Rettet die Kommunen!
Parlamentarischer Abend des Verbandes der Bayerischen Bezirke mit der Freie Wähler Landtagsfraktion im Maximilianeum
Vertreter des Verbandes der Bayerischen Bezirke haben sich am Dienstag im Bayerischen Landtag mit Abgeordneten der Freie Wähler Landtagsfraktion zu einem Meinungsaustausch über die sich zuspitzenden Finanzprobleme der Bezirke getroffen. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Zuwendungen des Freistaates aus dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) sowie das nach Auffassung der Bezirksverbandsvertreter „erhebliche Aufmerksamkeitsdefizit der Staatsregierung für die Probleme von Bezirken, Kommunen und Gemeinden.“
Hubert Aiwanger, Fraktions- und Landeschef der Freien Wähler, sagte, die politische Wahrnehmung der Kommunen im Landtag habe sich in den vergangenen Monaten aufgrund der Präsenz der Freien Wähler zwar deutlich verstärkt: „Entscheidend ist jedoch, dass wir an dem Thema dran bleiben, dass wir gemeinsam die Staatsregierung immer wieder auffordern, ihre gegenüber den Bezirken ignorante Politik zu ändern. Unsere Landtagsfraktion wird auch künftig massiv Druck auf die Staatsregierung beim Thema Finanzausstattung ausüben – diese Botschaft habe ich auch aus dem heutigen Abend ganz klar mitgenommen: Rettet die Kommunen, bevor es zu spät ist! Die Frage ist, wie wir effektiv helfen können, dass unsere Kommunen den Gürtel nicht noch enger schnallen müssen als bisher geschehen. Ich setze mich für mehr Entscheidungsspielraum der Kommunen ein; sie sollen selbst entscheiden können, für welche Maßnahmen sie beispielsweise Fördermittel einsetzen.“
Manfred Hölzlein, Präsident des Verbandes der Bayerischen Bezirke: „Was wir brauchen, ist mehr Geld im Finanzausgleichssystem, eine Erhöhung der Mittel nach Artikel 15 des Finanzausgleichsgesetzes. Wenn das nicht bald passiert, sind die Bezirke gezwungen für die zu erbringenden, immer weiter steigenden Sozialhilfeleistungen bei den Landkreisen eine höhere Bezirksumlage einzufordern. Das löst dann eine Kettenreaktion aus: Die Kreisumlage, die die Gemeinden zu zahlen haben, müsste dann ebenfalls erhöht werden, und die finanziellen Mehrbelastungen würden immer weiter nach unten durchgereicht – bis wir Bürger es über drastisch erhöhte Abgaben jeden Tag ganz bitter im eigenen Geldbeutel spüren. Die Staatsregierung sollte nicht vergessen, dass der Anteil der Bezirke an den Sozialausgaben rund 2,7 Milliarden Euro beträgt – das sind gut 80 Prozent der gesamten Sozialausgaben des Freistaats. Um diese Belastungen weiter schultern zu können, benötigen wir künftig anstatt 583 Millionen 700 Millionen Euro nach Artikel 15 FAG!“
Joachim Hanisch, MdL und Innenausschussvorsitzender des Bayerischen Landtags, kritisierte die immer härtere Abwälzung finanzieller Verpflichtungen auf die kommunale Ebene. Die Kommunen könnten die Aufgaben der Daseinsvorsorge bald nicht mehr leisten. „Deswegen benötigen wir dringend mehr Geld im System. Das müsste auch der Staatsregierung einleuchten, denn die weiß nur zu genau, dass die Pflichtaufgaben der Bezirke zu 92 Prozent gesetzlich festgelegt sind – ohne jegliche Manövriermöglichkeiten. Hinzu kommt, dass Mindereinnahmen in Höhe von 190 Millionen Euro und wegen steigender Fallzahlen zusätzliche Kosten von rund 130 Millionen Euro anfallen. Das reißt ein Haushaltsloch von 320 Millionen Euro. Daneben sind für 2012 weitere Kostensteigerungen im Sozialsektor der Bezirke um fünf Prozent prognostiziert. Dies würde allein für 2011 eine Erhöhung der Bezirksumlage um etwa drei Prozent bedeuten.“
Bernhard Pohl, MdL der Freien Wähler aus Kaufbeuren und Mitglied des Innenausschusses des Bayerischen Landtags, forderte eine Überprüfung verschiedener gesetzlicher Standards: „Und zwar einerseits im Sozialbereich, aber auch bei den Anforderungen an die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur sowie die Ökostandards.“
Reinhold Frank, Sozialreferent des Verbandes der Bayerischen Bezirke: „In den Jahren 2003 und 2004 haben die kommunalen Spitzenverbände in Bayern mit Unterstützung der Staatsregierung angesichts der seinerzeit als dramatisch eingeschätzten Finanzlage der kommunalen Haushalte zahlreiche Vorschläge zum Standardabbau sowie zur Kostendämpfung im Sozialbereich ausgearbeitet. Davon wurde eine Reihe der Vorschläge in den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich eingebracht. Diese Gesetzesinitiative wurde seinerzeit vom Bundesrat beschlossen, scheiterte anschließend jedoch im Bundestag. Im Bereich der Jugendhilfe wurden später einige Vorschläge im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigt. Und so sieht unsere Lage heute aus: Aufgrund der Finanzmarktkrise befinden sich die Kommunen in einer noch schlimmeren Situation als in den Jahren 2003 und 2004. Selbst wenn die zu erwartenden Steuereinnahmeausfälle mittelfristig durch eine konjunkturelle Belebung wieder ausgeglichen werden, treffen sie die kommunalen Haushalte aufgrund der extrem hohen Bindungen bei den Ausgaben für soziale Pflichtleistungen ins Mark. Das gesamte steuerfinanzierte Sozialleistungsrecht muss daher aus kommunaler Sicht einer Überprüfung unterzogen werden; unter Beachtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Nachrangigkeit gegenüber anderen Sozialleistungssystemen.“
Manfred Pointner, MdL und finanzpolitischer Sprecher, dämpfte die Erwartungen der Bezirke: „Es ist nicht abzusehen, dass der Bund den Kommunen zur Hilfe eilt: Wir müssen für das Jahr 2011 mit etwa zwei bis drei Milliarden Euro Mindereinnahmen bei bayerischen Landeshaushalt rechnen. Ein ausgeglichener Haushalt ist vor diesem Hintergrund nicht mehr realistisch; um eine Neuverschuldung wird der Freistaat wohl nicht herumkommen. Das schränkt seine Möglichkeiten weiter ein, den Bezirken eine erhöhte Zuwendung nach Artikel 15 des FAG zuzubilligen.“
Tamara Bischoff, Landrätin der Freien Wähler aus dem unterfränkischen Landkreis Kitzingen: „Auch die Fördertopf-Problematik muss gegenüber der Staatsregierung deutlich angesprochen werden. Muss beispielsweise eine Kreisstraße, auf der nur wenige Fahrzeuge gemessen werden, wirklich sechs Meter breit sein? Nur, damit ich dafür Zuschüsse erhalte? Hier sehe ich dringenden Änderungsbedarf. Was die jetzt von Bundes- und Staatsregierung in Aussicht gestellte Erholung der Wirtschaft und damit unserer Gewerbesteuereinnahmen angeht, so sehe ich dies sehr kritisch: Eine echte Erholung der Wirtschaft nach der weltweiten Finanzkrise ist meines Erachtens nicht in Sicht, zwei Prozent Wachstum reichen auch nicht für einen großen Aufschwung beim Arbeitsplatzangebot. Ich biete Bund und Freistaat gerne an, uns Rechnungsprüfer in die Bezirke zu schicken, um sachlich zu überprüfen, ob es noch Spielräume und Effizienzsteigerungsmöglichkeiten gibt. Aber dann muss anschließend auch akzeptiert werden, dass wir Kürzungen der Finanzzuweisungen, die uns von der Staatsregierung aufgedrängt werden, auf Bezirksebene künftig nicht mehr stemmen können. Wenn es so weiter geht wie bisher, wird das System am Ende kollabieren.“
Bürgerreporter:in:Peter Schoblocher aus Thannhausen |
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