GÜNZBURG:Die Ludwig-Heilmeyer-Straße bekommt einen neuen Namen Der Stadtrat beschloss in seiner Sitzung die Umbenennung – Aufklärungsarbeit kommt dazu

Der Stadtrat beschloss in seiner letzten Sitzung, dass zukünftig eine andere Straße zu den Kliniken führt. Die Ludwig-Heilmeyer-Straße wird umbenannt | Foto: Julia Ehrlich/ Stadt Günzburg
  • Der Stadtrat beschloss in seiner letzten Sitzung, dass zukünftig eine andere Straße zu den Kliniken führt. Die Ludwig-Heilmeyer-Straße wird umbenannt
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Der Günzburger Stadtrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit 16:4 Stimmen für eine Umbenennung der Heilmeyer-Straße ausgesprochen. Grund sind Verstrickungen und mangelnde Distanzierung des Namengebers zum Nationalsozialismus. Das Kommunalparlament sprach sich aber auch für eine aktive und dauernde Auseinandersetzung mit der Person Ludwig Heilmeyer aus. Erläuternde Informationstafeln werden zukünftig die Leistungen des Hämatologen einerseits sowie sein fehlendes Unrechtsbewusstsein in der Nachkriegszeit andererseits aufzeigen. Die Kombination der beiden Maßnahmen ermöglicht zeitgemäße Erinnerungskultur.

„Geschichte kann auch unbequem sein. Wir haben uns in Günzburg für diesen unbequemen Weg entschieden“, erklärt Oberbürgermeister Gerhard Jauernig und weiter „wenn wir nur das Straßenschild abmontieren, erinnert sich in wenigen Jahren niemand mehr an Ludwig Heilmeyer und den Widerspruch in seiner Biografie. Aber genau das wollen wir, nämlich nachhaltige Erinnerung. Wir stellen uns unserer Geschichte.“

Nach heutigen Maßstäben und Wissenstand würde der Arzt nicht mehr als Vorbild gesehen werden. „Grundsätzlich geht es auch darum, wie man als Stadt mit Geschichte und Entscheidungen früherer Generationen umgeht. Hier sind Erläuterungstafeln ein gutes Medium für einen verantwortungsvollen Umgang. Sie stellen den historischen Kontext her und ordnen die Person Ludwig Heilmeyers in diesen ein“, sagt Oberbürgermeister Jauernig zum Beschluss des Stadtrats. Man gebe als Stadt so allen Bürgern und Besuchern die Möglichkeit zur Aufklärung.

Seit einer Antragstellung zur Umbenennung durch die SPD-Fraktion im Januar 2016 diskutierte der Stadtrat die wissenschaftliche Bedeutung Ludwig Heilmeyers sowie seinen Bezug zu Günzburg. Dass sich Heilmeyer um der Karriere willen dem Nationalsozialismus angedient und die Taten des KZ-Arzt Wilhelm Beiglböck beim Nürnberger Ärzteprozess relativiert hat, bewertete das Gremium als schwerwiegend. Diese Haltung sei einer Straßenbenennung nicht würdig. Heilmeyer werden allerdings keine Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, seine wissenschaftliche Arbeit ist anerkannt.

„Die Mitglieder des Stadtrates haben sorgfältig das Pro und Contra abgewogen, der Fall Heilmeyer ist komplex und nicht einfach zu entscheiden“, sagt Oberbürgermeister Jauernig. Dem Gremium und den Anliegern wurde die Möglichkeit gegeben, sich mit den neuesten Forschungsergebnissen zu Ludwig Heilmeyer zu befassen. Zweimal war Professor Dr. Florian Steger, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Ulm, als Referent für alle Bürger eingeladen, zuletzt im Hauptausschuss am 12. Februar.

Wie die Straße in Günzburg künftig heißen soll, wird in einer weiteren Sitzung entschieden. Der Stadtrat beauftragte die Stadtverwaltung damit, Vorschläge zu erarbeiten. Auf natürliche Personen solle dabei verzichtet werden. Die konkrete Umbenennung bedarf einiger Vorbereitungszeit, sodass im Laufe des Jahres 2020 mit der Umsetzung gerechnet werden kann. Die Stadtverwaltung und der Stadtrat werden sich in einer der nächsten Sitzungen darüber verständigen, inwieweit mit der Umbenennung verbundene Kosten mitgetragen werden können. „Wir wollen die Aufwendungen der Bürger so gering wie möglich halten“, so der Oberbürgermeister.

                          Biografie Ludwig Heilmeyer (1899-1969)

• Ab 1926 Assistenzarzt, ab 1933 Oberarzt an der medizinischen Klinik Jena •
Ab 1939 Kriegsteilnahme als Militärarzt,
ab 1943 Leiter der staatlichen Krankenanstalt Krakau •
1945: Professor für Medizin in Wuppertal •
1946-1967: Lehrstuhlinhaber für innere Medizin an der Universitätsklinik Freiburg • Ab 1964 Vorsitzender des Gründungsausschusses,
1967 einer der Gründungsrektoren der Universität Ulm

• Leistungen: Forschung in der Hämatologie, Förderung psychotherapeutischer Verfahren • Ehrungen: Robert-Koch-Preis, Robert-Koch-Medaille, Bundesverdienstkreuz, diverse Ehrendoktortitel

• 1933-35: Mitglied des nationalistischen Wehrverbands Stahlhelm • 1933-34: Mitgründer und erster Dozentenschaftsführer des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes an der Universität Jena • 1933-1939: Förderndes Mitglied der SS (monatliche Beitragszahlung, keine aktive Betätigung)

• Mitglied der Gutachterkommission zu dem KZ-Arzt Wilhelm Beiglböck (1905-1963): der österreichische Internist war Mitglied der NSDAP und der SA und führte im KZ Dachau Menschenversuche durch. Er wurde im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Gutachterkommission, der Heilmeyer angehörte stellte fest, dass „in der Art der Auswahl und der Gewinnung von Versuchspersonen Fehler begangen worden seien und in der Wahl eines Konzentrationslagers als Versuchsort, dass diese Fehler aber keine Verbrechen gewesen seien“. Damit verharmloste Heilmeyer den verbrecherischen Charakter der Versuche Beiglböcks. • Beiglböck wurde kraft amerikanischer Begnadigung frühzeitig aus der Haft entlassen. Er arbeitete ein Jahr bei Ludwig Heilmeyer in Freiburg. Durch dessen Unterstützung wurde er 1952 leitender Arzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses in Buxtehude. • Mangelnde Auseinandersetzung und Distanzierung zum Nationalsozialismus lebenslang

Ludwig Heilmeyer und Günzburg

• 22.7.1964: Einstimmige Ernennung zum Ehrenbürger von Günzburg • Reisensburg: Mitgründung des „Internationalen Instituts für wissenschaftliche Zusammenarbeit e.V. Schloss Reisensburg“, 1966, das die Burg erwarb und die Restaurierung und den Ausbau der Reisensburg zum Tagungszentrum der Universität Ulm erreichte. • Zusammen mit Landrat Dr. Georg Simnacher begründete er die Entwicklung der Bezirkskliniken zu Universitätskliniken der Universität Ulm. • 1969: Ehrenbürger von Reisensburg • 1983: Stadtratsbeschluss zur Benennung der Ludwig-Heilmeyer-Straße

 

Bürgerreporter:in:

Thomas Rank aus Günzburg

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