Kronthaler „the living loving maid“ Das Berliner Trio Kronthaler um die Berliner Mezzo-Sopranistin verbindet auf seiner ersten CD sehnsuchtsvolle Barock-Arien mit modernem Pop-Klang.

Kronthaler | Foto: David Fischer
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Theresa Kronthaler ist eine deutsche Mezzosopranistin mit einer ausgesprochen kosmopolitischen Biographie. In Deutschland geboren und in Rom aufgewachsen, studierte sie zunächst in London Theaterwissenschaften, bevor sie vor etwas mehr als zehn Jahren nach Berlin ging, wo sie an der Hanns Eisler Akademie zur Sängerin ausgebildet wurde. Mittlerweile ist die renommierte Künstlerin auf den unterschiedlichsten Bühnen Europas zuhause und gehört seit zwei Jahren zum Ensemble der Komischen Oper Berlin.

Mit dem finnischen Jazzgitarristen Kalle Kalima und dem deutschen Kontra- und E-Bassisten Oliver Potratz gründete sie in Berlin vor einiger Zeit das Trio „Kronthaler“, um neue musikalische Herausforderungen zu suchen. Trotz ihrer unterschiedlichen Vita und musikalischen Herkunft haben die drei Musiker schnell eine gemeinsame Klangästhetik gefunden. Kronthaler erfinden auf dem Debütalbum „the living loving maid“ in gewisser Weise die Barockmusik neu. „Ich bin auf der Suche nach einem freieren Umgang mit den künstlerischen Mitteln, die mir gegeben sind“, erklärt Theresa Kronthaler ihre Motivation. „Als ausübende Sängerin bin ich gefangen in der Klassik. Daraus entstand die Sehnsucht, mich zu befreien und dazu eignen sich die Stücke des Barock doch sehr. Ich kenne die Stücke schon sehr lange und habe häufig gedacht, die klingen doch irgendwie wie Popstücke.“

„the living loving maid“, durchaus mit Bedacht und einem Augenzwinkern nach einem Led-Zeppelin-Song benannt, enthält zwölf Stücke aus verschiedenen Phasen der Barockmusik, wie man sie so noch nie zuvor gehört hat. Die meisten Arien oder Lieder stammen von Claudio Monteverdi, dem wohl innovativsten Komponisten des Frühbarock, und Henry Purcell, dem englischen Impulsgeber des Hochbarock. Hinzu kommen Kompositionen von Georg Friedrich Händel sowie von Girolamo Frescobaldi und Emilio de’ Cavalieri, die beide im Frühbarock wirkten.

Kronthaler nähern sich den Vorlagen mit Hochachtung und großem Respekt, gleichwohl suchen sie in ihrer Klangästhetik immer wieder den Brückenschlag in die heutige Zeit. So sind sie einerseits den Vorlagen treu geblieben, andererseits sind sie immer wieder ihrer Intuition gefolgt, haben die freie Form gesucht, assoziativ gearbeitet. Die Schicksalsmelodien des Barock, gefangen in ihrem Mysterium, werden durch Schönklang entfesselt, durch die Reinheit von Theresas Gesangskoloraturen ebenso wie durch die feingliedrige Instrumentierung. Das ist auch ein Grund, warum die zwölf Aufnahmen in ihrer Gesamtheit so ungemein atmosphärisch wirken, traumwandlerisch und trancehaft, ja sogar geradezu geheimnisvoll.

Bei aller Komplexität erzeugen Kronthaler eine Leichtigkeit, die den barocken Vorlagen die Schwere und Gravität nimmt. Es sind Kalimas luzide Gitarrenklänge und Potratz’ wundersam fließende Bassläufe, die Theresa Kronthalers Stimme alle Entfaltungsmöglichkeiten bieten und die Aufnahmen so ätherisch und magisch wirken lassen. Kronthaler bearbeiten die italienischen und englischen Arien und Lieder, in denen es meist um das Mysterium der Liebe geht, aber auch um Vergänglichkeit und Todessehnsucht, mit stilistischen Mitteln der Moderne und dementsprechend mit E-Gitarre, E-Bass und programmierten Sounds. So lassen sich bei genauem Hinhören Spurenelemente der Rockmusik, des Folk und der Popmusik entdecken. Bei einigen Stücken wie etwa bei dem pittoresken „Il Tempo“ beleben Percussion, Violine und Violoncello das Klangbild um zusätzliche Farben.

„Dolce Tormento“, ein auf Monteverdis melancholischem Scherzo „Si dolce è il tormento“ beruhendes Stück, evoziert seine Spannung ebenso aus dem glasklaren Gesang wie aus dem ätherischen Fingerstyle des Gitarristen, bei dem man jeden einzelnen Ton spüren kann. Eine dem süßen Schmerz gewidmete Arie als eindringliche Ballade aus akustischen Nadelstichen. Ein Klang-Tattoo. Ganz anders das aus „Die Rückkehr des Odysseus“ stammende „Dormo Ancora“, bei dem sich Johnny Cash ebenso assoziieren lässt wie große Westernmusik. Ulysses als Lone Ranger; Tarantino unchained. Monteverdis „Possente Spirtu“ bleibt dagegen mit all seinem vokalen Schönklang und Vibrato ganz nah an dem sich durch komplexe Melodieführung auszeichnenden Original, ist aber mit seinen E-Gitarren-Soundscapes, die an die Arbeiten von Brian Eno und Robert Fripp erinnern, zugleich der Moderne zugewandt.

Besonders modern klingen die Stücke von Henry Purcell: „When I Am Laid In Earth“ wird in einen formidablen modernen Blues verwandelt. „Cold Song“, nicht nur wegen Klaus Nomis unsterblicher Version eines der berühmtesten Werke von Purcell, wird sehr luzide, einfühlsam und ganz ohne Dramatik interpretiert. Elegisch und eindringlich wirkt dagegen Purcells „Solitude“, während Händels „Endless Night“ (bekannt unter: „As With  Rosy Steps The Morn“) ganz dem romantischen Grundton verpflichtet bleibt. Und „One Charming Night“ wirkt in seiner fragilen Klangarchitektur wie ein beseelter Song einer Singer-Songwriterin unserer Zeit. Das gilt auch für das von Theresa Kronthaler in beeindruckend tiefer Stimmlage intonierte „If Love’s A Sweet Passion“, das ebenso wie „One Charming Night“ aus Purcells Oper „The Fairy Queen“ stammt.

Doch es ist hier nicht alles Legato und Moll: Temperamentvoll gehalten sind die folkloristisch anmutenden „Vi ricorda o boschi ombrosi“ (aus Monteverdis Orpheus-Oper) inklusive eines forsch vorgetragenen, improvisierten Rezitativs und „Se l’aura spira“ von Girolamo Frescobaldi – das erste eher mit keltischem, das letztere mit mediterranem Flair. Als musikalische Gäste unterstützen Michael Weilacher (Drums, Percussion), Ayumi Paul (Violine) und Boram Lie (Violoncello) die Aufnahmen, die im Winter und Frühjahr des letzten Jahres in den Nalepa Studios im ehemaligen Berliner Funkhaus der DDR stattfanden.

Auf „the living loving maid“ treffen immer wieder musikalische Welten aufeinander, die unvereinbar scheinen, aber die uns in ihrer Ästhetik vertraut sind. Mit ihrem Debüt ist es Kronthaler mit Bravour gelungen, klassische Barockkompositionen um neue und höchst unterschiedliche Facetten und Konnotationen zu bereichern. So modern und erfrischend, so nah am heutigen Klangverständnis hat man die Welt des Barock noch selten neu entdecken können. Barockmusik mit avantgardistischem Pop-Appeal.

Kronthaler | Foto: David Fischer
Foto: Agentur
Bürgerreporter:in:

Thomas Rank aus Günzburg

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