte hatten einen langen Fragenkatalog vorbereitet. Sie erlebten einen kurzweiligen Nachmittag mit vielen Infos rund um die Physiotherapie in der Sportmedizin im Allgemeinen und die Nationalmannschaft im Besonderen. Schulleiterin Barbara Aigner, die Wolfgang Bunz persönlich kennt, hatte den Kontakt geknüpft.
Für Bunz war Brasilien nach eigenen Angaben natürlich eine ganz besondere WM, wenn man am Ende den Pokal in Händen hält. Zuvor hatte er schon vier derartige Großveranstaltungen erlebt. „Dass es diesmal so laufen würde, war in dieser Art und Weise nicht vorhersehbar“, meint er. Im Campo Bahia, wo die deutschen Kicker untergebracht waren, habe sich ein Teamgeist entwickelt, der die Grundlage für den Titel legte. „Ernsthaftigkeit und Zielorientierung: Es sind viele kleine Dinge, die ausschlaggebend sind. Am Ende entscheidet oft das Glück“, so Bunz. Das Glück stellte sich im Finale in Rio de Janeiro in der 113. Minute ein, als Mario Götze den 1:0-Siegestreffer für die deutsche Mannschaft gegen Argentinien erzielte. Sieben Minuten später war die Löw-Truppe Weltmeister. „Das waren meine längsten sieben Minuten“, sagt Bunz. Er sei glücklich und demütig, hautnah dabei gewesen zu sein und ein Teil dieses Teams sein zu dürfen. „Es ist eine Ehre.“
Sportphysio zu sein, ist auch harte Arbeit. „Wir haben morgens um 8.30 Uhr mit den ersten Therapien begonnen. Der Arbeitstag endete in der Regel abends um 23 Uhr.“ Die Ärzte, Physiotherapeuten und Psychologen stellten sich stets in den Dienst der Mannschaft. „Wir puschen die Spieler, unterstützen und motivieren sie, und sind manchmal auch ein bisschen Seelentröster“, verrät der 57-Jährige. Seine Aufgabe sei es, im Hintergrund optimal zu arbeiten. Da es sich um ein „ganz sensibles Umfeld“ handele, gelte es, zurückhaltend zu sein und sich einzuordnen. Zu den Spielern, zu den Trainern und zum Betreuerstab bestehe ein großes Vertrauensverhältnis. „Alle sprechen die gleiche Sprache.“
Um den Profikickern optimale Voraussetzungen zu bieten, sei ein ganzer Container voller Kisten und Taschen mit medizinischer Ausrüstung nach Brasilien transportiert worden. Darin befanden sich fünf höhenverstellbare Behandlungsliegen, circa 500 Rollen Tape und viele andere Verbands- und Arbeitsmittel, Matten, Massagerollen, Kleingeräte, Elektrotherapiegeräte, ein kleines internistisches Labor, eine komplette Apotheke und vieles mehr. Alles in allem wird es wohl eine Tonne Material gewesen sein, das per Luftfracht dorthin verfrachtet wurde, schätzt er. Auch die berühmt-berüchtigten Eistonnen waren mit dabei. Idealerweise, so Bunz, sollten die Spieler nach den Einsätzen zehn bis 15 Minuten darin verbringen. „Die meisten schaffen es aber maximal acht Minuten.“ Das Bad in der Eistonne sei ein probates Mittel der Regeneration. Es diene dazu, bestimmte physiologische Abläufe zu beeinflussen.
In der Kabine hatte die medizinische Abteilung für die Halbzeit auch kleine Eisfußbäder und Eistücher bereitgestellt, welche die Kühlung des überhitzten Organismus dienten. Die Hitze in dem südamerikanischen Land sei weniger ein Problem gewesen als immer behauptet. „Ein junger, durchtrainierter Mensch Mitte 20 muss damit umgehen können. Außerdem waren wir schon zehn Tage vorher da zum Eingewöhnen. Das reicht zur Anpassung“, so der Ulmer.
Die Spieler hätten entspannt und nicht asketisch, aber sehr professionell im Campo Bahia gelebt. Es habe für jeden Tag einen Plan gegeben, beschreibt Bunz den Turnieralltag. Während der acht Wochen inklusive Trainingslager in Südtirol sei keiner zu irgendeinem Termin oder Training zu spät gekommen. Beim Rundlauf barfuß um die Tischtennisplatte habe es jedoch mal Blasen gegeben, worauf die Tapekunst der Physios gefragt war. „Das war der jugendlichen Unbekümmertheit geschuldet.“
Am Ende war es geschafft: Deutschland hatte die WM gewonnen. Was Bunz dann nach der Rückkehr in Berlin erlebte, sei „der Wahnsinn“ gewesen. „Die Leute sind komplett ausgeflippt. Das war surreal. Das war schon ein sehr besonderes Erlebnis“, erzählt er mit leuchtenden Augen. Auf einem Lastwagen durch die Bundeshauptstadt fahrend habe er die Euphorie buchstäblich mit Händen greifen können.
Bürgerreporter:in:Georg Schalk aus Augsburg |
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